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Helle NächteStrassenlaternen verursachen weniger Lichtverschmutzung als gedacht

02. November 2020, 10:55 Uhr

Eine neue Studie des Deutschen GeoForschungsZentrums in Potsdam fand heraus, dass Straßenlaternen nur wenig zur nächtlichen Lichtemission von Städten beitragen. Der Großteil der Lichtverschmutzung hat andere Ursachen.

Europa bei Nacht. Ein Bild, das Alexander Gerst bei seinem ISS-Aufenthalt gemacht hat. Bildrechte: ESA/NASA

Die Erde bei Nacht - sieht man sich die Satellitenbilder an, ist eines ganz deutlich zu erkennen: Hell erleuchtete Metropolen, deren Licht in den Himmel strahlt. Irgendwie schön, aber nicht makellos. Denn Lichtverschmutzung ist ein zunehmendes Problem für Tiere und Menschen. Die Städte werden mit der Zeit sogar immer heller, sagt Dr. Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam. Aber was leuchtet hier eigentlich genau? Ist unsere Straßenbeleuchtung schuld? Um diese Frage zu beantworten, haben die GFZ-Forscher an einer Methode gearbeitet, um festzustellen, welchen Anteil die Straßenbeleuchtung von Städten an der Lichtverschmutzung hat.

Der Hintergrund ist eine politische und eine ökologische Frage. Wenn wir unsere Welt verbessern wollen, muss ich wissen, wie viel Verbesserung ich von einer Veränderung erwarten kann und was sind die nächsten Schritte.

Dr. Christopher Kyba, GFZ Potsdam

Intelligente Straßenbeleuchtung in Tucson: Blick in eine Straße zum Vergleich zwischen einer Beleuchtungsstärke von 30 und 90 Prozent. Bildrechte: John Barentine

Um der Sache auf den Grund zu gehen, führte das Team ein Experiment mit den Straßenlaternen in Tucson, Arizona durch. Da die US-Stadt mittels "Smart City"-Technologie beleuchtet wird, konnten die Forschenden die Helligkeit von etwa 14.000 Laternen verändern. An manchen Orten wurde sie auf 100 Prozent heraufgedreht, an anderen Orten auf 30 Prozent herabgesetzt. So veränderten die Forscher die Helligkeit an sechs aufeinander folgenden Tagen und schauten sich dann die Satellitenbilder an.

Strassenlaternen sind kaum Schuld

Das Ergebnis: Die Straßenlaternen haben nur wenig Einfluss auf die Lichtverschmutzung über der Stadt. Sie machen nur etwa 20 Prozent aus. Der weitaus größere Teil des Lichts stammt von hellen Fenstern, beleuchteten Schildern und Fassaden oder Sportplätzen. Für Christopher Kyba einerseits ein kleiner Grund zur Sorge:

Meine Sorge ist, dass eine Stadt glauben könnte: Ok, wir haben unsere Straßenbeleuchtung verbessert. Jetzt sind wir fertig.

Dr. Christopher Kyba

Andererseits aber auch irgendwie ein Erfolg. Denn nun kann das Forschen weitergehen.

Wir haben gezeigt, wenn man Energie sparen und Lichtverschmutzung reduzieren will, ist das nur der erste Schritt. Dann kommt der zweite Teil.

Dr. Christopher Kyba

Dieser zweite Teil ist laut Kyba der wesentlich schwierigere. Doch auch da ist das Helmholtz-Zentrum Potsdam schon dran.

Mit Citizen Science gegen Lichtverschmutzung

Es gibt ein neues bürgerwissenschaftliches Projekt namens Nachtlicht-BüHNE – das Bürger-Helmholtz-Netzwerk zur Erforschung nächtlicher Lichtphänomene. Gemeinsam mit Bürgern arbeiten die Forscher daran, eine App zu entwickeln, mit der kartiert werden kann, welche Lichtquellen es an verschiedenen Orten in Deutschland gibt.

Die Bürger werden die Straßen entlang laufen und alles zählen – so viele Werbelichter, so viele Straßenlaternen, so viele Bushaltestellen gibt es.

Dr. Christopher Kyba

Das ist insofern wichtig, um zu verstehen, woher das Licht kommt, das die Wissenschaftler auf Satellitenbildern sehen. Die Satellitenmessung ergibt nur einen Wert für die gemessene Lichtenergie.

Durch die App könnten wir dann sagen: das bedeutet ungefähr zwanzig Straßenlaternen, zwanzig mal Werbebeleuchtungen und so weiter.

Einen Vorteil haben Satellitenaufnahmen aber trotzdem. Mit ihnen kann man die ganze Welt anschauen. Mit der Bürgerwissenschaft kann man nur vereinzelte Orte untersuchen. Nichtsdestotrotz wäre man einen Schritt näher daran zu verstehen, wo die Quellen der Lichtverschmutzung im Detail liegen.

Oberhausen bei Nacht. Schön - aber auch sehr hell. Bildrechte: imago/Hans Blossey

Die Menschen haben nichts gemerkt

Eine weitere interessante Erkenntnis aus dem Straßenlaternen-Experiment ist, dass die Bevölkerung die Veränderung der Helligkeit gar nicht wahrgenommen hat. Nur in dem Moment, in dem die Beleuchtung umgeschaltet wird, würden wir es bemerken, doch innerhalb weniger Sekunden hätte sich das menschliche Auge daran gewöhnt. Außerdem gab es auch keine Hinweise darauf, dass das Dimmen der Beleuchtung irgendwelche Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hatte, so die Ergebnisse der Studie. Warum wird die Straßenbeleuchtung dann überhaupt in voller Kraft eingesetzt?

Bildrechte: imago/Rolf Zöllner

Es gibt Vorschläge, zum Beispiel die Europäische Norm zu Straßenbeleuchtung, die eher auf dem Konsens der Industrie basieren und nicht auf Wissenschaft. Wir bräuchten mehr Studien, die erfassen, wie viel Licht eigentlich ein Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer benötigt. Ich glaube, wir würden feststellen, dass weniger Licht gut genug wäre.

Dr. Christopher Kyba

Der Beleuchtungs-Ist-Zustand basiert laut Kyba auf veralteten Daten. Die Umstände haben sich aber enorm verändert.

Wenn man 1980 gemessen hat, dass man so und so viele Laternen auf der Straße haben muss, damit die Verkehrssicherheit erhöht wird, muss das heute überhaupt nicht mehr gelten. Die Unfälle gehen immer weiter zurück. Wir haben viel bessere Autos, Scheinwerfer und Bremsen. Die Normen müssten regelmäßig angepasst werden.

Dr. Christopher Kyba

Spannend würde das spätestens werden, wenn sich autonome Autos durchgesetzt haben. Dann bräuchten Straßen selbst überhaupt keine Beleuchtung mehr. Dadurch würden sich völlig neue Beleuchtungskonzepte ergeben, gerät der Wissenschaftler ins Schwärmen. Das Thema Beleuchtung und Lichtverschmutzung birgt also noch viele Forschungsansätze. Einen ersten Schritt haben Kyba und seine Kollegen mit ihrem Straßenlaternen-Experiment bereits gemacht. Die Ergebnisse ihrer Studie erschienen in der Fachzeitschrift "Lighting Research & Technologie".

JeS

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