Einfamilienhaus Welche Heizungsart ist aus ökologischer und finanzieller Sicht langfristig am besten?
Hauptinhalt
30. Oktober 2024, 09:37 Uhr
Eine deutsche Forschungsgruppe hat für ein "Standard-Einfamilienhaus" errechnet, welche Art von Heizung über eine Lebensdauer von 20 Jahren die beste Öko-Effizienz hat, eine Kombination aus ökologischen und ökonomischen Faktoren, also Treibhausgasemissionen und finanziellen Kosten. Am besten schneiden Luftwärmepumpen-Heizungen und Holzvergaser-Heizungen ab. Letztere allerdings nur, wenn das Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt.
Wer für seine Familie ein Eigenheim baut oder bauen lässt, steht zwangsläufig vor der Frage, welche Art von Heizung es denn sein soll: die mit dem günstigsten Anschaffungspreis oder die mit den geringsten Kosten im Laufe ihrer Lebensdauer oder die aus ökologischer Sicht beste? Eine Heizung, die all das vereint (sozusagen die "eierlegende Wollmilchsau" unter den Heizungen) gibt es derzeit nicht. Bei den Kosten haben andere Arten die Nase vorn als bei der Klimabilanz. Dennoch kann man sich rechnerisch nähern und damit herausbekommen, welche Heizungsart der "eierlegenden Wollmilchsau" am nächsten kommt.
Eine Forschungsgruppe der TU München (Gabriel Naumann, Elke Schropp und Matthias Gaderer) hat das nun getan, zumindest für ein "Standardhaus" und Standardbedingungen. Bei allen Parametern hat die Gruppe die aktuell bekannten Standard- oder Durchschnittsdaten zugrunde gelegt. So ist das Haus ein zweistöckiges Einfamilienhaus mit insgesamt 190 Quadratmetern Wohnfläche. Darin leben vier Personen. Draußen herrschen klimatische Verhältnisse wie in München. Das Heizsystem im Keller muss Fußbodenheizung und Wasser erwärmen. Der Warmwasserbedarf der Familie ist absolut durchschnittlich. Der Strommix entwickelt sich so wie prognostiziert. Die Inflation ist so wie in den vergangenen Jahren. Und so weiter, und so fort, Daten über Daten, Parameter über Parameter.
13 verschiedene Heizungssysteme untersucht
All das, um annähernd sagen zu können, welche Art von Heizung vermutlich die sinnvollste ist, wenn man Kosten und Klimaverträglichkeit gemeinsam betrachtet. In der Studie heißt es dazu: "Zunächst werden dynamische Gebäude- und Systemsimulationen durchgeführt, um den Brennstoff- und Strombedarf der einzelnen Systeme zu ermitteln. Es folgt eine wirtschaftliche Bewertung durch eine dynamische Investitionsrechnung. Als Nächstes werden die Umweltauswirkungen mit der Methode der Ökobilanzierung (LCA) bewertet. Abschließend wird eine Ökoeffizienz-Analyse durchgeführt, um die Heizungssysteme im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen zu vergleichen." In diesem Artikel werden wir auf all das eingehen.
Untersucht wurden zum einen Heizsysteme, die entweder mit Gas, Holzscheiten oder Pellets betrieben werden. Bei allen drei Arten wurde außerdem unterschieden, ob eine zusätzliche Solarthermie-Anlage vorhanden ist. Ebenfalls im Vergleich dabei sind drei verschiedene Wärmepumpensysteme (Luft-, Wasser-, Erdwärme). Bei diesen wurde wiederum unterschieden, ob eine eigene Photovoltaik-Anlage (zehn Quadratmeter Fläche, hauptsächlich Einspeisung ins öffentliche Netz, nicht auf Eigennutzung optimiert) mit angeschlossen ist oder nicht. Und zusätzlich wurde noch ein Erdwärmepumpenheizsystem mit Solarkollektoren und zusätzlichem Eisspeicher untersucht, so dass es in der Studie insgesamt um 13 verschiedene Heizungsarten geht.
