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SpulwürmerGartenbesitzer aufgepasst! Waschbär-Kot kann krank machen

07. November 2024, 17:08 Uhr

Mülltonen-Deckel, die nachts klappern, Brotstücke und andere Essensreste, die rund um die Tonne verteilt sind: Invasive Waschbären haben keine Manieren, sondern Hunger. Und den stillen sie in Städten gern in Mülltonnen, bevor sie später einen (oft stattlichen) Haufen im Garten hinterlassen. Diese Haufen bergen potentielle Gesundheits-Risiken, nicht nur für Tiere im Garten, sondern auch für Menschen.

Forscher des Senckenberg-Institutes warnen vor gesundheitlichen Gefahren durch Waschbär-Kot für Nutz- und Haustiere, sowie für Menschen: Waschbärkot kann Eier des Waschbärspulwurms Baylisascaris procyonis enthalten. Ein Parasit, der sich im Waschbär zum ausgewachsenen Spulwurm entwickelt und dessen Weibchen pro Tag zwischen 115.000 und 179.000 Eier legen. Gelangen diese Eier in andere Wirtstiere als den Waschbären, können sie dort schwere Schäden verursachen.

Temperatur-Extreme töten Spulwurm-Eier ab. Theoretisch.

Eine aktuelle Studie des Senckenberg-Instituts für Biodiversität in Frankfurt belegt: Die Parasiten profitieren von der Klima-Erwärmung. Studien-Erstautor Robin Stutz beschreibt das Problem: Erst Temperatur-Extreme unter minus 15 Grad Celsius oder über 60 Grad Celsius für längere Zeiträume zerstören die Eier. Solche extremen Bedingungen sind jedoch in Europa selten. Zusätzlich schützten die Latrinenhaufen, in denen die Eier abgelegt werden, vor extremen Temperaturen, was die Überlebensfähigkeit der Eier zusätzlich erhöht. Senckenberg-Forscher Dr. Sven Klimpel fordert daher: "Als sehr spezifischer Endoparasit ist die regionale Verbreitung von Baylisascaris procyonis stark vom Ausbreitungsverhalten der Waschbären abhängig. Eine intensive Überwachung sowie gezielte Managementstrategien zu der invasiven Art sind daher unerlässlich, um die Verbreitung des Parasiten und die damit verbundenen Risiken einzuschätzen und präventiv vorgehen zu können." Klimpel verweist auf die Geschichte der Waschbären in Europa – ihm zufolge gehören die Populationen in Deutschland heute neben denen in den nordamerikanischen Ursprungsgebieten zu den größten der Welt. Daher fordert er: "Wir sollten zeitnah Maßnahmen ergreifen, um die Verbreitung des Waschbären und seine zoonotischen Parasiten aufzuzeigen, zu überwachen und zu kontrollieren."

Wie verbreiten sich Waschbärspulwürmer?

Das Forschungsteam hat herausgefunden, dass steigende Temperaturen bis zu einem gewissen Hitzegrad die Entwicklungsrate des Waschbärspulwurms beschleunigen. Bildrechte: Senckenberg

Waschbären scheiden die Spulwurmeier über den Kot aus. Diese harren dann in der Natur des nächsten Wirtes, in dem sie sich zum Spulwurm entwickeln können. Wirte können nicht nur Waschbären sein, sondern verschiedene Tiere und auch Menschen. Allerdings verhalten sich die Larven in anderen Wirten anders als beim Waschbär: Sie gelangen über die Darmwand in Blutgefäße und befallen und schädigen dann Organe und Körpergewebe. In einem Waschbären dagegen können bis zu 200 ausgewachsene Spulwurm-Exemplare leben, ohne dass es den Waschbären beeinträchtigt.

Waschbär-Kot: Warum ist er gefährlich?

Aber was bitte hat der Mensch mit Spulwurm-Eiern in Waschbär-Haufen zu tun? Wir wühlen doch nicht im Waschbärkot? Was für Menschen nicht appetitlich klingt, ist für kleine Nagetiere und Vögel eine Art Buffet: Waschbär-Kot enthält vielerlei Verwertbares, wie zum Beispiel Sämereien, Kerne und Körner. Aber eben auch Spulwurm-Eier. Menschen sind eher im Kleinkind-Alter gefährdet, wenn sie beim Spielen im Freien dies und jenes untersuchen und dann ihre Finger in den Mund stecken und so die Eier in den Körper gelangen.

Woran erkennt man Waschbärkot?

