Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung

Umwelt im OstenElbe, Saale, Mulde: Der Zustand verschlechtert sich – nicht nur durch Altlasten

22. März 2022, 11:06 Uhr

Dreckige Flüsse mit weiß-grauen Schaumkronen. Das war in der DDR keine Seltenheit – eher normal. In so einem Fluss zu schwimmen: Undenkbar! Heute ist das Bild ein ganz anderes. Grüne Auen, sogar Lachse schwimmen wieder in den Flüssen. In der Elbe wird gebadet. Trotzdem sind viele Gewässer im Elbeeinzugsgebiet immer noch in einem schlechten Zustand. Neunzig Prozent werden die EU-Vorgaben nicht erreichen, zeigen jetzt neue Daten, die dem MDR vorliegen. Tendenz schlechter werdend. Wieso ist das so?

Wir wollen nichts anderes behaupten: Seit der Wende ist tatsächlich viel geschehen. Nur mal zum Vergleich: Ender der 1980er-Jahre musste für das Einzugsgebiet der Elbe eine neue Bewertungskategorie der Wasserqualität einführt werden. Die hieß: "Ökologisch tot." Die Schadstoffbelastung im Wasser ist deutlich zurückgegangen. Der Schein trügt nicht. Nicht nur in der Elbe, sondern auch in Hauptnebenflüssen wie Mulde, Saale, Schwarze Elster und Havel. Außerdem sind Kläranlagen in den Neunzigerjahren deutlich besser geworden, es fand ein industrieller Umbau statt, Produktionsprozesse haben sich verbessert. Schadstoff- und Nährstoffeintrag sind deutlich zurückgegangen. 

Allerdings sind unsere Flüsse noch lange nicht da, wo sie sein sollten. Im Jahr 2000 trat die EU-Wasserrahmenrichtlinie in Kraft und setzte neue Maßstäbe. Alte Vorgaben galten nicht mehr. Das Erreichte war plötzlich zu wenig. Zu Recht, sagt Iris Brunar vom Bund für Umwelt- und Naturschutz: "Die Wasserrahmenrichtlinie ist eine große Chance für unsere Gewässer, um den guten ökologischen und chemischen Zustand zu erreichen und ganz, ganz zentral für den Umgang mit den Gewässern und für die Wasserqualität."

Alles anzeigen

2027 ist Deadline. Bis dahin müssen alle Flüsse, Bäche und Seen quasi EU-kompatibel sein und sauberes Wasser führen. In den Auen soll es blühen, kreuchen und fleuchen, Biber, Fische und Muscheln sich im Wasser tummeln, Libellen in den Auewiesen umherflattern. Auch das Grundwasser soll sauber sein. Bis 2027 ist das allerdings nicht zu schaffen, zeigen die jüngsten Daten. Gregor Ollesch von der Geschäftsstelle der Flussgebietsgemeinschaft Elbe in Magdeburg wertet die Flussdaten für das Elbe-Einzugsgebiet aus und resümiert:

Wir haben ungefähr zehn Prozent der Wasserkörper in einem guten oder sehr guten Zustand. Neunzig Prozent fehlen noch.

Dr. Gregor Ollesch | Flussgebietsgemeinschaft Elbe, Magdeburg

Eigentlich sind es sogar weniger als zehn Prozent, die in einem guten oder sehr guten Zustand sind. Verglichen mit dem Jahr 2015 ist das eine Verschlechterung. Die Ursachen dafür sieht Ollesch unter anderem in den letzten trockenen Sommern. Grundsätzlich gibt es aber noch viele andere Probleme, erklärt der Experte für Oberflächengewässer:

"Auf der einen Seite ist es ein Ressourcenproblem, das muss man ganz klar so sagen. Das ist allein die Zahl 3.000." An so vielen Wasserkörpern müsse etwas geschehen. "Das zeigt, dass das ganz viele Ressourcen benötigt, in Form von Personal, in Form von Planungskapazitäten, natürlich auch Finanzkapazitäten."

