Insekten-Vielfalt Welchen Nutzen haben Insektenhotels?
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22. September 2024, 05:00 Uhr
Insektenhotels sehen hübsch aus, es gibt sie in zig Varianten und sie vermitteln das schöne Gefühl, man tut was für die Artenvielfalt und gegen das Insektensterben. Aber ist das wirklich so?
Woran denken Sie beim Stichwort "Insektenhotel"? Vor allem, wenn Sie eins vor sich sehen, mit verschiedenen Materialien und Abteilen, dicken Röhrchen, dünnen Röhrchen, verschieden groß gebohrten Löchern, Abteilungen mit Stroh oder Kiefernzapfen? So als ob rechts oben Bienen summen, links daneben Hummeln, unten flitzen Ohrenkneifer ein und aus und nebenan Florfliegen? Das ist natürlich Unsinn, aber eben das, was das sprachliche Bild vom "Hotel" und den "Gästen" suggeriert: verschiedene Räume, verschiedene Gäste, verschiedene Bedürfnisse und eine Vielfalt von Arten.
Wie sinnvoll sind Insektenhotels?
Dr. Hannah Honchar, Biologin am Umweltforschungszentrum in Leipzig beschäftigt sich mit Bienenhotels, also Nisthilfen für Solitärbienen. Sie sagt bezogen auf Insektenhotels: "Insektenhotels wurden zunächst entwickelt, um den Bestand an Bestäubern und die Bestäubungsleistung in landwirtschaftlich genutzten Landschaften zu erhöhen. Inzwischen sind sie eine weit verbreitete Maßnahme zur Erhaltung oder Wiederherstellung von Bestäubern, insbesondere von Solitärbienen, in verschiedenen Umgebungen, einschließlich städtischer Lebensräume."
Aber wie wirken Insektenhotels denn nun bezogen auf die Artenvielfalt? Hanna Honchar: "In gewisser Weise beeinflussen sie tatsächlich die Insektenvielfalt, da sie in der Regel eine bestimmte Gruppe von Arten anziehen, z.B. solche Insekten, die in Höhlen nisten oder Schutz suchen." Das wiederum wirke sich indirekt dann auch auf die Blühpflanzen im Garten aus, erläutert die Wissenschaftlerin: "Insekten, die hier unterschlüpfen, sorgen je nach Art für eine höhere Bestäubungsrate im Garten." Ein konkretes Beispiel? Für einige höhlenbrütende Bienen wie die Gehörnte Mauerbiene, Osmia cornuta, oder die rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) können Nisthilfen tatsächlich dazu beitragen, die Anzahl dieser Art zu erhöhen.
Was spricht für Insektenhotels?
Aus Sicht der UFZ-Biologin sind Insektenhotels, selbst wenn sie gut geplant und gebaut sind, am Ende nur ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein im Kampf gegen das Insektensterben. Aber sie sind in jedem Fall eine zusätzliche Nistmöglichkeit. Der Haken an der Sache laut Honchar: "Oft ziehen Insektenhotels weit verbreitete Arten an, die ohnehin vielseitig seien und möglicherweise keine zusätzlichen Nester benötigen, weil sie ausreichend vorhanden sind." Die Biologin sagt aber auch: "Da, wo natürliche Lebensräume ge- oder zerstört zerstört sind, können Hotels als Wiederherstellungsmaßnahme für einzelne höhlenbrütende Arten dienen. Wichtig ist dabei: Insekten brauchen nicht nur Nistplätze, sondern auch Nahrungsquellen." Es reiche also nicht aus, Hotels zu bauen und einzurichten, sondern es müsse auch ein Lebensraum mit ausreichender Nahrung geschaffen werden, z.B. mit blühenden Pflanzen, und Nektar- und Pollenangebot für Bienen.
Und als letzten positiven Punkt für Insektenhotels führt die Wissenschaftlerin den pädagogischen Aspekt an, nämlich, dass Menschen durch die Beschäftigung mit Nisthilfen für die Bedürfnisse und den Nutzen von Insekten sensibilisiert werden.
Was spricht gegen Insektenhotels?
Sowohl falsche Gestaltung als auch Nichtbeachtung bei den Regeln für die Pflege des Hotels können alle Bemühungen zunichtemachen, hilfsbedürftige Arten anzuziehen, umreißt die Biologin die Problematik und führt weiter aus: "Zum Beispiel zu große Hotels oder solche, die viele Jahre hintereinander genutzt werden, können verschiedene Parasitoide und Schädlinge anlocken, die Nisthöhlen zerstören oder ernsthaft schädigen." Große Bienenhotels haben eine relativ große Anzahl von Bienenvölkern, was sie für Schädlinge leichter auffindbar macht. Wer Wildbienen unterstützen will, sollte schauen, welche Arten in der eigenen Region vorkommen, und ein entsprechendes Pflanzenangebot im Garten wachsen lassen.
