Energiewende Strom erzeugen und Regen abhalten: Die vielen Vorteile von Solarcarports
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09. Mai 2025, 12:12 Uhr
Parkplätze mit Solarzellen zu überdachen, hat lauter Vorteile: Bereits versiegelte Fläche dient klimaneutraler Stromerzeugung. Und abgestellte Fahrzeuge stehen schattig und trocken. Warum gibt es nicht mehr Solarcarpots?
Martin Heinrich ist in einer bemerkenswerten seltenen Lage: Er sieht einfach keinen Verbesserungsbedarf. Weder müssten Regeln vereinfacht werden, noch bedürfe es weiterer Fördermittel, um Heinrichs zentrales Thema voranzutreiben. Der Forscher vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) beschäftigt sich seit rund zehn Jahren mit potenziellen Flächen für Photovoltaik jenseits von Gebäudedächern. Und er glaubt: Dächer aus PV-Modulen über Parkplätzen und anderen Verkehrsflächen werden kommen, einfach, weil es sich lohnt.
Solarenergie ist auf dem Weg, die Energieversorgung der Welt zu revolutionieren. Anfangs hat das erste Erneuerbare-Energien-Gesetz der rot-grünen Bundesregierung aus dem Jahr 2000 dabei geholfen, die Massenfertigung hochzufahren. Dann haben chinesische Hersteller die Kosten für Module konsequent optimiert. "Seit zehn, fünfzehn Jahren sind sie nun so günstig, dass wir überlegen konnten: Wo könnte man sie denn noch hinbauen, jenseits irgendwelcher Dachflächen?"
Solar-Parkplatz: Die Tragwerkskonstruktion ist teurer
"Integrierte Photovoltaik" heißt das Fachgebiet von Martin Heinrich. Neben den erwähnten Dächern für Parkplätze geht es hier auch um Fassaden, Lärmschutzwände oder Solarzellen auf Fahrzeugen selbst. Als Erste hätten viele Industriebetriebe das Thema für sich entdeckt. Denn die Dächer ihrer Leichtbauhallen können das Gewicht einer zusätzlichen Solaranlage oft nicht tragen. "Also haben sie geschaut, wir haben ja noch viele Parkplatzflächen, dann können wir die ja nutzen." Dabei ging es nicht darum, etwas Gutes für die Umwelt zu tun, sondern günstigen Strom zu erzeugen.
Noch sieht man nicht allzu viele Parkplätze mit Solardächern in Deutschland. "Es könnte deutlich mehr sein", findet auch Heinrich. Problematisch sind vor allem etwas höhere Kosten, denn ein Solardach über einem Parkplatz ist etwa 50 Prozent teurer als eine klassische Dachanlage. Grund ist die Unterkonstruktion. Während man die Module auf Dächern einfach anbringen kann, müssen über Parkplätzen eigene Träger errichtet werden.
PV-Dächer für Parkplätze kommen auch ohne Pflicht
Trotzdem kommen PV-Überdachungen. In zahlreichen Bundesländern gibt es inzwischen sogar die Pflicht, Parkplätze mit solchen Dächern auszustatten, meist ab einer bestimmten Größe oder wenn sich die Flächen in öffentlichem Eigentum befinden – immer vorausgesetzt, dass die Parkplätze nicht zu schattig sind oder nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten an das Stromnetz angeschlossen werden können. Während die meisten alten Länder (bis auf Bayern, Bremen und das Saarland) entsprechende Regeln eingeführt haben, hat sich in den neuen Bundesländern nur Brandenburg für eine solche Verordnung entschieden.
In Sachsen hat die aktuelle Regierungskoalition zwar festgelegt, potenzielle Flächen wie Parkplätze künftig für Photovoltaik zu nutzen. Ob aber auch eine Pflicht in der Landesbauordnung verankert wird, könne erst bei einer Überarbeitung geprüft werden, so eine schriftliche Auskunft auf MDR-Anfrage. Auch Thüringen sieht die Nutzung von Parkplätzen positiv, erwartet aber, dass die neue Bundesregierung hier tätig wird. Sachsen-Anhalt wiederum setzt ausdrücklich auf Freiwilligkeit, will aber in seiner Bauleitplanung einen Grundsatz verankern, durch den vorhandene Potenziale für Solaranlagen geprüft werden müssen.
Vielleicht aber braucht es gar keine Verpflichtung, denn Solarparkplätze werden auch jetzt schon ohne entsprechende Vorgabe gebaut.
Solarcarport: Pilotprojekt an der Leipziger Messe
In Rackwitz bei Leipzig etwa hat das Automobil-Logistikunternehmen Mosolf das Gute mit dem Nützlichen verknüpft. Die ließ Firma neun Hektar Parkplatz mit 35.000 PV-Modulen überdachen. Darunter parken nun auf Auslieferung wartende Neuwagen, geschützt vor Wind und Wetter. Und scheint die Sonne, können die Module in der Spitze bis zu 16 Megawatt Strom erzeugen. Das würde rechnerisch ausreichen, um etwa 36.000 Haushalte zu versorgen.
Man möchte ja jedes Mal laden, wenn man an eine Ladesäule fährt, nicht nur wenn die Sonne scheint.