Was ist die Flussgebietsgemeinschaft Elbe?Das Elbeeinzugsgebiet gehört zu den größten Flussgebieten Mitteleuropas. Insgesamt haben vier Staaten (Deutschland, Tschechien, Österreich und Polen) daran einen Anteil. In Deutschland werden zehn Bundesländer entweder von der Elbe selbst, oder von Ihren Nebenflüssen durchströmt. Diese haben sich deshalb 2004 zur Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG Elbe) zusammengeschlossen. Schwerpunkte der Zusammenarbeit sind die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und der Europäischen Hochwasserrisikomanagementrichtlinie (HWRM-RL).
Der Vorsitz der FGG Elbe liegt für jeweils drei Jahre bei einem Mitgliedsland, derzeit bei der Freien und Hansestadt Hamburg (2019 - 2021).
Quelle: FGG

Konflikte mit Nutzungsarten

Mit Wasserkörpern meint Gregor Ollesch Flüsse, Seen und das Grundwasser. Um die geht es in der EU-Richtlinie. Wie sich zeigt, hätten Bund und Länder mehr tun müssen, um die ambitionierten EU-Ziele zu erreichen. Das sieht auch Iris Brunar vom BUND so. Konflikte mit bestimmten Nutzungsarten, z.B. der Wasserstraße Elbe oder der Landwirtschaft, wurden nicht angegangen. Flüsse sind Erholungsort und Wasserstraße zugleich. Vor allem die Elbe wird in diesem Spannungsfeld zerrieben. Sie wird eingeengt und vertieft. Das wiederum lässt die Auen austrocknen. Das Ökosystem leidet, Lebensräume verschwinden.

Karte aus der interaktiven Story "Umwelt im Osten": Gewässer mit nach EU-Normen schlechten Noten haben die Farben Rot und Orange. Bildrechte: MDR/Mapbox/OpenStreetMap Contributors

Für Gregor Ollesch ist der Einfluss der Schifffahrt auf den chemischen und ökologischen Zustand aller Gewässer im Einzugsgebiet Elbe aber nicht so entscheidend: "Wir haben ganz viele Wasserkörper, bei denen Schifffahrt nicht stattfindet. Und da haben wir auch die Probleme."

Ein ganz entscheidender Punkt seien Einträge aus der Landwirtschaft. Gifte gegen Pflanzen, Insekten oder Pilze. Die sind nun sogar schon im Grundwasser zu finden. "Das sind nicht viele Wasserkörper, bei denen wir das feststellen. Aber aus meiner Sicht gibt es Anlass zur Sorge." 

Enteignung: Kein Problem bei der Autobahn, aber beim Umweltschutz

Die Gemengelage ist kompliziert: Landwirtschaft, Schifffahrt, Nutzungsansprüche der Auen durch Landwirtschaft. Doch Landwirt*innen geben ihre Felder in den Auen nicht einfach so auf. Das geht oft nur durch Enteignung. Beim Bau einer Autobahn ist das kein Problem. Da sind Enteignungen an der Tagesordnung. Für den Umweltschutz ist das nicht möglich, kritisieren Umweltverbände.

Da mochte man nicht so gern von Board ins kühle Nass springen: Elbfähre in Pirna im Mai 1980. Bildrechte: Wikimedia Commons/VSchagow (CC BY-SA 4.0)

Außerdem gelangen Schadstoffe aus der Luft ins Gewässer. Zum Beispiel Quecksilber aus Verbrennungsprozessen. Und Altlasten aus der DDR-Industrie gibt es auch noch. Die lagern im Flusssediment. Einige werden aus ehemaligen Bergbaugebieten immer noch in den Fluss geleitet. Teilweise im Harz, teilweise im Erzgebirge. Da seien noch immer Schadstoffquellen, so Ollesch, "die ganz schwer zu fassen sind und die auch technisch ganz schwer zu lösen sind."

Schadstoffe gelangen noch Jahrzehnte in Gewässer

Arsen, Zink, Cadmium sickern noch Jahrzehnte aus den Gruben in die Gewässer. Im Endeffekt bezeichnen wir so etwas als Ewigkeitsaufgabe – und das ist es auch. Gregor Ollesch hofft auf Verständnis auf EU Seite. Der Zeitrahmen bis 2027 sei viel zu kurz. Iris Brunar hingegen sagt, das wäre zu schaffen gewesen:

Ich sehe vor allem, dass das Thema Schutz der Ressource Wasser in weiten Teilen der Politik keine Priorität hat.

Iris Brunar, BUND

Die notwendigen Mittel, die wichtige gewesen wären, um diese Aufgabe umzusetzen, seien nicht vorhanden gewesen. Im März 2022 bekommt Brüssel die neuen Daten. Dort wird dann geprüft, ob und wie wir es vielleicht doch noch schaffen können, die EU Vorgaben bis 2027 zu erfüllen.

af/flo

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen