Adipositas Mounjaro: Neues Medikament gegen Übergewicht
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26. November 2023, 12:58 Uhr
Millionen Menschen leiden unter Übergewicht. Zur Behandlung wird meistens eine Magenverkleinerung empfohlen. Ein deutscher Forscher setzt auf die Regulierung von Körpergewicht mithilfe von Medikamenten.
Weltweit sind rund ein Drittel der Bevölkerung von Übergewicht oder Adipositas betroffen, einer besonders starken Form von Übergewicht. Das führt jährlich zu rund 2,8 Millionen Toten, so der Bundesverband Medizintechnologie. Für viele Forschenden handelt es sich bei Adipositas inzwischen um eine neue Pandemie, die neue Therapiekonzepte und Behandlungsmöglichkeiten braucht.
Neue Abnehmspritze von Eli Lilly: Mounjaro
Der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) zufolge wird Adipositas in erster Linie mit der sogenannten Basistherapie behandelt. Diese besteht aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltensinterventionen. Verlieren die Betroffenen dabei allerdings nicht ausreichend Gewicht, können Medikamente ergänzend eingesetzt werden.
Bisher sind in Deutschland verschiedene Medikamente zugelassen, unter anderem die Abnehmspritzen Wegovy und Ozempic. Die Medikamente enthalten den Wirkstoff Semaglutid, der das Sättigungsgefühl steigert und somit das Abnehmen fördert. Außerdem sind die Medikamente Orlistat und Liraglutid bereits zugelassen, die primär zur Behandlung von Diabetes Typ 2 eingesetzt werden und sich zusätzlich aber auch auf das Gewicht auswirken. Nun kommt mit Mounjaro (Tirzepatid) ein neues Medikament auf den Markt, das eine stärkere Gewichtsabnahme zur Folge haben könnte. Damit wäre auch eine Magenverkleinerung, die ebenfalls als Ausweg gilt, allerdings ein gesundheitliches Risiko darstellt, nicht mehr notwendig.
Eine erfolgreiche Behandlung dank Multirezeptor-Medikamenten
Adipositas ist eine chronische Stoffwechselerkrankung, deren Veranlagung jedoch auch genetisch bedingt ist. Jährlich leiden mehr Menschen unter der Krankheit. Um dem entgegenzuwirken, suchen Forschende wie Matthias Tschöp, CEO und wissenschaftlicher Geschäftsführer vom Helmholtz Zentrum München, nach Medikamenten, die nicht nur bei Diabetes helfen sollen, sondern die Gewichtsabnahme im Fokus haben. “Es muss möglich sein, ein Medikament zu finden, das Körpergewicht reguliert und mit dem man 20 bis 30 Prozent Gewicht verlieren kann, ohne einen Chirurgen anzurufen oder einen Magenbypass zu machen", so der Mediziner auf dem diesjährigen Falling Walls Science Summit in Berlin.
Wenn es um die Kontrolle des Körpergewichts geht, spielen verschiedene Signale im Gehirn eine wichtige Rolle. Tschöp konzentriert sich deshalb auf Magen-Darm-Hormone und deren Auswirkung auf das Gehirn. Er ist davon überzeugt, dass mithilfe von Multirezeptor-Medikamenten mehrere Signale gleichzeitig aktiviert werden können und Adipositas damit aktiv behandelt werden kann.
Ein Bauchspeicheldrüsen-Hormon als Lösung
Tschöp und sein Team beschäftigen sich in ihrer Forschung vor allem mit dem Hormon Glukagon, welches sich in der Bauchspeicheldrüse befindet. Glukagon wird bereits jetzt schon als Medikament zur Behandlung von Unterzuckerung bei Diabetes-Patienten und -Patientinnen angewendet, da es Glukose liefert. Experimenten zufolge kann Glukagon aber auch dabei helfen, Kalorien und Fett zu verbrennen.
In den vergangenen Jahren haben Forschende daraufhin glukagonähnliche Peptide untersucht. Dabei haben sie zwei glukoseabhängige insulinotrope Polypeptide (GIP) zu einer Art "Superhormon" vereint. Dieses Hormon hat bei der Entdeckung der ersten Multirezeptoren-Medikamente geholfen, die wiederum in klinischen Studien bewiesen haben, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes dank ihnen rund 18 Prozent Körpergewicht verlieren können.
