Corona als KatalysatorDer Flugmarkt für Privatjets boomt – der CO₂-Ausstoß leider auch
Während der globale Corona-Lockdown einerseits für wirtschaftliche Verluste sorgte, profitierte besonders der private Luftverkehr davon. Doch warum? Und welche Auswirkungen hatten die Jahre 2019 bis 2023 auf die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen?
Die jährlichen Kohlendioxid-Emissionen (CO₂) aus der privaten Luftfahrt sind zwischen 2019 und 2023 um 46 Prozent gestiegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Forschungsgruppe, die Flugverfolgungsdaten von 18.655.789 Privatflügen auswerteten. Die Daten wurden zwischen 2019 und 2023 von 25.993 registrierten Privatflugzeugen erhoben. Dabei machen Geschäftsreiseflugzeuge die überwiegende Mehrheit der privaten Luftfahrt aus.
Das Forschungsteam konnte erkennen, dass einige Privatjet-Nutzer 2020 fast 500-mal mehr CO₂ produzieren (2.400 Tonnen CO₂) können als der Durchschnittsbürger (mit 4,5 Tonnen CO₂).
Besonders internationale Veranstaltungen wie die COP 28 (UN-Klimakonferenz in Dubai 2023) oder die FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2022 hatten zu erheblichen Emissionsspitzen geführt. Bei der COP 28 wurden 644 Privatflüge registriert, die 4.800 Tonnen an CO₂ verursachten. Bei der Fußballweltmeisterschaft 2022 waren es 1.846 Privatflüge und 14.700 Tonnen CO₂.
Eine beinahe Verdopplung der Emissionen innerhalb von drei Jahren
Die private Luftfahrt ist sehr energieintensiv und stößt pro Passagier deutlich mehr CO₂ aus als kommerzielle Flüge, wird aber nur von etwa 0,003 Prozent der Weltbevölkerung genutzt. Das wahre Ausmaß der globalen privaten Luftfahrt und der von ihr verursachten Emissionen ist derzeit kaum bekannt.
Laut dem Forschungsteam wurden im Jahr 2023 etwa 15,6 Millionen Tonnen CO₂ an direkten Emissionen durch die private Luftfahrt verursacht. Pro Flug entspricht das ungefähr 3,6 Tonnen CO₂-Emissionen – also 1,8 Prozent der Gesamtemissionen der kommerziellen Luftfahrt im Jahr 2023. Von 2019 bis 2023 wurde ein Anstieg der Emissionen von 46 Prozent registriert. Doch warum boomt der private Luftverkehr?
Covid-19 hat den privaten Luftverkehr vorangetrieben
Für den privaten Luftverkehr war Covid eine Herausforderung, erklärte Tahnoon Saif (Geschäftsführer des Mohammed bin Rashid Aerospace Hub) gegenüber MDR WISSEN auf der Dubai Airshow 2023. Der Dubai Airport öffnete gerade einmal sechs Monate nach dem ersten weltweiten Lockdown.
"Menschen, die Reisen wollten, bevorzugten Privatjets, statt mit der Business- oder First-Class zu fliegen. Diese Kunden hatten zwar immer Geld, aber sie bevorzugten die üblichen Luftfahrtgesellschaften. Nachdem sie die Erfahrungen bei einem Flug mit einem Privatjet gesammelt haben, war es schwer für sie, ihren Komfort herunterzustufen. Der Katalysator für die Geschäftsluftfahrt war Covid."
Der Dubai Airport ist derzeit der meistgenutzte Flughafen für Privatjets im Mittleren Osten, mit etwa 15.400 Privatreisenden im Jahr 2022 und ungefähr 17.000 Bewegungen im Jahr 2023.
Diese Zahlen dürften weiter ansteigen, da in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) die Luftfahrtindustrie weiter ausgebaut werden soll. Zu den bisherigen 35.000 Quadratmetern (Stand: November 2023) an Flughafenfläche sollen mit Dubai South noch einmal so viele Quadratmeter für die Industrie bereitgestellt werden.
Wie Firmen vom Lockdown profitierten
Eines der Unternehmen, die von dem weltweiten Lockdown profitiert haben, ist die maltesische Privatfluggesellschaft Vistajet. Dabei waren die ersten Corona-Monate für niemanden in der Reisebranche einfach, erinnert sich Ian Moore, Geschäftsführer für Kundenorientierung und Kundenerfahrung (CCO, Chief Customer Officer).
Globale Unternehmen wie Vistajet haben während Covid ihre "Flugzeuge in andere Regionen verlegt oder diese erschlossen", so Moore. Viel wichtiger war ein anderer Faktor: "Die kommerzielle Luftfahrt – soweit ich mich erinnere – wurde komplett eingestellt. Dies hat die Möglichkeiten für die private Luftfahrt wirklich vorangetrieben."
Riesige Ungleichheit in der Luft
"Die Studie verdeutlicht, wie ungleich die Emissionen des Luftverkehrs pro Kopf verteilt sind", bewertet Energie- und Klimaexpertin Nora Wissner vom Öko-Institut Berlin die Ergebnisse der Untersuchung. "Es sind überwiegend ältere Männer (über 55 Jahre), die im Bank-, Finanz- und Immobilienwesen arbeiten. Zudem zeigt die Studie, dass ein wesentlicher Anteil der Privatjet-Flüge für Freizeit- und Urlaubstrips genutzt wird." Viele Superreiche oder Influencer würden es mittlerweile als ganz normal darstellen, ständig in Privatjets zu fliegen, so Wissner. Es sei zudem sehr fraglich, inwieweit viele dieser Privatjet-Flüge wirklich notwendig seien, da fast die Hälfte des privaten Flugverkehrs laut Studie Distanzen unter 500 Kilometer zurücklegt. Wissner: "Angesichts wachsender Ungleichheit und zunehmender Klimakrise sollten wir den privaten Flugverkehr daher stärker regulieren."
Nicht nur CO₂ ist das Problem
Volker Grewe vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Oberpfaffenhofen macht auf einen weiteren Aspekt der Untersuchung aufmerksam, die Nicht-CO₂-Effekte, die ebenfalls zu Klimaveränderungen beitragen. "Diese umfassen neben Kondensstreifen beispielsweise auch die Wirkung von Stickoxid- und Wasserdampf-Emissionen", so Grewe, der als Professor an der Delft University (Niederlande) den Lehrstuhl für Klima-Effekte der Luftfahrt innehat. Gerade in größeren Höhen sei die Wirkung der Stickoxid- und Wasserdampfemissionen aufgrund der langen Verweildauer erheblich größer als bei niedrigeren Flugniveaus, so Grewe. Der Experte bezweifelt, ob die aktuellen Regulierungen im Luftverkehr geeignet sind, die Ziele des Pariser Abkommens (1,5-Grad-Ziel) zu unterstützen. "Und hier spielt natürlich die Entwicklung des Luftverkehrsaufkommens, die Nutzung von alternativen Treibstoffen und neuen Flugzeugen und Verbrennungstechniken eine Rolle. Dies ist für den gesamten Luftverkehrsbereich (der die Privat- und Geschäftsluftfahrt miteinschließt) eine enorme Herausforderung."
Links/Studien
Die Studie wurde am 7. November 2024 in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlicht: Private aviation is making a growing contribution to climate change.
Die Gespräche mit Tahnoon Saif und Ian Moore erfolgten auf einer Pressereise zur Dubai Airshow 2023 im November 2023.
Die Aussagen der Forscher wurden vom Science-Media-Center zusammengestellt.
pk, gp, smc
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 17. Juli 2024 | 17:10 Uhr