Kostengünstigste Heizungssysteme: Gas mit vorn dabei, aber nicht Spitze
Bei den Kosten, die sich in den Berechnungen aus Anschaffungs-, Betriebs- und Brennstoffkosten zusammensetzen, landete die Gasheizung (erwartungsgemäß) im Vorderfeld, allerdings ist sie nicht einsame Spitze. Denn den im Dreizehner-Feld mit Abstand geringsten Anschaffungs- und Betriebskosten stehen bei der Gasheizung die höchsten Brennstoffkosten gegenüber. Und so kommen bei den Studienautoren die beiden Luftwärmepumpen-Varianten (mit und ohne Photovoltaik) über 20 Jahre hinweg sogar auf niedrigere Kosten.
Am teuersten sind hingegen Pelletheizungen und Wärmepumpenheizungen mit Eisspeicher. Höhere Anschaffungs- und Betriebskosten sind dafür ausschlaggebend.
Allerdings sind diese Durchschnittswerte natürlich nicht in Stein gemeißelt. Die Studie hat für jede Heizungsart auch immer ein sogenanntes Best-Case-Szenario und ein Worst-Case-Szenario berechnet, um eine Spanne zu erhalten. Und da zeigt sich bei den Kosten, dass es zwischen den Heizungsarten viele Überschneidungen gibt. Zum Beispiel kann eine Holzvergaserheizung im Einzelfall über 20 Jahre hinweg auch mal kostengünstiger sein als eine Gasheizung, meistens ist sie es aber nicht. Was man gemäß Studienergebnissen aber zum Beispiel klar sagen kann: Pelletheizsysteme und Wärmepumpenheizungen mit Eisspeicher sind – über 20 Jahre Lebensdauer gesehen – immer teurer als Gasheizungen und Luftwärmepumpen-Systeme.
Klimafreundlichste Heizungssysteme: Bei Pellet- und Holzheizungen hängt alles davon ab, woher das verbrannte Holz kommt
Um den Einfluss der verschiedenen Heizungsarten auf Umwelt und Klima in Zahlen ausdrückbar und damit vergleichbar zu machen, nutzten die Studienmacher die standardisierte Lebenszyklusanalyse (LCA-Methode). Darin fließen sämtliche Umweltwirkungen während der Produktion, der Nutzungsphase und der Entsorgung sowie die damit verbundenen vor- und nachgeschalteten Prozesse ein.
Biomasse-Heizungen (Pellet und Holz) sind, je nachdem, woher das Holz stammt, mit dem sie beheizt werden, laut Studie entweder die mit Abstand klimafreundlichsten oder die mit Abstand klimaschädlichsten Heizungssysteme. Das liegt am sogenannten biogenen Kohlendioxid, das bei der Holzverbrennung freigesetzt wird. Wenn dieses biogene CO2 in die Berechnungen einfließt, haben Pellet- und Holzheizungen die höchsten Treibhausgasemissionen. Umgekehrt führt der Ausschluss biogener Emissionen aus der Berechnung zur besten Klimabilanz innerhalb aller Systeme. Die Autoren gehen in ihren Berechnungen aber davon aus, "dass die Biomassebrennstoffe aus nachhaltiger Forstwirtschaft in Deutschland stammen", wie sie in der Studie schreiben. Also lassen sie biogenes CO2 aus der Rechnung und gelangen bei Pellet- und Holzvergasern zu den geringsten schädlichen Klimaauswirkungen.
Natürlich wurde auch bei diesen Werten eine Spanne zwischen Best-Case- und Worst-Case-Szenario berechnet. Bei den Treibhausgasen gibt es da aber nur Überschneidungen innerhalb der verschiedenen Wärmepumpen-Systeme. Ganz klar ist, das Gasheizungen die stärksten Treibhausgasemissionen haben – und Biomasse-Verbrenner die schwächsten, wenn man davon ausgeht, dass das verbrannte Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt.
Umrechnung der Umweltauswirkungen in ein Punktesystem
Die Münchner Forschungsgruppe hat anschließend nicht nur die Treibhausgasemissionen, sondern sämtliche Umweltauswirkungen in 16 verschiedenen Kategorien für die verschiedenen Heizungsarten betrachtet und mit verschiedenen Wichtungsfaktoren ein Punktesystem daraus entwickelt. Dieses gibt also die aggregierten Umweltauswirkungen wieder, wobei niedrigere Werte für geringere Umweltauswirkungen stehen.