Mounjaro bringt mehr als 20 Prozent Gewichtsverlust
Für Tschöp hat die Entdeckung des ersten Superhormons in diesem Bereich jedoch noch nicht gereicht. Deshalb hat er sich weitere Hormone angesehen, die zur Behandlung von Diabetes verwendet werden. Neben GIP ist zum Beispiel auch bei dem Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1) bekannt, dass es das Sättigungsgefühl verringert.
Während diese Hormone deshalb bisher meist blockiert wurden, hat sich Tschöps Team dafür entschieden, sie zu aktivieren. Die Forschenden haben einen dualen Agonisten für GIP und GLP entwickelt, mit dem eine stärkere Gewichtsabnahme erreicht werden kann. Mit dem Medikament Mounjaro vom pharmazeutischen Unternehmen Eli Lilly können in Zukunft nicht nur Typ-2-Diabetes-Patienten und -Patientinnen behandelt werden, sondern auch Personen mit Adipositas. Mit dem Medikament kann das Körpergewicht Tschöp zufolge um bis zu 23 Prozent reduziert werden.
Ein Tri-Agonist als Durchbruch
Mit der Grundlage für Mounjaro ist den Forschenden ein Durchbruch gelungen, auf den jahrzehntelang hingearbeitet wurde, so Matthias Tschöp. "Wir wussten, dass dies das beste Medikament auf dem Markt war, dass es das beste in der Adipositas-Behandlung sein würde." Diese Entdeckung hat die Forschenden motiviert, die Hormone weiter zu kombinieren. Das dabei entstandene Molekül, ein Tri-Agonist, soll stärker wirken als Mounjaro.
Das Medikament soll dabei umso besser funktionieren, je schwerer die Krankheit ist. verabreicht wird es mit einem Stift, ähnlich wie bei einer Insulinspritze. Die Forschenden erwarten, dass am Ende ähnlich wie bei einem Magenbypass das Gewicht um bis zu 30 Prozent gesenkt werden kann. Derzeit wird das Medikament in verschiedenen Versionen weltweit von pharmazeutischen Unternehmen getestet.
Das Ende der Adipositas-Pandemie?
Matthias Tschöp hofft, dass mithilfe von Multirezeptor-Medikamenten Übergewicht aktiv behandelt werden kann und diese zunehmende "Pandemie" aufgehalten wird, wie er auf dem Falling Walls Science Summit betont. Das könnte außerdem dazu führen, dass in Zukunft weniger Menschen an Typ-2-Diabetes erkranken. Trotzdem sollten Medikamente wie Wegovy und Ozempic, und bald auch Mounjaro, kritisch betrachtet werden. So sind bei Wegovy und Ozempic beispielsweise bereits starke Nebenwirkungen wie Suizidgedanken nachgewiesen. Zudem lässt sich Adipositas nicht allein medikamentös behandeln. Ein gesunder Umgang mit Ernährung und Bewegung sollten immer Schwerpunkte in der Therapie sein.
Vor allem in den USA ist in den vergangenen Monaten ein regelrechter Hype um derartige Abnehmspritzen entstanden. Die Spritzen können ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 eingesetzt werden. Wenn Betroffene unter Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Typ-2-Diabetes leiden, dann ist die Verwendung auch schon bei einem BMI von 27 möglich. Die Kosten liegen in Deutschland bisher bei den Betroffenen selbst.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 05. Oktober 2023 | 14:36 Uhr
AlexLeipzig vor 45 Wochen
Medikamente können unterstützend helfen, aber wenn es im Kopf des Patienten nicht "klick" gemacht hat und er keine Verhaltensänderung herbeiführt, wird es keinen nachhaltigen Erfolg geben. Solche Hypes um Medikamente gaukeln vor, daß diese das Problem schon lösen und man selbst nichts mehr tun müsse. Das ist aber falsch, ob bei Adipositas, Hypertonie oder sonstigen "Volkserkrankungen".