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Mike Berners-Lee: Autor, Soziologe, Zukunftsforscher Bildrechte: Midas Verlag

MDR Wissen im GesprächMike Berners-Lee: Es gibt keinen Planet B

26. April 2020, 05:00 Uhr

Mike Berners-Lee schrieb das Buch: "Es keinen Planet B." Trotzdem lebten wir bis zur Corona-Krise so, als gäbe es Ersatz. Wir haben den Autor gefragt, welche Chancen die weltweite Zwangs-Pause für die Zukunft bietet.

MDR Wissen: Der Tag der Erde fiel in diesem Jahr mitten in eine Pandemie. Während die Menschen demonstrieren, sterben über den gesamten Globus Menschen durch ein Virus, das von Tieren übertragen wurde und aus China kommen soll. Ist diese Situation vielleicht auch Ausdruck für die Ausbeutung der Erde durch den Menschen?

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Mike Berners-Lee: Wir Menschen werden immer mächtiger von Jahr zu Jahr. Wir sind an dem Punkt angelangt, wo wir die mächtigste Art auf diesem Planeten sind und wir sind uns dessen nicht wirklich bewusst. Wir wissen nicht, dass wir sehr vorsichtig sein müssen. Wenn wir uns dessen bewusst wären, würden und müssten wir Konsequenzen ziehen. Der Klimaschutz ist eine Konsequenz und bezogen auf Covid-19: Seit Jahrhunderten haben wir diese Viren, die von den Tieren zum Menschen kamen - oder seit Jahrtausenden. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Art, wie wir mit der Erde umgehen, mit dem Land, die Wahrscheinlichkeit erhöht hat, dass der Virus so eine starke Wirkung hat. Und ja - Covid-19 ist ein Beispiel dafür, wie wir mit der Erde umgehen, dass wir so eine starke Spezies sind, die auf einem zerbrechlichen, fragilen Planten lebt, und wir verstehen noch nicht vollständig die Wirkung von allem was wir tun.

MDR Wissen: Nun scheint Covid-19 ja auch eine Chance zu sein. Wir sehen auf einmal, dass es möglich ist, den CO2-Ausstoß von heute auf morgen zu verringern. Der deutsche Zukunftsforscher Matthias Horx sagt, "wir durchleben jetzt schon mal, was sowieso auf uns zu kommt", bezogen auf das Klima – sehen Sie das auch so?

Mike Berners-Lee: Die Corona-Krise zwingt uns, Veränderungen vorzunehmen und viele Menschen haben jetzt Zeit darüber nachzudenken. Normalerweise fehlt uns diese Zeit. Ich hoffe, dass wir die Gelegenheit nutzen, auch wenn es eine schlimme Erfahrung ist, die wir jetzt machen. Ich hoffe, dass, wenn wir aus der Krise raus kommen, wir Dinge verändern. Und zwar so, dass wir als Menschen eine Lebensform finden, die dem Anthropozän, dem Zeitalter, in dem wir Menschen das bestimmende Element des Planeten sind, gerecht wird. 

MDR Wissen: In ihrem Buch "Es gibt keinen Planet B" geben Sie ganz konkrete Handlungstipps, wie der einzelne etwas tun kann, um den CO2 Ausstoß zu verringern. Wie haben Sie ihr Leben denn verändert: Was tun Sie nicht mehr, um das Klima zu schützen?

Mike Berners-Lee: Ich finde es schwierig, so wie jeder Mensch, alles richtig zu machen. Unsere Gesellschaft ist darauf ausgerichtet, nicht nachhaltig zu leben. Obwohl ich Bücher über Ressourcen und Klimawandel geschrieben habe, ist es auch für mich nicht einfach, meinen Lebensstil zu ändern. Ich versuche vorwärts zu denken und mich nicht selbst  zu demotivieren, weil ich nicht immer alles perfekt mache. Das ist die eine Seite.