Diese Werte sollte man allerdings nicht als "die eine alleinige Wahrheit" ansehen. Denn je nachdem, wie man die verschiedenen Einflussfaktoren gewichtet, können am Ende durchaus andere Punktzahlen herauskommen. Auch die Studienautoren selbst schreiben, dass ein Gewichtungsschema immer Werturteile beinhaltet, "die zu Verzerrungen oder unbegründeten Schlussfolgerungen führen können. Um dieses Risiko zu mindern, werden in dieser Studie allgemein anerkannte Normalisierungs- und Gewichtungsfaktoren verwendet, die von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission veröffentlicht wurden." Außerdem stellen die Autoren mit der Studie auch ihre Ergebnisse aus allen Wirkungskategorien als ergänzendes Material zur Verfügung.
Gut zu sehen an der Punkteübersicht in der vorherigen Grafik ist auf jeden Fall, dass bei vielen Heizungsarten die meisten "schlechten" Umweltpunkte während der Betriebsphase zusammenkommen. Und das liegt hauptsächlich an der Art des benutzten Stroms. "Bei Wärmepumpensystemen macht die Elektrizitätsversorgung mehr als 90 Prozent der Umweltbelastung während der Nutzungsphase aus", heißt es in der Studie. "Folglich kann die Umweltbelastung dieser Systeme durch eine Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energiequellen an der Stromversorgung erheblich verringert werden."
Kostengünstig + umweltfreundlich = ökoeffizient
Nun weiß man also, welche Heizungsarten unter den Studienvoraussetzungen die kostengünstigsten und welche die klima- beziehungsweise umweltfreundlichsten sind. Die Münchner Forschungsgruppe um Gabriel Naumann hat aber noch beides in einen gemeinsamen Wert zusammengeführt, sie nennen den Wert Ökoeffizienz, wobei "Öko" hier für Ökonomie und Ökologie steht.
Ein bisschen komplizierter zu lesen, aber recht aussagekräftig ist die daraus resultierende Grafik mit gleicher Wichtung von Kosten und Umweltauswirkungen. Die Studienautoren wollten wissen, wie die anderen Heizungsarten im Vergleich mit der "normalen" Gasheizung abschneiden. Dazu haben sie die durchschnittlichen Werte der Gasheizung als Referenz genommen und für die anderen Heizungsarten die durchschnittliche Abweichung berechnet.
In der Grafik liegt die Gasheizung also genau in der Mitte am Nullpunkt. Je weiter links eine Heizungsart eingezeichnet ist, desto geringere Umweltschäden produziert sie durchschnittlich. Und je weiter unten sie eingezeichnet ist, desto geringer sind die finanziellen Kosten – beides wieder über eine Lebensdauer 20 Jahren. Wenn Sie den Mauszeiger über einen Punkt bewegen (oder bei mobilen Geräten mit dem Finger darauf tippen), wird Ihnen angezeigt, um welche Heizungsart es sich handelt.
Man kann also sagen: Die sieben Heizungsarten, die im hellblauen Bereich links unterhalb der schrägen Linie liegen, haben in Summe eine bessere Öko-Effizienz als die Gasheizung. Die beiden Luftwärmepumpensysteme (mit und ohne Photovoltaik-Anlage) sind im Durchschnitt sogar sowohl etwas kostengünstiger als auch umweltfreundlicher. Und bei der Holzvergaserheizung, die auch besonders weit im hellblauen Bereich liegt, sind die Kosten zwar um etwa 20 Prozent höher, dafür ist sie (ohne biogenes CO2) um 42 Prozent weniger umweltschädlich.
Bei gleicher Gewichtung von Kosten und Umwelteffekten ergeben sich also rechnerisch folgende Werte, die indirekt auch den Abstand von der schrägen Linie in der vorherigen Grafik ausdrücken.
Diese kleine Zusatzberechnung ist allerdings nicht Teil der Studie, sondern wurde von uns durchgeführt, um die vorherige Grafik weiter zu veranschaulichen.
