Lausitz Überraschendes Erdbeben im Süden von Brandenburg
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25. Oktober 2024, 11:04 Uhr
Zwischen den brandenburgischen Orten Herzberg (Elster) und Kirchhain gab es ein überraschendes Erdbeben. Das ist für den Süden des Bundeslandes ungewöhnlich. Nachbeben sind vorerst nicht zu erwarten. Doch was bedeutet das für Mitteldeutschland und das geplante Großforschungszentrum für Astrophysik?
Am Freitag (18. Oktober 2024) hat in Brandenburg, nicht unweit der Grenze zu Sachsen, die Erde gebebt. Anwohner berichten von wackelnden Wänden. Das Erdbeben habe sich laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) am Freitag um 12:50 Uhr Ortszeit zwischen Herzberg (Elster) und Kirchhain ereignet.
Das ist außergewöhnlich, denn in ganz Süd-Brandenburg gab es laut der Behörde bisher keine Aufzeichnungen über ähnliche Ereignisse. MDR Sachsen hat mit Mike Lindner vom Deutschen Zentrum für Astrophysik (DZA) in Görlitz gesprochen und wollte wissen, ob es in der Region vergleichbare Erdbeben gab.
Das letzte Erdbeben für Herzberg (Elster) wurde in der Stadtchronik für das Jahr 1483 vermerkt. Damals kam es zu einem Stadtbrand, wobei der Kirchturm beschädigt wurde. Dieses Beben ist "wahrscheinlich mit vergleichbarer Stärke aufgetreten", so Lindner und führt fort: "Geophysikalisch gesehen ist dieses Beben potenziell einzigartig."
Solche Erdbeben werden in Deutschland seit ungefähr dem Jahr 1.000 n. Chr. dokumentiert und seit rund 100 Jahren gibt es Seismometer, die die exakte Stärke eines Erdbebens erfassen.
Wie stark war das Erdbeben vom 18. Oktober 2024?
Die Ursache für das aktuelle Beben ist weiterhin unklar. Das wird sich vielleicht auch nicht ändern, da die genaue Struktur des Untergrundes in dieser Region nicht bekannt ist.
Nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften betrug die Stärke des Erdbebens eine Magnitude von 3,1 auf der Richter-Skala. Das Institut der Geowissenschaften der Universität Jena berichtet von einer Stärke von 3,2. "Für die Region selbst ist es definitiv eines der größeren Erdbeben", so Lindner. Jedoch gehört es grundsätzlich zu den sehr leichten Erdbeben, bei denen zwar sichtbares Bewegen von Zimmergegenständen und Erschütterungsgeräusche wahrzunehmen sind, es jedoch meist zu keinen Schäden kommt. Das war auch hier der Fall.
Auf Facebook schilderten Menschen aus der Region ihre Erfahrungen. Eine Frau aus Langennaundorf bei Uebigau-Wahrenbrück berichtete etwa, dass "Teller und Tassen im Schrank klapperten", eine andere Person aus Langennaundorf schrieb, dass das Haus spürbar gewackelt hatte.
Das bisher letzte Erdbeben in Deutschland über einer Magnitude von 4 wurde im Jahr 2022 mit 4,1 auf der Schwäbischen Alb bei Balingen registriert, berichtet der BGR-Physiker Klaus Stammler gegenüber der dpa. Das stärkste Beben der vergangenen Jahrzehnte fand mit einer Magnitude von 5,9 im Jahr 1992 bei Roermond in den Niederlanden nahe der deutschen Grenze statt.
Sind Nachbeben zu erwarten?
Das Epizentrum des Erdbebens von Süd-Brandenburg lag laut Lindner vermutlich in einer Tiefe von zwölf Kilometern – da es aber wenig Daten zur Ausbreitung der Wellen gibt, ist dies nur eine grobe Schätzung. Die exakte Tiefe des Bebens ist unbekannt.
