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Die Schwarzmundgrundel ist ein aus dem Schwarzen Meer stammender Fisch, der sich in Europa invasiv ausbreitet. Bildrechte: imago images / blickwinkel

NeobiotaEroberungen in der Natur: Dresdner Forscher untersuchen invasive Fischarten

30. Mai 2023, 16:17 Uhr

Welche Eigenschaften müssen Fischarten mitbringen, um außerhalb ihrer angestammten Gebiete neue Lebensräume zu besiedeln? Darauf haben Forscher aus Dresden durch Datenanalyse eine Antwort gefunden.

Was haben der japanische Staudenknöterich, das amerikanische Grauhörnchen und die Schwarzmund-Grundel gemeinsam? Die Pflanze, das Säugetier und der Fisch sind sogenannte invasive Arten. Das sind Spezies, die sich sehr stark in Gebieten ausbreiten, in denen sie nicht heimisch waren, bevor Menschen begannen, jeden Winkel der Welt mit ihren Transportrouten zu verbinden. Doch warum genau haben sich diese Arten verbreitet? Können sie jedes Ökosystem erobern oder brauchen sie bestimmte Ausgangsbedingungen?

Diese Fragen hat sich ein Team von Wissenschaftlern am Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) gestellt. Eine Datenanalyse zu Süßwasserfischen in den USA gab entscheidende Hinweise, über die der Fischökologe Guohuan Su und Kollegen im Fachmagazin "nature communications" berichten.

Unter welchen Bedingungen können sich invasive Arten ausbreiten?

Zwei bisher gängige, sich aber gegenseitig ausschließende Erklärungen, lauten: Invasive Spezies siedeln sich in Ökosystemen an, in denen es besonders viele verschiedene Arten gibt, weil diese Ökosysteme offenbar allgemein gute Lebensbedingungen bieten. Die Gegenerklärung wiederum lautet, invasive Arten siedeln sich in ökologischen Nischen mit besonders wenigen Arten an, da er hier ausreichend Platz gibt.

Um der Antwort näher zu kommen, führten die Wissenschaftler Daten zusammen, die andere Teams zuvor über insgesamt rund 1800 Lebensgemeinschaften von Fischen in den USA gesammelt hatten. Die Analyse ergab, dass beide Thesen teilweise richtig und teilweise falsch sind. Demnach sind einerseits Eigenschaften der invasiven Art wichtig, andererseits müssen bestimmte Nischen in einem Biotop noch unbesetzt sein.

Größe, Lebensdauer und Fruchtbarkeit entscheiden über den Erfolg

Laut der Datenauswertung haben fast alle invasiven Fischarten gemeinsam, dass sie bei Größe, Fruchtbarkeit und/oder Lebensdauer überlegen sind. Neu einwandernde Spezies haben dann Erfolg, wenn sie im Vergleich mit den Platzhaltern etwas größer sind, länger leben und sich stärker vermehren. "Das sind Parameter, die biologisch gesehen für eine invasive Art sehr sinnvoll sind", sagt Erstautor Guohuan Su.

Davon abgesehen hängt ihr Erfolg aber auch davon ab, dass es keine Konkurrenz mit zu großer Ähnlichkeit gibt. "Sind die Unterschiede nur gering, müssen die invasiven Arten mit den dort lebenden Arten konkurrieren. Das ist anstrengend und verspricht nicht zwingend eine erfolgreiche Besiedlung", sagt Su. "Es ist also die Kombination dieser Merkmale, die eine erfolgreiche Einnischung einer invasiven Art ermöglichen."

Beispiele solcher Prozesse sind die Schwarzmundgrundel, die aus dem Schwarzen Meer stammt, sich jetzt aber in den Gewässern Nordeuropas vermehrt. Auch der aus dem Osten der USA stammenden Schwarzbarsch fühlt sich jetzt zunehmend wohl im Westen Nordamerikas und in anderen Weltgegenden. Beide Spezies können sich in jeweils ihrer Nische relativ ungehindert ausbreiten

NeobiotaEgal ob Pflanze, Tier oder Mikroorganismus: Nicht jede neu einwandernde Spezies ist automatisch invasiv. Es gibt auch solche Neuankömmlinge, die sich in einer relativ eng umgrenzten Nische festsetzen und das übrige System kaum stören. In diesem Fall sprechen die Biologen bei Pflanzen von Neophyten und bei Tieren von Neozooten. Der gemeinsame Überbegriff über alle neuen Zuwanderer lautet Neobiota.

Studie ermöglicht, besonders gefährdete Lebensräume zu erkennen

Invasive Arten verdrängen oft mehr als eine Spezies, da sie das Zusammenspiel in einem Ökosystem auf vielfältige Weise stören können. Sie sind Fresskonkurrenten und besetzen Nist- beziehungsweise Brutplätze. Mitunter verdrängen sie Arten, auf die andere Spezies in einem Ökosystem dringend angewiesen sind. Dadurch tragen sie insgesamt zur Abnahme von Biodiversität bei und zur Verkleinerung des Genpools.

Die Erkenntnisse aus der neuen Studie lassen sich dazu nutzen, bessere Vorhersagen darüber treffen zu können, wo die Gefahr einer schädigenden Neuansiedlung droht. "Wir verstehen jetzt besser, was eine Artengemeinschaft potenziell empfänglich macht für neue Arten. Man kann nun Flüsse und Seen analysieren und abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass dort neue Fischarten heimisch werden", sagt Justin Calabrese, der am Helmholtz-Zentrum Dresden Rossendorf an der Schnittstelle zwischen Ökologie und Data-Science forscht. So könnten Neuansiedlungen künftig frühzeitig verhindert werden. Habe eine Art dagegen einmal Fuß gefasst, sei es später nahezu unmöglich, sie wieder auf dem Lebensraum zu vertreiben.

Links/Studien

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 27. November 2022 | 08:30 Uhr

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