Mit Hilfe der Studienergebnisse könnten Politiker und andere Entscheidungsträger nun bestimmen, welche Heizsysteme in Zukunft gefördert werden sollten, schreiben die Münchner Autoren. Dies gelte insbesondere für Heizsysteme, die im Vergleich zu herkömmlichen Gasheizungen zwar geringere Umweltauswirkungen haben, aber mit höheren Kosten verbunden sind. "Um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, sollten Systeme, die aus ökologischer Sicht vorteilhaft sind, finanziell gefördert werden. Dies könnte zum Beispiel die Ökoeffizienz von Wärmepumpensystemen deutlich verbessern."
Eine weitere mögliche Maßnahme wäre laut der Forschungsgruppe "die Einführung einer Kohlenstoffsteuer für Heizsysteme mit hohen Treibhausgasemissionen, wodurch der mögliche Kostenvorteil dieser Systeme verringert und andere Heizsysteme wettbewerbsfähiger gemacht würden. In Deutschland wurde eine solche Kohlenstoffsteuer bereits auf die in dieser Studie betrachteten Gasheizungssysteme angewandt. Die Ergebnisse zeigen jedoch, dass diese auf fossilen Brennstoffen basierenden Systeme immer noch mit die niedrigsten Kosten verursachen", so die Autoren.
Einschränkungen der Studie
Bei der Interpretation der Ergebnisse sei es wichtig, die Empfindlichkeit gegenüber den zugrundeliegenden Annahmen zu erkennen, schreiben die Autoren. "Obwohl die Sensitivitätsanalyse, einschließlich der Best- und Worst-Case-Szenarien, diese Empfindlichkeit aufzeigt, überschneiden sich die Ergebnisse vieler Systeme, so dass es schwierig ist, endgültige Schlussfolgerungen über die allgemeinen Vorteile der verschiedenen Heizsysteme zu ziehen."
Darüber hinaus konzentriert sich die Studie auf ein einzelnes, neu gebautes Einfamilienhaus im Raum München. Der Bedarf an Raumwärme hängt aber natürlich erheblich vom Klima ab. Die Studie kann deshalb schlecht in andere klimatische Zonen "übersetzt" werden. Und zusätzlich, so die Münchner Forscher, "sollten bei Analysen anderer Regionen auch unterschiedliche Strommixe berücksichtigt werden, da die Studie zeigt, dass der Strommix die Umweltauswirkungen von Wärmepumpensystemen erheblich beeinflusst."
Links / Studien
Die Studie "Environmental, economic, and eco-efficiency assessment of residential heating systems for low-rise buildings" ist in der Fachzeitschrift "Journal of Building Engineering" erschienen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 25. Oktober 2024 | 17:04 Uhr
pepe79 vor 4 Wochen
@Wieselwalli
Es geht darum das die Regierung seit Jahren behauptet mit einer Wärmepumpe kommt man am Ende billiger, vollkommen pauschalisiert. In der Studie sieht man sehr gut das es oftmals eben nicht so ist und das die Ersparniss eher gering ist.
Ich hab auch kein Problem, würde mir bei Neubau selber Wärmepumpe mit PV einbauen aber in einem Altbau würd ich mir die Komplettsanierung tunlichst verkneifen.
Ein_Nutzer_aus-_Thueringen vor 4 Wochen
Die Münchner Forschungsgruppe hat ja entgegen der bayrischen Vorlieben für Holz sehr interessante Betriebskosten für eine Pelletsheizung ausgerechnet. 1000 Euro pro Jahr? Das hieße die jährliche Inspektion kostet das dreifache wie normal. Klar dass Gas dann vornliegt trotz doppelter Brennstoffkosten. Das funktioniert aber auch nur solange der Energiebedarf niedrig ist. Wir haben ein 9oer Jahre Zweifamilienhaus mit Energieklasse D und sparen jährlich 1500 Euro durch die Pelletheizung im Vergleich zum vorherigen Energieträger Öl. das nur als Praxisbeispiel im Vergleich zum theoretischen Schmarrn hier..
MDR-Team vor 4 Wochen
Richtig, in dieser Studie wird die ökologische, wirtschaftliche und ökoeffiziente Leistung von 13 Heizsystemen für ein typisches deutsches zweistöckiges Wohnhaus bewertet. Heizungssysteme wie Fernwärme, Brennstoffzelle oder Elektroheizung waren kein Inhalt der Studie.