Invasive ArtenSommerflieder: Zierpflanze oder Problemstrauch?
Die einen sagen: Ein hübscher Gartenstrauch, ständig blüht er, und so anspruchslos, ohne ständig zu gießen, zupfen, düngen. Schwupps ist er meterhoch, verziert den Garten mit bunten Farbtupfern und lockt sogar Schmetterlinge an! Die anderen sagen: Ob man ihn Sommerflieder, Schmetterlingsflieder oder Schmetterlingsstrauch nennt, er ist eine ökologische Katastrophe, egal ob in Gärten oder in freier Wildbahn. Der muss weg, bitte im Restmüll entsorgen und keinesfalls im Bioabfall. Ja, wie denn nun?
Kein Gartencenter in Deutschland ohne den beliebten Gartenstrauch. Nicht so in der Schweiz. Hier ist seit 1. September 2024 der Verkauf des beliebten Sommerflieders gesetzlich verboten (auch Kirschlorbeer oder Blauglockenbaum stehen auf der Liste der Verbots-Verordnung, die Sie hier als pdf lesen können).
Es ist der Schlusspunkt unter einer langen Debatte, die zeitweise darauf zielte, Buddleja Davidii aus Gärten zu entfernen, Gärten zu kontrollieren und die bei Schmetterlingen beliebten Büsche langfristig durch andere Pflanzen zu ersetzen. Wer in der Schweiz nun schon Sommerflieder im Garten stehen hat, kann ihn dort lassen, darf ihn aber nicht weitergeben. (Was ohnehin nicht nötig ist, denn der Sommerflieder ist in Sachen Verbreitung fast unschlagbar.)
Verkaufsverbot für Sommerflieder: Bringt das was?
"In Deutschland ist das nicht in der Diskussion," sagt Ingolf Kühn vom Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig auf Anfrage von MDR WISSEN. Ist ein Verkaufsverbot an sich überhaupt sinnvoll bei einer Pflanze, die sich so effektiv selbst vermehrt?
Kühn, der sich beim UFZ und als Professor für Makroökologie an der Uni Halle mit Pflanzeninvasionen und ihrer Bedeutung für die Artenvielfalt befasst, sagt: "Fachlich wäre es sinnvoll. Je häufiger sie im Verkauf sind, umso schneller breiten sie sich aus, das funktioniert exponentiell. Von daher bringt ein Verkaufsverbot tatsächlich was." Dann kommen wenigstens über den Verkauf weniger Pflanzen in Umlauf. "Schwieriger ist es vielmehr mit der gesellschaftlichen Akzeptanz, biologisch noch so sinnvolle Dinge durchzubringen." In Deutschland setzt man auf die freiwillige Selbstverpflichtung des Handels, erklärt der Wissenschaftler: "Allerdings verdient der Handel damit gutes Geld."
Sommerflieder: Warum ist er so erfolgreich?
Geruch, Genügsamkeit, Geduld, gutes Aussehen, schnelles Wachstum: So lässt sich zusammenfassen, warum der Zierstrauch auch außerhalb Asiens schnell gedeiht. Anfang des 19. Jahrhunderts als Zierstrauch nach Europa gebracht, wird die Pflanze schließlich in Privatgärten als Gestaltungselement entdeckt. Wind, Erde, Tiere, Menschen und Maschinen verteilen seither die Samen des Sommerflieders, die laut Naturschutzbund bis 40 Jahre im Boden keimfähig bleiben. Dabei spielt das Geruchs-Angebot offenbar die entscheidende Rolle: Insgesamt 31 chemische Stoffe sorgen dafür, dass der Busch besucht wird, am Tag wie in der Nacht.
Für Tagpfauenaugen ist wissenschaftlich belegt, dass besonders zwei Geruchsstoffe die Falter auf den Flieder locken, 4-Oxoisophoron und Oxoisophoronepoxid. Diese chemischen Verbindungen zählen zu den Terpenoiden. Die kommen zum Beispiel in Eukalyptus, Pfefferminz, Thymian und anderen Pflanzen vor. Beim Sommerflieder ist der Ausstoß dieser beiden Komponenten demnach höher als bei anderen Pflanzen, die diese Stoffe auch verbreiten. Die Attraktivität des Flieders durch seine Geruchsstoffe war den Forschern zufolge dreimal so hoch wie dessen optische Reize.
Schmetterlingsflieder macht Falter betrunken?
So viel chemische Stoffe im Sommerflieder – sorgt irgendwas davon dafür, dass die Schmetterlinge betrunken werden und sich nach Besuch des Sommerflieders auffällig verhalten? Ein Mythos, den auch Ingolf Kühn kennt. Der Biologe sagt ganz klar: "Das ist eine Aussage von einem biologischen Laien, die durch nichts belegt ist. Es gibt dafür keine Hinweise aufgrund der chemischen Inhaltsstoffe oder des Verhaltens von Schmetterlingen."