Anderseits will ich aber auch nicht zu nachgiebig mit mir sein. Ich fliege nicht mehr viel, denke nach, ob es notwendig ist. Das heißt nicht, dass ich nicht mehr fliege. Ich fahre auch weniger Auto, auch schon vor der Corona-Krise, dafür mehr Fahrrad. Ich ändere meine Essgewohnheiten. Ich bin nicht komplett Vegetarier, noch nicht, aber ich arbeite daran. Wenn ich Sachen kaufe, überlege ich genau, was es ist und ob es von guter Qualität ist. Ich kaufe weniger und versuche alle Aspekte meines Lebens in die richtige Richtung zu bringen. Ich investiere in nachhaltige Projekte und auch Rentenfonds und achte darauf, dass meine Bank in Dinge investiert, die dem Planeten nicht schaden.

MDR Wissen: Das klingt ja alles ganz schön. Allerdings leben über sieben Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Und  Deutschland ist ein sehr kleines Land und ich höre oft das Argument: "Was wir hier machen, ist global gesehen kaum bemerkbar, also lebe ich doch einfach so weiter wie immer."

Mike Berners-Lee: Jeder von uns ist ein Individuum. Aber wir können alle helfen, diese Bedingungen zu schaffen. Wir können andere beeinflussen: auf der Arbeit, die Art, wie wir Politik beeinflussen und wie wir Konzerne beeinflussen durch unser Kaufverhalten, wie wir investieren. Es gibt nur wenige Menschen, die im Alleingang die Welt retten können. Aber wir alle können unseren Beitrag leisten, um bessere und gute Bedingungen zu schaffen. Deutschland und England sind nur kleine Teile dieser Welt , aber was wir tun, ermutigt den Rest der Welt mitzumachen.  

Nicht verwechseln: Mike Berners-Lee hat einen prominenten Bruder - Tim Berners-Lee (hier 2019 auf einer Digitalmesse in Köln), den Begründer des World Wide Web. Bildrechte: imago images/Future Image

MDR Wissen: Was sollte denn auf politischer Ebene geschehen, damit die Klimawirkung der Corona-Pandemie anhält?

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Mike Berners-Lee: Wenn wir unsere Wirtschaftssysteme wieder aufbauen, stellt sich die Frage, wie wir das am besten machen. Wenn wir wieder Arbeitsplätze schaffen, dann lass uns grüne Jobs machen. Wir haben gelernt, dass manche Flüge notwendig sind und viele nicht. Und es ist möglich, dass wir digital kommunizieren, statt für ein Meeting mit dem Flieger in ein anderes Land zu fliegen. Wir wissen jetzt, dass es geht. Wenn wir aus der Covid-19-Krise raus kommen, und das wird bald passieren, lass uns nicht alles genauso machen, wie es vorher war. Lass uns die Gelegenheit ergreifen, dieses Neuprogrammierung besser zu machen und eine nachhaltigere Zukunft beginnen.

MDR WISSEN: In Ihrem Buch schreiben Sie: "Individualismus ist für die globalen Herausforderungen ungeeignet." Wieso das?

Antwort: Die freie Marktwirtschaft kann mit einer Herausforderung wie dem Klimawandel nicht umgehen. Wenn man als Individuum den Klimawandel angeht, wenn ich zum Beispiel meinen CO2-Fußabdruck reduziere, mein Leben verändere, dann ist die tatsächliche Veränderung, die durch mein Tun geschieht, fast nichts. Ein Sieben-Milliardstel habe ich dann verändert. Das funktioniert nur, wenn alle anderen Menschen das Gleiche machen, wenn wir ein kollektives Denken entwickeln. Wir müssen erkennen, dass wir alle im selben Boot sitzen, alle sieben Milliarden Menschen im selben Boot. Ob wir es wollen oder nicht. Deswegen müssen wir als einzelner auch an die anderen sieben Milliarden denken. Wenn wir das alle machen, können wir als Spezies auf diesem Planeten gut leben. Wenn wir das aber nicht machen, wird es sehr schwierig, die Klimakrise zu bestehen.

Mike Berners Lee ist Professor und Fellow des Institute for Social Futures an der Lancaster University und Direktor und Hauptberater von Small World Consulting im Lancaster Environment Center der Universität.

Das Interview führte Annegret Faber für MDR Wissen.

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