An der nahe gelegenen Leipziger Messe plant die Stadt aktuell ein ähnliches Projekt, nur etwas kleiner. Auf dem Park-and-Ride-Platz sollen 352 der insgesamt 1.000 Parkplätze mit PV-Modulen überdacht werden. Die Anlage wird in der Spitze bis zu einem Megawatt Strom erzeugen können, der direkt vor Ort für das Laden von Elektroautos nutzbar sein soll. Freistaat und Kommune haben gemeinsam 2,5 Millionen Euro investiert. Die Kosten sollen im Lauf von 20 Jahren wieder eingespielt sein. Am Ende sollen die sogenannten Solarcarports sogar einen Gewinn für die kommunalen Finanzen abwerfen. "Es ist der erste Park-and-Ride-Platz in Leipzig, der solche Solarcarports bekommt, aber er soll natürlich Vorbildcharakter für weitere haben", sagt Simone Ariane Pflaum, die bei der Stadt das Referat Nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz leitet.
Auf den ersten Blick erscheint zwar logisch, solche Solarparkplätze auch mit Ladesäulen für E-Mobilität zu kombinieren und den erzeugten Sonnenstrom direkt vor Ort für das Laden zu verwenden. Doch der Ansatz hat nach Ansicht von Martin Heinrich auch ein paar Haken. "Man möchte ja jedes Mal laden, wenn man an eine Ladesäule fährt, nicht nur, wenn die Sonne scheint."
Hinzu kommt, dass die Leistung eines Solardachs meist nicht ausreicht, um Schnellladen zu ermöglichen. Autos müssten also länger abgestellt werden. Das passt aber nicht zum Szenario Supermarktparkplatz, auf dem Kunden oft nur wenige Minuten an der Säule stehen. An solchen Orten wäre eine Kombination mit leistungsfähigen Stromspeichern möglich, was aber die Kosten für die Investition steigen würde.
Bei Firmenparkplätzen sieht die Sache anders aus, denn im Verlauf eines sonnigen Arbeitstags lässt sich eine Menge Solarstrom in die Autos der Mitarbeitenden laden. Und regnet es, kommen die Angestellten oder Supermarktkunden trockenen Fußes vom Auto ins Innere.
Solardächer über allen Verkehrswegen: Potenziell 300 Gigawatt
Heinrich und Kollegen haben vor einigen Jahren ausgerechnet, dass Solaranlagen über allen deutschen Parkplätzen insgesamt rund 60 Gigawatt Strom erzeugen könnten. Zum Vergleich: Derzeit sind in Deutschland Anlagen im Betrieb, die in der Spitze bis zu 70 Gigawatt erzeugen können. Allein die Parkplätze zu überdachen, würde den PV-Stromanteil also nahezu verdoppeln.
Und das Potenzial ist eigentlich noch viel größer. Denn auch Straßen, Radwege, Schienen und so weiter lassen sich mit Solarmodulen überspannen, wenn die Konstruktionen ausreichend unfallsicher sind. Rund fünf Prozent der Flächen in Deutschland sind Verkehrswege. Alle mit PV-Modulen zu überdachen, könnte die gesamte Solarstromleistung auf über 300 Gigawatt steigern, haben Martin Heinrich und Kollegen errechnet.
Links/Studien
- Wirth et.al.(2021): Potenziale der Integrierten Photovoltaik in Deutschland, 36. PV-Symposium / BIPV-Forum
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 09. Mai 2025 | 16:10 Uhr
MDR-Team vor 2 Tagen
@DanielSBK
Bei der Mehrzahl der Brücken in Deutschland funktioniert das auch, auch wenn es zuletzt einige Negativbeispiele gab. Und genauso funktionieren auch die meisten Solaranlagen fehlerlos, wenn sie eben fachgerecht geplant und regelmäßig kontrolliert werden.
LG, das MDR-WISSEN-Team
MDR-Team vor 3 Tagen
Hallo DanielSBK,
die Sorge vor Bränden unter Solardächern auf Parkplätzen ist verständlich – Sicherheit muss bei solchen Projekten immer oberste Priorität haben. Moderne Photovoltaikanlagen werden jedoch nach strengen Sicherheitsstandards gebaut. Brände durch Solaranlagen sind sehr selten und meist auf Installationsfehler oder mangelhafte Wartung zurückzuführen. Mit fachgerechter Planung, regelmäßiger Kontrolle und passenden Brandschutzkonzepten lassen sich solche Risiken minimieren. Solardächer auf Parkplätzen können somit sicher betrieben und gleichzeitig sinnvoll für die Energiewende genutzt werden.
Freundliche Grüße vom MDR WISSEN-Team
UZet vor 3 Tagen
Natürlich ist mit dem Begriff „unkontrolliert“ zu verstehen, dass es nicht nur die Solaranlagen sind, die ohne ohne netzstabilisierende Wechselrichter einen negativen Einfluss auf die Momentanreserven in den Energiesystemen haben, sondern dass es auch andere“unkontrollierte“ Einflüsse auf die Netzbedingungen gibt, wie zum Beispiel Änderungen der Wirk- und Blindstromeinflüsse bei den Kraftwerken und im Verbraucherbereich. Das Fraunhofer-Institut hat dazu kürzlich eine sehr gute Analyse in den Energy Charts Talks erstellt, die im Internet abrufbar ist.