Große "Hotelburgen" sind für Bienen gefährlich
Aber warum spielt die Größe der Nisthilfe eine Rolle, wenn es um mögliche Schad-Szenarien geht? Dazu muss man sich vor Augen halten, dass Wildbienen in der Natur nicht dicht an dicht beieinander leben. Bietet der Mensch nun große Bienenhotels an, erhöht das die Gefahr, dass Schädlinge auf die Population aufmerksam werden. Das kann dann dazu führen, dass sich das Bienenaufkommen verringert, beschreibt Hannah Honchar die Problematik. Am UFZ in Leipzig beobachtet man daher die Verbreitung von Bienenhotels mit Besorgnis. Hier fragt man sich: Sind Bienenhotels eine Quelle von Bienen-Pathogenen? Verbreiten Bienenhotels Krankheitserreger in städtischen Umgebungen? Im Rahmen eines Forschungsprojekts wird die Verbreitung von Krankheitserregern in Bienenhotels deshalb inzwischen auch untersucht. Und die Leipziger sind nicht die einzigen, die sich wissenschaftlich mit Bienenhotels auseinandersetzen: In Großbritannien endet im September ein Monitoring der Universität Sussex, bei dem Besitzer von Wildbienen-Nisthilfen aufgerufen sind, ihre "Hotels" registrieren zu lassen und monatlich ein Foto vom Zustand des Hotels an die Forschungsgruppe zu schicken.
Worauf sollte man bei Insektenhotels achten – Standort, Material, Ausrichtung
Wann nutzen also Nist- und Überwinterungshilfen für Insekten? Wichtige Fragen hierbei: Ist die Nisthilfe noch intakt? Oder verrottet, splittert, bricht das Material der Nisthilfe bereits? Stimmt der Standort, die Ausrichtung? Gibt es in der Umgebung das richtige Futterangebot für die Hotelgäste? Der Nabu warnt indessen ausdrücklich vor Nisthilfen mit Glasröhrchen, bei denen man die Insekten im inneren sieht. Hier kann ein krankmachendes Mikroklima entstehen und am Ende sorgt man so dafür, dass Insekten sterben.
Wie man ein guter Insekten-Gastgeber wird: Ein kleiner Fragenkatalog
Wem der Gedanke des (Insekten-)Hotel-Besitzers gefällt, der kann immer am eigenen Gastgeber-Konzept feilen: Wieviel Natur kann man im Garten zulassen, wieviel vermeintliche "Un-Ordnung" durch Totholz-, Laub- oder Brennessel-Ecken hält man selbst aus? Was bietet der Garten derzeit für eine "Speisekarte", was bietet die Bepflanzung den Insekten an Nahrung und Unterschlupfmöglichkeiten? Je nach Region kann man sich auf den Seiten des regionalen Nabu schlau machen, schließlich begünstigt das Klima an der Ostsee anderen Pflanzenwuchs und anderes Insekten-Vorkommen als im Elbsandsteingebirge, im Rheintal oder in der Magdeburger Börde. Wer so pflanzt, dass es zum Klima der eigenen Wohnregion passt, bei dem stellt sich die sechsbeinige, geflügelte oder ungeflügelte Kundschaft von selbst ein.
Fazit: Was bringen Insektenhotels?
Egal, wie man Insektenhotels dreht und wendet: Dass Menschen Insektenhotels kaufen oder bauen, zeigt vor allem, dass es ein Bewusstsein für die Natur gibt, das Wissen darum, dass Insekten Lebensraum brauchen und dass Menschen der Natur unter die Arme greifen wollen und sich schlussendlich für Zusammenhänge in der Natur interessieren. Selbst wenn ein Insektenhotel leer steht, fragen sich die Gastgeber, warum keine Gäste kommen und könnten sich auf die Suche nach den Gründen machen.
Links/Studien
NABU über Insektenhotels
Universität Sussex: Das große Bienen-Hotel-Experiment
lfw
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 28. August 2024 | 15:20 Uhr
part vor 3 Wochen
Der größte Schwachsinn sind die hektargroßen Stillegungsflächen der Kolchosen, die von der EU subventioniert werden, obwohl in der Umgebung keine einzige Möglichkeit vorhanden ist, wo ich Insekten ansiedeln können. Die letzten Kopfweiden als Refugium wurden durch die LPG in der DDR entfernt. Seit dem hat sich nichts wieder getan und die neuen Geschäftsführer von Genossenschaften profitieren von den vielen Modellen noch mehr als damals. Doch stattdessen breiten sich Unkräuter aus, die noch mehr Glyphosat beanspruchen in der Landwirtschaft. Ein Teufelskreislauf ohne Kontrolle durch Land, Bund oder EU, aber mittels Sattelit im Überflug alle 5 Tage, damit alle so bleibt...