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Hoher Wasserverbrauch: Bewässerung eines Feldes nahe dem kalifornischen Bakersfield. Bildrechte: IMAGO / UIG

UmweltbelastungenWelchen ökologischen Fußabdruck die Lebensmittelproduktion auf der Erde hinterlässt

25. Oktober 2022, 12:00 Uhr

Die Ernährung von acht Milliarden Menschen geht mit enormen Umweltbelastungen einher. Den ökologischen Fußabdruck der globalen Lebensmittelproduktion an Land und im Meer stellt eine neue Studie detailliert dar.

Steigende Treibhausgasemissionen, wachsender Süßwasserverbrauch, gestörte Lebensräume und zunehmende Nährstoffverschmutzung: Der ökologische Fußabdruck der globalen Lebensmittelproduktion für acht Milliarden Menschen auf dieser Erde wird immer größer. Mittlerweile werden weltweit 50 Prozent der bewohnbaren Flächen und 70 Prozent des verfügbaren Süßwassers für die Herstellung von Lebensmitteln benötigt. Zudem gehen 23 bis 34 Prozent der menschengemachten Treibhausgasemissionen auf das Konto der Lebensmittelproduktion.

Lebensmittelproduktion und Folgen in Karten

Trotz dieser gewaltigen Auswirkungen fehlte bislang ein detaillierter Überblick über die weltweite Lebensmittelproduktion und die mit ihr einhergehenden Umweltbelastungen. Eine große internationale Studie mit deutscher Beteiligung und unter Führung von Wissenschaftlern der University of California in Santa Barbara hat diese Lücke nun geschlossen. Dem Forscherteam gelang es, 99 Prozent der globalen Lebensmittelproduktion an Land und im Meer detailgenau nach Ort und Intensität ihrer Umweltfolgen auf Karten darzustellen.

Die Ergebnisse sind bemerkenswert. So stellten die Studienautoren unter anderem fest, dass annähernd die Hälfte (43,8 Prozent) des ökologischen Fußabdrucks der weltweiten Lebensmittelproduktion auf das Konto der fünf bevölkerungsreichen Staaten Indien, China, USA, Brasilien und Pakistan geht. Und obwohl nur rund ein Prozent (1,1 Prozent) aller global erzeugten Lebensmittel aus dem Meer stammen, produzieren diese "aquatischen Systeme" fast ein Zehntel (9,9 Prozent) der globalen Umwelt-Fußabdrücke. Welche Belastungen diese ökologischen Fußabdrücke verursachen, ist je nach Lebensmittel und Land sehr unterschiedlich. Auch das ist eine zentrale Erkenntnis der neuen Studie.

Nicht unumstritten: Aquakultur zur Lachszucht in einem Fjord in Norwegen. Bildrechte: imago images/imagebroker

Wichtigste ökologische "Stressoren" global erfasst

Der Industrieökologe Dr. Johannes Többen hat als einziger Deutscher an dem Projekt mitgewirkt. "Ein Highlight insgesamt ist, dass wir die kumulativen Auswirkungen durch die wichtigsten ökologischen Stressoren [Treibhausgase, Süßwasserverbrauch, Störung von Lebensräumen, Nährstoffverschmutzung] ermittelt haben - und zwar in hoher räumlicher Auflösung global betrachtet", erklärt der Wissenschaftler der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) Osnabrück und des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Többen selbst war an der Berechnung der kumulativen Belastungen durch die weltweite Fleischproduktion beteiligt. Anhand internationaler Handelsdaten zu Futtermitteln errechnete er die ökologischen Fußabdrücke an den Produktionsstandorten des Tierfutters. Ein Aspekt, den bisherige Untersuchungen kaum auf dem Schirm hatten. Neu ist nach Angaben des deutschen Industrieökologen auch, dass in der Studie erstmals Land-Ökosysteme in Interaktion mit Marine-Ökosystemen hinsichtlich ihrer Umweltbelastungen betrachtet wurden. Ein klassisches Beispiel dafür ist etwa das berühmte Fischmehl, welches in der Hähnchen-Mast verfüttert wird.

Belastungen durch Schweine, Rinder, Reis und Weizen

Insgesamt stellten die Studienautoren fest, dass Schweine- und Rinderzucht sowie Reis- und Weizenanbau weltweit die höchsten kumulativen Belastungen in der Lebensmitteproduktion verursachen. Bei Reis und Weizen schlägt vor allem der hohe Wasserverbrauch ins Kontor, bei Rindfleisch die Treibhausgase, die die Wiederkäuer in ihrem Verdauungsprozess freisetzen. In fast allen Ländern wird die Umwelt-Gesamtbelastung bei der Nahrungserzeugung durch die Pflanzenproduktion für Mensch und Tier dominiert. Einzige Ausnahme ist Brasilien, das eine relativ hohe kumulative Belastung durch die Rindfleisch-Produktion aufweist, wofür insbesondere die hohen Treibhausgasemissionen der Rinder sorgen.

Eine Frage der "Umwelteffizienz"

Übrigens ist die Umwelt-Belastung durch die Rindfleischproduktion in Brasilien höher als in den USA, obwohl das südamerikanische Land zehn Prozent weniger Rindfleisch produziert. Grund ist eine geringere "Umwelteffizienz" der brasilianischen Rindfleischproduktion. Das heißt, die Umwelt-Belastungen pro Kilo Rind sind in Brasilien höher als in den USA.

Diese "kumulative Belastung pro Einheit der Lebensmittelproduktion" unterscheidet sich übrigens für jede Art von Lebensmitteln weltweit sehr stark, wie die Studienautoren feststellten. So kann die Effizienz für dieselben Nutzpflanzen zwischen den Ländern um das rund vier- bis 18-fache variieren, was auf Unterschiede bei Wasserverbrauch, Düngemittel- und Pestizideinsatz sowie Landwirtschaftstechnik zurückzuführen ist. So ist beispielsweise die Sojaproduktion in den USA 2,4-mal umwelteffizienter als in Indien.

In ähnlicher Weise variiert die Effizienz in der Meeresfischerei zwischen den Ländern um das bis zu 22-fache, je nach den in einem Land gefischten Arten und den verwendeten Fanggeräten. Beispielsweise sind China und Brasilien bei der Befischung von Grundfischen 1,5 bzw. 1,9 Mal weniger effizient als Russland, vor allem weil sie in hohem Maße zerstörerische Fanggeräte wie Grundschleppnetze verwenden.

Weniger belastete Lebensmittel fördern

Aber auch innerhalb der einzelnen Staaten stellte die Studie erhebliche Effizienzunterschiede zwischen einzelnen Lebensmitteln fest. So ist etwa in Marokko die Produktion von Sorghum (der sogenannten Zuckerhirse) fast sechsmal weniger effizient als der Rispenhirse-Anbau, was wahrscheinlich am höheren Flächenverbrauch pro Tonne Sorghum liegt. Diese Effizienzunterschiede, die weltweit im großen Stil zu beobachten sind, bilden nach Ansicht der Autoren die "Grundlage für Bemühungen, den Verbrauch auf weniger belastende Lebensmittel zu lenken", sowie für die "systemweite Umstrukturierung, die für eine nachhaltige Ernährung der Menschheit unerlässlich ist".

Links/Studien

(dn)