Natur Warum Vogelfutter schaden kann und wie man natürlich füttert

08. November 2024, 11:05 Uhr

Vögel füttern ist gut fürs menschliche Gemüt und manche Vögel haben dadurch einen gut gedeckten Tisch im Winter. Eine dänische Studie wirft einen Schatten auf Vogelfutter, das tatsächlich dem Erdreich schaden kann.

Liane Watzel
Bildrechte: Tobias Thiergen

Augen auf beim Vögel füttern! Zu diesem Schluss kommt man, wenn man sich eine Studie aus Dänemark anschaut, die die Wirkung von Vogelfutter und des darin enthaltene Phospors untersucht hat. Die Forschungsarbeit zeigt, dass der zusätzliche Phosphor aus dem Futter über die Ausscheidungen der Wildtiere über die Futterstelle hinaus verbreitet wird und so das Ökosystem beeinflussen kann.

Waschbär klaut Futter aus einem Vogelhaus
Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Zum anderen wird belegt, dass an den Futterstellen selbst der Phosphor-Eintrag ähnlich hoch ist wie dort, wo der Mensch damit düngt. Bei zu viel Phosphor im Boden kann er in Gewässer eingespült werden und sorgt dort schlimmstenfalls zur Eutrophierung, also der Zunahme von Nährstoffen in ursprünglich nährstoffarmen Gewässern. Das kann zu Fischsterben, Algenblüte, Verschwinden der Biodiversität führen.

Körner, Samen Nüsse: ein gigantischer Markt

Vogelfutter-Anbieter setzen auf verschiedene Zusammensetzungen von Nüssen, Kernen, Samen und Körnern: Das reicht von Sonnenblumenkernen über Hirse zu Haselnüssen, Erdnüssen, bis zu den Samen des Nigerkrauts (Ramtillkraut oder Gingellikraut) und Weizenfuttermischungen, die in verschiedensten Ländern produziert werden. Verschiedene Zusammensetzungen sollen unterschiedliche Vogelarten anlocken. Aber egal, welche Mischung schlussendlich im Vogelhäuschen landet: Für den Anbau wird Phosphor als Düngemittel genutzt, der aus Gesteinsvorkommen in Marokko, den USA, China, Jordanien und Südafrika stammt und in die jeweiligen Anbaugebiete geschafft werden muss.

Zwei Stieglitze am Futterspender
Aus Futterspendern sortieren Vögel gern aus: Das Leckere ins Kröpfchen, den Rest aus dem Töpfchen... Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Wer beim Einkaufen die eine oder andere Tüte mit Vogelfutter mitnimmt, ahnt nicht, wie groß der Vogelfutter-Markt ist. Beispiel Großbritannien: Allein 2022 wurden im Vereinigten Königreich 345 Millionen Pfund für Vogelfutter ausgegeben. Das entspricht etwa 150.000 Tonnen Saatgutmischungen. Davon könnten sich theoretisch 196 Millionen Meisen, Rotkehlchen und Finken ernähren – und damit weit mehr Exemplare als tatsächlich vorhanden. Damit lieget UK deutlich vor Deutschland, wo laut Zoofachhandel im Jahr 2023 161 Millionen Euro für Wildvogelfutter ausgegeben wurden.

Die Studie der Aarhus-Universität in Dänemark weist entsprechend darauf hin, dass auch Nagetiere, Hasen und Huftiere viel von dem Futter fressen, das Menschen Vögeln zur Verfügung stellen. Kameras an 259 Futterstationen für Wildvögel in Südengland zeigten einer Studie von 2015 zufolge, dass tatsächlich 67 Prozent des Getreides nicht von Vögeln, sondern zum Beispiel von Säugetieren gefressen wurden, die dann ebenfalls die Nährstoffe aus dem Vogelfutter außerhalb der Futterstellen verteilen.

Vögel füttern – gut für die Natur?

Ist diese gut gemeinte Vogel-Futterfreude denn tatsächlich im Sinne der Natur? Studienautor Andrew J. Abrahams aus Dänemark sieht das Vögelfüttern anhand seiner Analyse skeptisch. Für ihn könnte man angesichts der versteckten Kosten wie Abbau und Transport von Phosphor und Nebenwirkungen, wie den zusätzlichen Eintrag von Phosphor in die Natur, unser Vogelfütter-Verhalten überdenken.

Ähnlich sieht es auch Ornithologe Ernst-Paul Dörfler. "Die Meise lebt nicht allein vom Meisenknödel, den wir in den Baum hängen", sagt er. Ihm zufolge hilft am meisten ein intakter Lebensraum, wo Vögel sich verstecken und brüten können. Und wer nun aber Vögel gern füttert? Muss nicht zwingend Futter im Supermarkt kaufen. Man kann auch von einem Spaziergang Zweige mit Beeren oder Früchten mitbringen, wie Liguster, Eberesche, Vogelbeeren und dann kann man sogar auf dem Balkon Vögel ganz natürlich füttern. Und lernt vielleicht noch das eine oder andere über einheimische Pflanzen und welche Vögel was fressen.

lfw

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 30. September 2024 | 17:00 Uhr

24 Kommentare

MDR-Team vor 3 Wochen

@Logo1
Nur weil Sie eine andere Erfahrung gemacht als in der Studie festgestellt wurde, ist diese noch lange nicht "Quatsch". Denn dafür wurden ja mehr Fütterungen untersucht als nur von einer Person.
LG, das MDR-WISSEN-Team

MDR-Team vor 3 Wochen

@nasowasaberauch
Es geht dabei nicht um die "Weltrettung", sondern darum, das Erdreich mit Vogelfutter nicht zu sehr zu schädigen. Und dazu hat die im Artikel erwähnte Studie neue Erkenntnisse geliefert. Von einem "Vogelfütterschein" sind wir auch noch weit entfernt.
LG, das MDR-WISSEN-Team

nasowasaberauch vor 3 Wochen

Wo der Heizungsführerschein schon aktuell ist, da ist der Vogelfütterschein nicht weit. Dieses Land mit seiner Kümmel aus dem Käsekultur muss dringend auf die Ledercouch beim Psycho. In unserem Garten mit vielen Versteckmöglichkeiten fühlen sich die Vögel trotz Meisenknödel wohl. Da bleibt nix über. Das fängt mit der Anfütterung Ende Oktober an und endet mit den letzten kalten Nächten im Frühjahr. Für die Weltrettung eignen sich bestimmt andere Ansätze besser.

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