TU Dresden Studie: Gibt die Sprache Hinweise auf eine Multiple-Sklerose-Erkrankung?

Weltweit leben etwa 2,8 Millionen Menschen mit Multipler Sklerose. Die Krankheit heißt auch Krankheit der tausend Gesichter, weil sie aufgrund ihrer vielen verschiedenen Symptome schwer diagnostizierbar ist. Eine Dresdner Forschungsgruppe startet nun eine Studie, die testet, ob das Sprechen verrät, ob jemand Multiple Sklerose hat oder nicht.

Eine Frau sitzt vor einem Laptop.
Sprachaufnahmen und deren Auswertung auf MS funktionieren mit der neuen Methode auch bei einer Onlinesprechstunde (Symbolfoto) Bildrechte: IMAGO / Westend61

In Dresden startet eine Studie mit einem neuen Verfahren zur Diagnostik und zum Monitoring von Menschen mit Multipler Sklerose, kurz MS: mit einer Sprachdiagnose per App. Das Verfahren soll mit MS-Patientinnen und -Patienten sowie einer Kontrollgruppe nicht erkrankter Personen getestet werden. Dass per Sprachanalyse MS-typische Symptome wie Müdigkeit, Denken und Depression erkannt werden können, ist zum Beispiel aus der Alzheimer-Demenz bereits gut belegt. Spezialist Tjalff Ziemssen, Leiter des Multiple-Sklerose-Zentrums in Dresden, hofft, dass sich das Prinzip auch in den MS-Bereich übertragen lässt. Bislang sind nämlich viele Tests für eine MS-Diagnose nötig, weil die Krankheit so viele verschiedene Symptome hat, wie zum Beispiel Müdigkeit und Depression. Deren Erfassung geht bisher aber nur über den Selbstbericht der Erkrankten, also kein wirklich objektives Verfahren. Die Sprachanalyse könne die bisherigen Verfahren objektiv ergänzen, meint Ziemssen.

Sprache als Krankheits-Hinweisgeber: Kann man MS hören?

Einschränkungen von Denkfähigkeit, Sehen und motorischen Fähigkeiten sind MS-Symptome, aber auch Veränderungen in der Stimmung oder anhaltende Müdigkeit. Sie wirken sich indirekt auf das Sprechen aus.

Mann in weißem Arztkittel
Prof. Dr. Tjalf Ziemmsen leitet das Dresdner Multiple-Sklerose-Zentrum am Universitätsklinikum Bildrechte: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

So lässt sich an unserer Sprache beispielsweise die Stimmung ablesen, bei freudigen Ereignissen klingen wir anders als bei traurigen. Könnte man also sagen, dass man MS in der Sprache hören kann und wenn ja, wie klingt das? Bei der MS kommen beispielsweise Probleme bei der Bildung von Lauten hinzu, wenn die betroffene Person spricht, schildert Prof. Ziemssen. Auch undeutliches, verwaschenes Sprechen, eine monotone Sprachmelodie oder Kurzatmigkeit beim Sprechen könnten auf MS hinweisen. Probleme mit der Aufmerksamkeit, dem Gedächtnis und der Wahrnehmung wirken sich ebenfalls auf das Sprechen aus. Hier könnte der Sprachanalyse-Ansatz auch schon bei Menschen mit nur leichter MS-Beeinträchtigung anschlagen.

Multiple Sklerose: Was ist das?

Bei Multipler Sklerose (MS) wirkt das Immunsystem gegen den eigenen Körper und es kommt zu Entzündungen an verschiedenen Stellen im Zentralen Nervensystem, nämlich im Gehirn und Rückenmark. Wenn dabei die Isolierschicht der Nervenfasern, das Myelin, Schaden nimmt, werden Impulse nicht mehr oder nur noch teilweise weitergegeben. Die Symptome sind wie die Krankheit selbst sehr verschiedenartig: So können Sehstörungen, Kribbeln in Händen und Füßen oder Müdigkeit als erste Anzeichen auftreten, manchmal nur zeitweise, manchmal aber auch dauerhaft. Je nach Person werden sie in Kombination gespürt, oder als einzelne Symptome. Das macht es so schwierig, die jeweils passende Therapie zu finden.

Potentielle Vorteile der Diagonistik dank Sprachanalyse

Die Analyse per App bietet aus Sicht der Dresdner eine Reihe von Vorteilen: Sie ermöglicht zum einen ein unkompliziertes, engmaschiges Monitoring für Menschen mit MS. Von Vorteil ist es auch für diejenigen, die weit weg vom nächsten MS-Zentrum leben oder die nur eingeschränkt mobil sind. Man könnte auch an Videosprechstunden die Sprachanalyse unkompliziert hinzufügen, zum Beispiel in dem Sprachaufnahmen der Sprechstunden analysiert würden. Außerdem wäre diese Analyse-Methode zeitsparend: So ließen sich auch ohne Ambulanztermin Müdigkeit, Denkprobleme, Depression und logopädische Beübung MS-Symptome herausfinden.

Ob das tatsächlich so funktioniert, wie sich die Forschung das denkt, soll die neue Studie herausfinden. Dafür werden noch Menschen mit und ohne chronisch-entzündlicher Erkrankung des zentralen Nervensystems gesucht.

Infos zur Teilnahme

Für die Kontrollgruppe ist geeignet, wer älter ist als 18 Jahre, gesund und ohne neurologische oder psychiatrische Erkrankungen ist. Für die Teilnahme gibt es eine Aufwandsentschädigung und die Erstattung der Fahrkosten. Interessierte wenden sich an folgende E-Mail-Adresse: VoiceDD@ukdd.de.

lfw

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