Die Auswirkungen des Erbebens wurden an der Oberfläche in einem Umkreis von etwa 15 Kilometern wahrgenommen – zwischen den beiden Orten Herzberg (Elster) und Kirchhain liegen etwa 20 Kilometer. Von Herzberg (Elster) nach Leipzig sind es etwa 70 Kilometer, nach Halle (Saale) fast 100 Kilometer und nach Dresden ungefähr 90 Kilometer.
Gegenüber dem RBB erklärte der Geophysiker Ulrich Wegler (Universität Jena), dass letztendlich "große Teile der Erdkruste unter Spannung stehen. Deswegen kann es immer mal wieder auftreten, dass auch in Regionen, die weiter weg von Plattengrenzen sind, die Festigkeit des Gesteins überschritten wird und es dann zu Erdbeben kommen kann."
Meistens folgen darauf Nachbeben, die bei großen Beben sogar Monate anhalten können. Bisher wurde keins registriert und selbst wenn es zu Nachbeben kommen sollte, bestehe keine Gefahr. Süd-Brandenburg, Nordsachsen und der Osten Sachsen-Anhalts sind normalerweise nicht von starken Erdbeben betroffen.
Sonderfall Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
Entsprechen besteht auch keine spezielle Vorschrift zum erdbebensicheren Bauen für Hochbauten aus Stahlbeton, Stahl, Holz und Mauerwerk. Dies wird in der Erdbebennorm DIN 4149 geregelt und dient vor allem dem Schutz von Menschenleben, indem der Einsturz von Gebäuden vermieden werden soll.
Das geschieht durch die Festlegung von verschiedenen Erdbebenzonen, die vor allem im Süden Bayerns, Teilen von Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen gelten. Aber auch Teile von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt unterliegen dieser Vorschrift. Leipzig und Chemnitz liegen etwa in Zone 0, Gera in Zone 1 und grenzt östlich an Zone 2 an. Die Anwendung der Norm beschränkt sich auf Zone 1 bis 3.
Laut Wegler gibt es "die sogenannte Leipzig-Regensburg-Störungszone – auf dieser gibt es tatsächlich auch stärkere Erdbeben". Diese Region beginnt nördlich von Leipzig und zieht sich in Nord-Süd-Richtung bis nach Tschechien. Das Erdbeben von Brandenburg liegt jedoch weiter östlich und es konnte kein direkter Zusammenhang zu dieser Region ermittelt werden.
Gefährdet das jetzige Erdbeben den Bau des DZA-Großforschungszentrums in der Lausitz?
Aber was bedeutet das für das Deutsche Zentrum für Astrophysik selbst? Dieses Großforschungszentrum soll in den nächsten Jahren mit zwei Standorten entstehen. Zum einen soll das Zentrum für die neuesten Technologien in Görlitz eng mit der Industrie und bestehenden Technologiezentren in Sachsen und darüber hinaus zusammenarbeiten. Görlitz selbst liegt in keiner Erdbebenzone.
Ähnliches gilt für die Lausitz, eine Region im östlichen Grenzgebiet Sachsens, dem Süden Brandenburgs, Tschechiens und Polens. Dort soll das Untergrundforschungslabor Low Seismic Lab entstehen. Dafür wurde in eine Probebohrung in der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal investiert, welche zwischen Bautzen, Hoyerswerda und Kamenz liegt.
Auch das Einstein-Teleskop, ein Gravitationswellen-Detektor der dritten Generation, könnte in der Lausitz entstehen. Dieses Gebiet gilt als große seismische Ruhezone. Ein Erdbeben sei jedoch nie auszuschließen.
Für das Beben in Süd-Brandenburg "hatten wir vielleicht für 20, 30 Sekunden eine höhere Bodenbewegung. Danach war es weg", so Lindner. "Für anstehende astrophysikalische Messungen würde das eine Beeinträchtigung der Messung von wenigen Sekunden sein – und das werden wir unabhängig davon, wo wir auf der Welt sind, immer haben."
Links/Studien
Die neue Erdbebennorm DIN 4149
RBB-Interview vom 21.10.2024: "In Brandenburg sind keine zerstörerischen Erdbeben zu erwarten"
pk, mit dpa
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 22. Oktober 2024 | 16:30 Uhr