Geschlechter Alle gegen einen: Wie Bonobo Weibchen die Männchen in Schach halten
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05. Mai 2025, 10:33 Uhr
Bei den Bonobos, unseren nächsten Verwandten unter den Menschenaffen, haben die Weibchen das Sagen – obwohl die Männchen eigentlich stärker sind. Eine neue Studie zeigt jetzt, wie Weibchen ihre Dominanz organisieren.
Für den beobachtenden Affenforscher bricht die Gewalt meist wie aus heiterem Himmel aus: Eben noch waren die Bonobos aufgewacht und in ihren Futterbaum geklettert, plötzlich geht ein lautes Geschrei los und eine Gruppe von Weibchen macht Jagd auf ein Männchen. "Das passiert, wenn sich die Männchen ungeschickt verhalten. Wenn sie vielleicht die anderen beim Fressen stören, sich aggressiv verhalten, vielleicht sogar gegen die Kinder, dann gehen auf einmal drei bis vier Weibchen auf das Männchen los, versuchen es zu schlagen, zu beißen und wenn das Männchen dann flieht, dann verfolgen sie es noch über drei oder vier Bäume hinweg", beschreibt Martin Surbeck eine typische Szene.
Dass die Bonobo-Weibchen solche Koalitionen bilden, um körperlich stärkere Männchen zu unterwerfen, ist schon länger bekannt. Surbeck ist Verhaltensbiologe an der berühmten Harvard University in den USA und hat mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell Daten aus verschiedenen Studien zusammengefasst und noch einmal neu ausgewertet. Dadurch kommen die Forscher zu dem Schluss: Gemeinsame Sache gegen die Männchen zu machen ist der wichtigste Grund, warum die Weibchen bei den Bonobos das Sagen haben.
Bonobos: Ist der verborgene Eisprung die Quelle weiblicher Dominanz?
Bonobos sind sowohl für die Primatenforschung als auch die Anthropologie interessante Tiere, denn neben den Schimpansen sind sie die nächsten Verwandten des Menschen unter den Affen. Und sie sind die einzigen Menschenaffen, bei denen Weibchen in der Rangordnung der Gruppe in der Regel höher stehen. Bislang gingen Forscher davon aus, dass dafür vor allem die Fähigkeit der Weibchen entscheidend ist, die eigene Fruchtbarkeit, die Phase des Eisprungs, vor den Männchen geheim zu halten.
Die Männchen wissen nie genau, wann die entscheidende Zeit für die Fortpflanzung kommt. Deshalb war es wohl evolutionär keine sinnvolle Strategie, andere Männchen mit Gewalt von Weibchen fernzuhalten, um sich selbst den für die Fortpflanzung entscheidenden Sex zu sichern. Stattdessen haben die Tiere sehr oft Sex bevor es zu einer Befruchtung kommt.
Frauenpower: Die Fähigkeit, gemeinsame Sache zu machen, ist entscheidend
Doch für die Rangordnung in der Gruppe ist diese Eigenschaft wohl weniger wichtig, argumentieren Surbeck und Kollegen jetzt in dem neuen Paper. Denn die Fähigkeit zur Bildung von Koalitionen hängt wohl stark von den Individuen ab und unterscheidet sich zwischen verschiedenen Bonobo-Gruppen, beziehungsweise verändert sich auch innerhalb einer Gruppe im Verlauf mehrerer Jahre. "Das macht es so interessant, denn es gibt Gruppen, in denen die Weibchen kaum solche Koalitionen bilden. Das sind dann auch Gruppen, in denen Weibchen oft nicht so einen hohen Status innehaben", sagt Surbeck.
Grundsätzlich ist es aber so, dass die Weibchen bei den Bonobos häufiger enge Beziehungen miteinander pflegen, auch zwischen nicht verwandten Tieren. In der Regel sind sie es, die ihre Geburtsfamilien verlassen und sich einer neuen Gruppe anschließen. "Das macht es umso erstaunlicher, dass sie so enge Koalitionen bilden können."
Matriarchat bei den Bonobos: Die Mütter haben das Sagen
Der umgekehrte Fall wurde hingegen nur sporadisch beobachtet. Bonobo-Männchen machen in der Regel nicht gemeinsame Sache gegen die Weibchen. "Die Männchen hängen sehr stark an ihren Müttern, die sind ihnen oft die nächsten Tiere innerhalb der Gruppe", sagt Surbeck. Das Matriarchat – bei den Bonobos ist es gelebter Alltag.
Dieses Thema im Programm: MDR TWEENS | Wow Facts | 28. April 2025 | 17:46 Uhr