Ludwig van Beethoven seitlich: Mann mit lockigen Haaren steht mit verschränkten Armen auf einem Balkon von Haus mit herbstlichem Laub umgeben.
Ludwig van Beethoven: Forschenden haben nach über 250 Jahren seine Todesursache ermittelt. Bildrechte: imago/Gemini Collection

Genetik Ludwig van Beethoven – was fünf Haarlocken über sein Leben und seinen Tod verraten

23. März 2023, 18:22 Uhr

Ein internationales Forschungsteam hat mit DNA-Analysen in Leipzig das Genom Ludwig van Beethovens entschlüsselt. Die Ergebnisse werfen ein ganz neues Licht auf Leben und Sterben des weltberühmten Komponisten.

Es sind fünf Haarsträhnen, die sehr viel über Beethoven verraten. "Unser primäres Ziel war es, Licht auf Beethovens Gesundheitsprobleme zu werfen, zu denen bekanntlich der fortschreitende Hörverlust gehört, der Mitte bis Ende 20 begann und schließlich dazu führte, dass er bis 1818 funktionell taub war", so Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig über die Motivation zu dieser Studie. Die Ursachen für die Taubheit konnten die Forschenden zwar nicht ergründen, dafür aber vieles andere. Und das wirft ein sehr spannendes Licht auf den Ausnahme-Komponisten, vor allem die Geburt und den Tod.

Das verräterische Y-Chromosom

Fangen wir mit der Geburt an, oder noch besser, dem, was davor geschah. Denn im Gegensatz zu seinem Geburtstag, den wir bis heute nur mit "Dezember 1770" angeben können (nur die Taufe am 17.12. 1770 ist verbürgt), wissen wir nun, dass einer seiner Vorfahren väterlicherseits ein außereheliches Verhältnis gehabt haben muss. War Beethoven also gar kein Beethoven, sondern ein Meier, Müller, Schulze? Oder ein Schwarz, Kurz, Voss, wie viele Menschen damals auch hießen? Unmöglich erscheint es nicht. Denn das Forscherteam fand heraus: Beethovens Y-Chromosom stimmt nicht mit dem von fünf modernen Verwandten überein, die denselben Nachnamen tragen und auf der Grundlage genealogischer Aufzeichnungen einen gemeinsamen Vorfahren mit Beethovens väterlicher Linie haben.

Der genetische Genealoge Maarten Larmuseau von der KU Leuven erklärt es so: "Durch die Kombination von DNA-Daten und Archivdokumenten konnten wir eine Diskrepanz zwischen Ludwig van Beethovens rechtlicher und biologischer Genealogie feststellen." Die Forschenden konnten diesen "Fehltritt" zeitlich eingrenzen "zwischen der Empfängnis von Hendrik van Beethoven in Kampenhout, Belgien, um 1572 und der Empfängnis von Ludwig van Beethoven, sieben Generationen später, 1770, in Bonn", so Studien-Hauptautor Tristan Begg, der jetzt an der University of Cambridge, UK, arbeitet.

Eine Probe der Haare von Ludwig von Beethoven wird analysiert
Die "Stumpff-Locke" (aus dem Besitz des Instrumentenmachers Johann Andreas Stumpff, eines Freundes Beethovens aus dem Thüringischen Ruhla, der 1790 nach London auswanderte) anhand dieser am besten erhaltenen Probe ist es den Forschenden gelungen, Beethovens gesamtes Genom zu sequenzieren. Bildrechte: MPI-EVA/Anthi Tiliakou

Die Studie: Ein Wunsch von Beethoven selbst

Begg und William Meredith, ebenfalls Ko-Autorin der Studie, hatten bereits vor zehn Jahren die Idee entwickelt, Beethovens Genom zu untersuchen. Grund dafür war der Komponist selbst, der im 1802 seine Brüder bat, seinen Arzt JA Schmidt zu bitten, sein Leiden – seinen fortschreitenden Hörverlust – nach seinem Tod der Welt zu beschreiben, damit "nach Möglichkeit wenigstens die Welt mit mir versöhnt wird nach meinem Tod". "Das haben wir als Auftrag verstanden", so Johannes Krause. In der neuen Studie stützte sich das Team auf die jüngsten Entwicklungen bei der Analyse alter DNA, bei denen auch das Leipziger Max-Planck-Institut weltweit führend ist, nicht zuletzt durch die Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms, wofür 2022 auch der Medizin-Nobelpreis an Svante Pääbo verliehen wurde. Diese Verbesserungen haben die Sequenzierung des gesamten Genoms aus kleinen Mengen historischer Haare ermöglicht.

