
WISSEN-News Blackbox Tiefsee: Wir kennen nicht einmal 0,001 Prozent
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09. Mai 2025, 14:07 Uhr
Der Mensch richtet seinen Blick gern Richtung Mond und Mars – dabei kennt er den eigenen Planeten Erde teils noch überraschend schlecht. Forscher warnen: Dieses Unwissen könnte zum Problem werden.
Seit Jahrzehnten erforscht die Menschheit die Tiefsee – und kennt trotzdem nur einen minimalen Bruchteil davon. Nicht einmal 0,001 Prozent des gesamten Tiefseebodens seien bislang durch direkte Beobachtungen von Menschen erfasst worden, rechnet ein US-Forschungsteam vor. Das entspricht gerade einmal rund einem Zehntel der Landesfläche von Belgien.
Zuletzt hatte ein kanadischer Konzern angekündigt, einen Antrag auf Bergbau in der Tiefsee bei der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) zu stellen. Dies sehen viele Mitgliedsländer und Umweltorganisationen kritisch und fordern ein Moratorium. Auch Norwegen will in der Tiefsee Rohstoffe abbauen und argumentiert dabei, dass es diese für die Energiewende benötige.
Großes Unwissen, viele Bedrohungen
Die bei der aktuellen Studie federführende Forscherin Katy Croff Bell betont in einer Mitteilung: "Diese begrenzte Erforschung einer so riesigen Region wird zum ernsthaften Problem für Wissenschaft und Gesetzgebung, da die Tiefsee verstärkten Bedrohungen – von Klimawandel bis möglichen Tiefseebergbau und Ausbeutung – ausgesetzt ist." Es brauche ein viel besseres Verständnis von den Ökosystemen der Ozeane und ihren Prozessen, um informierte Entscheidungen über Schutz und Ressourcenmanagement zu treffen.
Bell ist Präsidentin der sogenannten Ocean Discovery League, die sich für eine bessere Erforschung der Ozeane stark macht. Für die aktuelle Schätzung hat das Team Daten der Tiefseetauchgänge der vergangenen Jahrzehnte unter die Lupe genommen, insgesamt wurden rund 44.000 Tauchgänge ausgewertet. Fast 30 Prozent davon wurden vor 1980 durchgeführt, sodass nur Schwarz-Weiß-Bilder mit niedriger Auflösung davon vorliegen.
Forschung von wenigen Staaten dominiert
Das Team stellte neben dem großen Ausmaß des Unbekannten auch regionale Besonderheiten fest: Da die Erforschung der Tiefsee – also Meeresregionen von mindestens 200 Metern Tiefe – mit hohen Kosten einhergeht, ist sie stark von einigen wenigen Ländern dominiert: Die USA, Japan, Neuseeland, Frankreich und Deutschland sind für 97 Prozent der durchgeführten Beobachtungen verantwortlich. Dadurch sind die Gebiete in der Nähe dieser Länder am besten erkundet: Ein Großteil befindet sich in den 200-Meilen-Zonen von Japan, Neuseeland und den USA.
"Diese kleine und verzerrte Stichprobe ist problematisch, wenn es darum geht, die Weltmeere zu charakterisieren, zu verstehen und zu managen", schreiben die Autoren. Insgesamt macht die Tiefsee den Autoren zufolge mehr als 60 Prozent der Erdfläche aus. Sie spielt eine wichtige Rolle für das Gleichgewicht des Planeten, etwa für die Regulierung des Klimas. Die Ozeane sind massiv vom Klimawandel beeinflusst, da sie den Großteil der vom Menschen verursachten Wärme aufnehmen. Für die oberen Schichten ist dies recht gut erforscht, über die Auswirkungen in der Tiefsee weiß man bislang weniger.
Links/Studien
Die Studie "How little we’ve seen: A visual coverage estimate of the deep seafloor" ist im Fachjournal "Science Advances" erschienen.
dpa/cdi
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 17. März 2025 | 11:04 Uhr