Waschbär-losung. Sie enthält Nahrung für andere Tiere Bildrechte: IMAGO / Martin Wagner

Die Waschbär-Losung, wie der Jäger sagt, ähnelt dem Hundekot, ist größer als die des Marders und enthält – im Gegensatz zum Hundekot – teilweise auch Beeren, Körner, Kerne, Sämereien und andere Nahrungsreste.

So kann es tatsächlich zu Oral-Infektionen mit den Spulwurm-Eiern des Waschbären kommen. Wie viele Fälle von infizierten Menschen sind bekannt? Eine Studie aus den USA listet Infektionsfälle und Verläufe zwischen 1973 und 2012 auf, darunter auch fünf Todesfälle. Und in Deutschland, oder Europa? Tatsächlich sind vereinzelt Fälle beschrieben worden, in denen ein Mensch mit dem Spulwurm infiziert wurde.

Tragen alle Waschbären die Spulwurm-Erreger in sich?

Bildrechte: Senckenberg

Aus den USA weiß man dank einer Studie: 58 Prozent von 3.967 untersuchten Waschbären im Mittleren Westen der USA waren infiziert, 64 Prozent von 476 in der Region Nordosten/Mittelatlantik, 4 Prozent von 1.868 Exemplaren in der Region Südosten und 49 Prozent im Westen/Südwesten. In Mitteldeutschland wurden in Waschbärpopulationen Prävalenzraten des Waschbärspulwurms B. procyonis von bis zu 95 Prozent festgestellt, was auf ein erhöhtes Infektionspotenzial in diesen Gebieten schließen lässt. (Die Prävalenzrate beschreibt die Häufigkeit von Krankheitsfällen zu einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Art.)

"Gefahr durch Zoonose durch Waschbär-Spulwurm unzureichend untersucht"

Das Forschungsteam des Senckenberg-Institut für Biodiversität hat nun nachgewiesen, dass der Waschbärspulwurm Baylisascaris procyonis in Europa besonders gute klimatische Bedingungen vorfindet, um zu überdauern. Forscher Seven Klimpel vom Senckenberg-Institut in Frankfurt zufolge stellt der parasitische Waschbärspulwurm Baylisascaris procyonis unter bestimmten Bedingungen eine derzeit unzureichend untersuchte Zoonose dar, eine Krankheit, die von Mensch zu Tier und umgekehrt übertragen werden kann. Er sagt: "Unsere aktuellen Forschungsergebnisse zeigen, dass die Ei-Entwicklung des Spulwurms außerhalb seines Wirtes stark von der Temperatur abhängig ist. Bei Temperaturen zwischen 10 und 30 Grad Celsius entwickeln sich die Eier optimal." Das wärmere Klima kann also die Entwicklung der Spulwurm-Eier begünstigen.

Angesichts wachsender Waschbärpopulationen in den Städten stimmt das bedenklich. Viele Waschbären, das bedeutet auch viele Latrinenplätze – also Orte, an denen Waschbären ihren Kot hinterlassen. Waschbären haben bevorzugte Latrinen-Orte und binnen 14 Tagen wechseln sie zwischen sechs Orten. Meist tun sie das in Gesellschaft, zwischen zwei und sieben Exemplaren gemeinsam. So können diese Latrinenplätze regelrecht mit Spulwurmeiern kontaminiert werden – und dadurch auch die Nager, Vögel, Haus- oder Nutztiere.

Waschbär loswerden: Wie geht das?

Vermutlich, indem man es ihnen ungemütlich macht. Finden sie nichts zu fressen, müssen sie auch nichts – oder wenigstens weniger – ausscheiden. Also Lauben, Scheunen, Gartenhäuser, Garagen so einrichten, dass Waschbären nicht reinkönnen. Allerdings darf man nicht vergessen: Waschbären sind Allesfresser. Wir Menschen können zwar ihr Buffet verkleinern, Mülltonnen, potentielle Behausungen und Kotablageplätze verschließen. Dann ist da immer noch das natürliche Buffet, das, wovon sich Waschbären einfach ernähren, weil es da ist, neben pflanzlicher Nahrung zählen dazu auch Vögel, Bodenbrüter genauso wie solche, die ihre Nester auf Bäumen haben.

Bildrechte: IMAGO / SuperStock

Links/Studien

Die Studie Environmental modulators on the development of the raccoon roundworm (Baylisascaris procyonis): Effects of temperature on the embryogenesis lesen Sie hier im Original.
Update zu Infektionen mit Baylisascariasis, a Highly Pathogenic Zoonotic Infection, lesen Sie hier.

lfw

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | Thüringenjournal | 11. Oktober 2024 | 19:00 Uhr

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