Sommerflieder: Fraß-Spuren in Europa und China
Während sich die Menschen in Internet-Gartenforen beim Thema Sommerflieder gnadenlos beharken, ob Zierstrauch oder Katastrophe, sind sich die Insekten mit Ausnahme der Schmetterlinge in Europa offenbar einig: Man mag ihn kaum, jedenfalls nicht als Futter. 2008 hatte ein Team des Leipziger Umweltforschungszentrums das untersucht und kam zu dem Ergebnis: "An den Pflanzen in der chinesischen Heimat waren 15 Prozent der Blätter von Insekten zerfressen. In Deutschland dagegen nur 0,5 Prozent", berichtete Susan Ebeling vom UFZ damals. Aber sind wirklich nur Schmetterlinge an dem Strauch?
Auch nachts lockt der Sommerflieder Insekten an
Eine Studie aus den USA zeigt, dass die Sträucher auch nachts von Insekten besucht werden. Zwölf verschiedene Eulenfalter, sechs Zünsler-Arten, zwei Spanner-Arten aus der Familie der Großfalter und eine aus der Wickler-Familie wurden nachts eingefangen. Am Tag fanden sich neben Schmetterlingen auch Schwebfliegen, Zweiflügler, Spinnen, Eintagsfliegen und Ohrenkneifer. Ob das nun mehr oder weniger sind als an anderen Büschen, die Schmetterlinge besuchen, sagt die Studie nicht.
Sommerflieder: Welche Schäden richtet er an?
Wo er wächst, fehlt Platz für andere Pflanzen, die Raupen und andere Insekten als Nahrung oder Lebensraum brauchen. Was wiederum das Nahrungsangebot für Vögel schmälern kann. Auch wirtschaftliche Schäden entstehen durch den Sommerflieder, zum Beispiel an Gebäuden, in deren Gemäuer er eindringt, entlang von Bahngleisen, auf Straßen, wenn der Flieder durch den Asphalt bricht.
Welchen Nutzen hat der Schmetterlingsflieder?
Hat der Schmetterlingsflieder irgendeinen Nutzen? "Für die Schmetterlinge, ja", sagt Wissenschaftler Kühn, "und auch als Sauerstofferzeuger". Aber das ist nichts, was nicht auch einheimische Arten können. Falls also jemand dem Sommerflieder im Garten ersetzen will, was eignet sich da? Kühn zählt auf: "Der einheimische Schneeball, Schleedorn, Weißdorn, Haselnuss."
Wohin mit den Sommerflieder-Resten?
Und wohin mit dem ausgemusterten Sommerflieder, wenn man wirklich Ernst macht im Garten? Auf den Kompost, in die Mülltonne, auf den Scheiterhaufen, die Feuerschale? "Zweige, Äste, Wurzeln können in die Biotonne. Auch die jungen Wurzeltriebe gehen im klassischen Heißkomposter bei 40 bis 60 Grad zugrunde." Auch die Samen? Auch die Samen schafft der Heißkomposter, bestätigt Ingolf Kühn. Und für die ganz akribischen, die auf Nummer sicher gehen wollen, dass sich keine Samen im Boden festsetzen: Sollte man den Boden sieben, wo der Flieder stand? "Ich glaube nicht, dass jemand seinen Gartenboden durchsieben möchte. Aber wenn man die Blüten vor der Samenreife, also nach der Blüte, einfach abschneidet und normal kompostiert, ist das einfacher und effektiver."
Wie lange bleibt eine Pflanze ein Neophyt?
Der Sommerflieder ist seit gut 200 Jahren auch außerhalb Asiens weltweit in Gärten, Parks, Brachen, Städten, Dörfern vorhanden. Wie lange gilt eine Art eigentlich als Neophyt und invasive Art? Wissenschaftler Ingolf Kühn: "Bei den evolutionären und geologischen Zeiträumen sind 200 Jahre ein Wimpernschlag. Für evolutionäre Zeitraume denkt man in mehreren 1.000 Jahren."
Die aktuelle Definition von Neophyten lautet: Pflanzen, die direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst vom Menschen nach 1492, dem Jahr der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus, in Gebiete eingeführt wurden, in denen sie natürlicherweise nicht vorkamen.
Links/Studien
Salzburger Studie: The mystery of the butterfly bush Buddleja davidii: How are the butterflies attracted?
Odorants of the Flowers of Butterfly Bush, Buddleja Davidii, as Possible Attractants of Pest Species of Moths Hier lesen Sie die Studie
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Umschau | 07. Mai 2024 | 20:50 Uhr
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