Todesursache Alkohol

Genetische Ursachen für Beethovens Taubheit oder seine Magen-Darm-Probleme konnten dabei aber nicht feststellt werden. Die Forscher fanden allerdings heraus, dass sich frühere Analysen, die darauf hindeuteten, dass Beethoven eine Bleivergiftung hatte, auf einer Probe basierten, die überhaupt nicht von Beethoven stammte; Stattdessen kam diese von einer Frau. Was den Tod des Komponisten angeht, so konnten die Forschenden aber eine ziemlich klare Diagnose stellen. "Wir haben eine Reihe signifikanter genetischer Risikofaktoren für Lebererkrankungen entdeckt", so Johannes Krause vom MPI EVA in Leipzig. "Auch fanden wir Hinweise auf eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus spätestens in den Monaten vor der endgültigen Erkrankung des Komponisten. Diese haben wahrscheinlich zu seinem Tod beigetragen."

Ludwig van Beethoven in einem Gemälde von Karl Joseph Stieler. 5 min
Bildrechte: imago/Leemage

Sein Alkoholkonsum, den Zeitgenossen zwar als mäßig beschrieben, dürfte dabei ein große Rolle gespielt haben. "Unserer Einschätzung nach dürfte es sich immer noch um Alkoholmengen gehandelt haben, von denen man heute weiß, dass sie für die Leber schädlich sind", so Tristan Begg. "Wenn Beethovens Alkoholkonsum über einen ausreichend langen Zeitraum hoch genug war, stellt die Wechselwirkung mit seinen genetischen Risikofaktoren eine mögliche Erklärung für seine Leberzirrhose dar."

Das Haar als Zeichen der Verbundenheit Sich gegenseitig Haare zuzusenden galt zu Zeiten Beethovens als Zeichen der Freundschaft und Verbundenheit, romantisch gesehen auch der Liebe. Richtig aufbewahrt können Haare, die nach Tod und Bestattung normalerweise in wenigen Jahren zerfallen, Jahrhunderte überdauern. So besitzt etwa die Leipziger Universitäts-Bibliothek Locken von Clara Schumann und Felix Mendelssohn Bartholdy.

Die fünf untersuchten Haarsträhnen stammen alle aus den letzten sieben Lebensjahren Beethovens. Die genetischen Daten dieser Person würden alle auf eine Herkunft hinweisen, die mit der historisch gut erforschten Herkunft Beethovens übereinstimme, so die Forschenden. Sie legen damit nahe, dass das Erbgut authentisch ist. Die extrahierte DNA ist genetisch am ähnlichsten zu der von Menschen, die im heutigen Nordrhein-Westfalen leben, was mit Beethovens bekannter deutscher Abstammung übereinstimme.

Links/Studien

Die Studie "Genomanalysen von Haaren von Ludwig van Beethoven" ist im Magazin Current Biology  erschienen.

gp/pm

FOTOMONTAGE, Feuerwerk am Nachthimmel 28 min
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Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 23. März 2023 | 07:50 Uhr

6 Kommentare

docnetti am 24.03.2023

… ist es nicht eigentlich so, dass wenn Beethovens y ein anderes ist als das der männlichen Beethovens davor eher seine Mutter (von der er das x- Chromosom bekommt) außerehelichen Gelüsten nachging mit einem Mann, dessen Y Chromosom Herr „ Beethoven“ dann geerbt hat, weshalb seines von den „echten“ Beethovens abweicht?
Wenn sein Vater fremdgegangen sein sollte, hat er seine Y in der Weltgeschichte verteilt, seine genetischen Söhne bleiben als solche unerkannt… vielleicht waren sie sogar musikalisch- ich fürchte, wir werden es nie erfahren…

Wagner am 23.03.2023

Es ist ja auch auf der Seite der Max.Planck.Gesellschaft zu lesen. Das interessante daran ist ,so sehe ich das, ist,dass diese neuen Erkenntnisse alte biographische Fakten,die nur vermutet wurden,bestätigen.So zum Beispiel in Beethovens Welt vom Laaber-Verlag oder in der Studie ,bei Herder veröffentlicht von 2020 :Beethoven … eine medizinisch-musikalische Zeitreise.

MDR-Team am 24.03.2023

Hallo @Oestemer,
wir freuen uns immer, wenn der Diskurs sachlich bleibt.
Herzliche Grüße