Kommunikation Warum nerven uns Sprachnachrichten?
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18. Juli 2022, 14:51 Uhr
Sprachnachrichten werden gerne versendet - und mitunter nicht ganz so gerne empfangen. Forschende erklären, warum sie eine besondere Kommunikationsform sind und was daran "nervig" sein kann. Und warum sie es schaffen können, dass wir uns Menschen näher fühlen.
Sie sind praktisch und meist persönlicher als geschriebener Text. Sprachnachrichten haben sich zu einer beliebten Kommunikationsform entwickelt. Alleine über den Messenger-Dienst WhatsApp werden mittlerweile (nach Angaben des Konzerns) täglich sieben Milliarden Sprachnachrichten versandt. In einer YouGov-Umfrage gaben 2019 69 Prozent der Befragten an, dass sie die Sprachnachrichten-Funktion ihres Messengers nutzen. Allerdings scheint das nicht immer auf Gegenliebe zu stoßen: In der gleichen Umfrage antwortete fast die Hälfte der Befragten, Sprachnachrichten seien zeitlich aufwändig abzuhören. 58 Prozent waren der Meinung, wer eine Sprachnachricht schicke, könne doch gleich anrufen.
Eine kommunikative Einbahnstraße
Gerald Lembke ist Professor an der DHBW Mannheim und befasst sich mit digitalen Medien. Er hat Sprachnachrichten und deren Nutzung untersucht und kommt zu dem Ergebnis: "Die Nutzer sagen: Sie verschicken zwar gern Sprachnachrichten, aber sie hören sie nicht gerne an. Warum? Etwas aufzuzeichnen, so nebenbei, an der Kasse stehend oder im Auto sitzend, ist sehr einfach, aber eine Sprachnachricht anzuhören erfordert eine Aktion“. Kommunikativ sei die Sprachnachricht dabei aber eher eine Einbahnstraße, sagt Gerald Lembke - und aus Sicht der Theorie eher eine Vereinfachung: "Man ist unabhängig von der Reaktion des Empfängers und das macht Kommunikation grundsätzlich zuerst mal einfacher, weil sie nur in eine Richtung ist und nicht auf Interaktion ausgelegt ist.“
Absprachen mit vielen Leuten sind schwierig
Damit sind Sprachnachrichten ein bisschen wie ein Hybrid aus Chat und Telefonieren: Wir hören zwar die Stimme unseres Gegenübers, antworten aber meist nicht direkt, wie das bei einem "richtigen“ Gespräch der Fall wäre. Die Kommunikation via Sprachnachricht ist also asynchron. Das kann uns zwar ermöglichen, am Leben der anderen teilzuhaben, ist für konkrete Absprachen aber mitunter hinderlich. Gerald Lembke sagt, gehe es um Absprachen mit vielen Leuten, sei ein Telefongespräch effektiver und produktiver.
"Wenn man zum Beispiel ein Datum kommunizieren möchte, sollte man das nicht in einer mehrminütigen Sprachnachricht einbetten, sondern als Text schicken, weil der Empfänger es dann sofort sehen und später leicht nachschauen kann“, sagt auch Dorothea Adler. Sie forscht am Lehrstuhl für Medienpsychologie der Universität Würzburg unter anderem zu Sprachnachrichten.
Wir kommen ins Plaudern
Was konkrete Absprachen via Sprachnachricht weiter erschwert: Wir kommen eher ins Plaudern. Dorothea Adler betont: "Während man bei Text nochmal durchlesen kann, was man geschrieben hat, und Dinge abändern kann, damit es besser zur Nachricht des Empfängers passt, kommt man bei der gesprochenen Sprache wahrscheinlich eher ins Plaudern. Dadurch entsteht wohl auch manche Länge. Manche Menschen mögen es, wenn jemand ins Reden kommt und über seine Gedanken und Gefühle spricht. Während eine Textnachricht auch persönlich sein kann, ist diese wohl dennoch eher etwas konzentrierter und fokussierter.“
Darin liegt aber auch eine Chance: Während wir konkrete Absprachen weniger gut via Sprachnachricht treffen können, schaffen wir es mit solchen kurzen Audios womöglich besser, Stimmungen und Gefühle zu vermitteln. Dorothea Adler sagt: "Ich höre zum Beispiel, wenn eine Freundin noch auf der Party ist und Musik läuft. Dadurch kann ich viel besser daran teilnehmen und durch die Sprache die authentischen Emotionen wahrnehmen und mich dadurch auch der Person näher fühlen“.
Stress kann man hören
Wer die Nachricht hört, nimmt außerdem Stimme und Stimmlage wahr – und daran lässt sich mitunter gut ablesen, wie es der Person geht, die die Nachricht aufgenommen hat. Eine aktuelle Studie von Forschenden der Universität des Saarlandes stellt beispielsweise fest: Wenn wir Stress im Job haben, verändert sich auch unsere Stimmlage. Sie wird lauter, höher und schneller. Die Forschenden schlagen sogar vor, solche Veränderungen der Stimmlage als objektive "Stressmesser“ zu verwenden – ähnlich, wie man es bislang mit Cortisolwerten praktiziert.
Entgegen aller Sprachnachrichten-Fatigue können wir also emotionale und persönliche Themen mit der eigenen Stimme womöglich besser vermitteln als via Text. Wichtig sei aber, dass alle an der Kommunikation Beteiligten mit Sprachnachrichten einverstanden sind. Dorothea Adler sagt, es gehe dabei auch um Feingefühl: "Wenn ich jemandem eine Sprachnachricht schicke und mein Gegenüber mir konstant mit Text antwortet, dann würde ich wahrscheinlich irgendwann vermuten, der will das nicht und nachfragen oder keine Sprachrichten mehr verschicken.“
Links/Studien
Die Studie der Universität des Saarlands zu Stress, den wir in der Stimme hören können, gibt es hier zum Nachlesen.
dpa/iz
THOMAS H am 18.07.2022
Es zeigt sich wieder einmal, das man ohne mobiles Fernsprechgerät und einem, in Bezug Internetfähigkeit, nur zu Hause nutzbaren Computer, sehr, sehr ruhig leben kann, wobei es wirklich nervt, wenn andere in der Öffentlichkeit denken, das sie alleine sind, aber da habe ich auch schon eingegriffen und dem Gesprächspartner z. B. schönes Grüße von mir ausrichten lassen. Es hat gewirkt und das Gespräch wurde beendet. ;-)
steka am 18.07.2022
Die Sprachnachrichten nerven vor allem, wenn man gezwungener Maßen in Bahn und Bus sich stundenlang das Telefongelaber rücksichtsvoller Mitreisender anhören muß. Komisch, früher waren die Telefonzellen extra schallgeschützt, damit ja keiner mithören kann, heute wird so ein Gewese um den Datenschutz gemacht und gleichzeitig werden die intimsten Angelegenheit laut in den Raum gebrüllt.
Suedvorstadt am 19.07.2022
Hihi, das ist lustig :)