Mutter und Kind nach Kaiserschnitt
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Adipositas Keine dickeren Kinder durch Kaiserschnitt

10. Dezember 2019, 21:59 Uhr

Neigen Kaiserschnittkinder später oft zu Übergewicht? Darauf wiesen in den letzten Jahren immer wieder entsprechende Studienergebnisse hin. Eine neue Untersuchung aus Schweden gibt jetzt Entwarnung: Sie hat Daten von 100.000 Männern ausgewertet und damit die bislang größte Stichprobe zu dieser Fragestellung untersucht. Einen Zusammenhang zwischen der Art der Entbindung und dem Körpergewicht konnte sie nicht nachweisen.

Die Wissenschaftler der medizinischen Universität "Karolinska Institutet" in Stockholm wollten untersuchen, ob der Anstieg von Adipositaserkrankungen möglicherweise damit zusammenhängt, dass immer mehr Kinder per Kaiserschnitt zur Welt kommen. Wurden 1990 noch 6,7 Prozent auf diese Weise entbunden, waren es 2014 schon 19,1 Prozent weltweit. Der Anteil übergewichtiger Kinder stieg in diesem Zeitraum von 4,8 auf 6,1 Prozent.

Dazu analysierten die Forscher Daten von 100.000 männlichen 18-jährigen. Sie teilten sie in drei Gruppen ein, je nachdem, auf welche Weise sie zur Welt gekommen waren: durch eine natürliche Geburt, einen Wunschkaiserschnitt oder einen medizinisch notwendigen Kaiserschnitt. Dann verglichen sie den Body-Mass-Index (BMI), der nach Berücksichtigung von Geschlecht, Alter, Körpergröße und Körpergewicht angibt, ob man als "normalgewichtig" gilt oder nicht.

Kaiserschnitt spielt keine Rolle für spätere Gewichtsentwicklung

Die Auswertung der Daten ergab: 5,5 Prozent der Männer, die durch einen Wunschkaiserschnitt zur Welt gekommen waren, waren adipös, 5,6 Prozent derer, die durch einen medizinisch notwendigen Kaiserschnitt geholt wurden ebenfalls. Bei den natürlichen Entbindungen waren es zwar mit 4,9 Prozent geringfügig weniger. Doch die Wissenschaftler berücksichtigten, dass eine Menge weiterer Faktoren das Gewicht der Nachkommen beeinflussen wie der BMI der Mutter vor der Schwangerschaft, das Alter der Mutter und deren Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Rauchen und Präeklampsie. Daher sehen sie in der Methode der Geburt keine Ursache für späteres Übergewicht:

Wir haben keine Beweise gefunden, die einen Zusammenhang zwischen Kaiserschnitt und der Entwicklung von Adipositas belegen. Die Art und Weise der Geburt ist offenbar kein wichtiger Faktor für die Entstehung der globalen Adipositas-Epidemie.

Daniel Berglind, Department of Global Public Health am Karolinska Institutet

Damit widerspricht die Studie des Karolinska Instiutet allen bislang veröffentlichten Untersuchungen zum Zusammenhang von Kaiserschnittgeburt und Adipositas. So hatten Forscher der Medicine School of New York 2017 experimentell an Mäusen nachgewiesen, dass nach einem Kaiserschnitt später ein Drittel der Tiere schwerer waren als die Vergleichsgruppe. Die Ergebnisse wurden damals in Science Advances veröffentlicht. Allerdings handelte es sich um eine kleine Stichprobe von 5 Mäusen, an denen ein Kaiserschnitt vorgenommen wurde und eine Kontrollgruppe von 6 Mäusen, die ihre Jungen auf natürlichem Wege zur Welt brachten.

Einer US-Studie mit Daten von 1999 bis 2002 zufolge waren per Kaiserschnitt entbundene Kinder im Alter von drei Jahren mehr als doppelt so häufig adipös als ihre Altersgenossen, die natürlich zur Welt gekommen waren. Eine weitere Untersuchung aus Brasilien, die 2017 veröffentlicht wurde, konnte das jedoch nicht bestätigen.

Keime als Ursache?

Ein Grund für diese Entwicklung sahen Wissenschaftler in Keimen, die durch den Kaiserschnitt in den Darm gelangen und die dortige Flora stören können. Der Darm, so die Annahme, könnte dies durch eine höhere Aufnahme von Stoffen in die Zellen ausgleichen.

Auch die Technikerkrankenkasse hatte die Abrechnungsdaten von 38.850 Kindern im Hinblick auf den Zusammenhang von Kaiserschnitt und Adipositas analysieren lassen. 31 Prozent der Babys (11.900) waren durch eine Schnittentbindung auf die Welt gekommen und hatten nach Aussagen der Kasse ein um 36 Prozent erhöhtes Risiko für Adipositas. Weitere Risikofaktoren waren hier jedoch außer acht gelassen worden.

Hauptursache: Fettleibige Mütter

Schwangere mit einer Schüssel verschiedener Früchte
Adipositas: Gewicht und Ernährungsgewohnheiten der Mutter sind entscheidend Bildrechte: imago images/Westend61

Die Wissenschaftler des Karolinska Institut untersuchten innerhalb ihrer Stichprobe auch Geschwister. Insgesamt 10.000 Studienteilnehmer hatten jeweils Mutter und Vater gemeinsam. Damit konnte belegt werden, dass auch genetische Ursachen im Hinblick auf Adipositas kaum eine Rolle spielen. Ausschlaggebender Faktor war offenbar der BMI der Mutter.

Es liegt nahe, dass das Risiko für Fettleibigkeit eher durch die genetische Veranlagung und die Bedingungen im Mutterleib geprägt wird als durch die Art der Entbindung.

Viktor H. Ahlqvist, Forscher am Department of Global Public Health

fasst Viktor H. Ahlqvist zusammen, der die Studie "Wunschkaiserschnitt und medizinischer Kaiserschnitt und Adipositas bei jungen erwachsenen männlichen Nachkommen: eine auf der schwedischen Bevölkerung basierende Kohortenstudie" geleitet hat.

2 Kommentare

MDR-Team am 11.12.2019

@GerdMueller, was genau empfinden Sie als "Schwachsinn"?

IM Larve am 11.12.2019

Selten so ein Schwachsinn gelesen, ich kann nur vom Gegenteil berichten.