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Die Raumsonde Cassini (oben) fliegt durch die Fontänen der Enceladus-Geysir, einem Eismond vom Ringplaneten Saturn. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech

Außerirdisches LebenGibt es Aliens in unserem Sonnensystem?

24. Juli 2023, 13:47 Uhr

Sind wir allein im Universum, oder gibt es da draußen Aliens, außerirdisches Leben? Tausende von Exoplaneten haben wir schon entdeckt, viele möglicherweise lebensfreundlich. Aber warum in die Tiefen des Weltraums blicken? Vielleicht sind die Aliens auch in unserem Sonnensystem zu finden. Forschende sind davon überzeugt, dass es auf einem der vielen Monde von Jupiter und Saturn einfaches außerirdisches Leben geben kann.

von Patrick Klapetz

Um außerirdisches Leben zu finden, schauen wir im ganzen Weltall nach und entdecken überall Exoplaneten. Tausende möglicherweise lebensfreundliche Sonnensysteme haben wir bereits identifiziert. Wir können die Bausteine für Leben und einfache Lebensformen aber auch auf unseren nächsten Nachbarn entdecken. Denn die Aliens (oder den Mann/die Frau im Mond aus der alten Science Fiction, wenn Ihnen der Begriff noch geläufig ist) kann es wirklich geben. Sie sind bloß sehr klein, mikrobiologisch klein.

Unser Sonnensystem ist voll mit Monden

Dafür schauen sich internationale Forschungsteams die Monde unseres Sonnensystems genauer an. Und davon gibt es ganz schön viel. Alleine Jupiter hat 79 Monde – zu drei von ihnen soll der Jupiter-Eismond-Erkunder, die Raumsonde Juice (Jupiter Icy Moons Explorer), im April 2023 aufbrechen. Das Ziel des europäischen Raumfahrzeugs sind die Galileischen Mond Europa, Kallisto und Ganymed – allesamt Eiswelten, unter deren Eispanzern einfache Lebensformen schlummern könnten. Der Naturforscher und Universalgelehrte Galileo Galilei hatte die Monde 1610 als erster beschrieben.

Der Eisriese Uranus hat 27 Monde und sein Nachbar, der Eisriese Neptun, hat 14 Monde. Der Ringplanet Saturn hat mit 82 Monden die meistens Trabanten in unserem Sonnensystem. Einer von ihnen ist ein ganz heißer oder eben "kalter" Kandidat für mögliche, winzig kleine Aliens: der Eismond Enceladus.

Eismond Enceladus: Die Fontänen des Saturnmondes

Enceladus ist einer der größten Saturnmonde, eine Eiswelt mit kryovulkanische Aktivitäten. Seine Fontänen schießen mit rund 700 Kilometer pro Stunde immer wieder Wassereispartikel ins Weltall. Durch die geringe Schwerkraft erreichen die Fontänen eine Höhe von bis zu 450 Kilometern – Enceladus selbst hat einen Durchmesser von 504 Kilometern.

Der Kern des Eismondes besteht aus Gestein und wird bei seiner Bahn um den Ringplaneten durchgewalkt. Der Gesteinskern wird dabei so warm, dass er die darüber liegenden Eisschichten zum Schmelzen bringt – und das, obwohl an seiner Oberfläche Temperaturen von minus 200 Grad Celsius herrschen.

Aufnahme der Raumsonde Cassini, die den Saturnmond Enceladus überpfliegt. Dort steigen Fontänen aus Wassereis über der Mondoberfläche auf Bildrechte: NASA/JPL/Space Science Institute

Durch die elliptische Umlaufbahn ändern sich auch die bekannten Tigerstreifen auf der Mondoberfläche. Sie dehnen sich etwas aus und ziehen sich wieder zusammen. Das hat Auswirkungen auf die Fontänen, berichtet John Spencer vom Southwest Research Institute in Boulder: "Die Fontänen sind viermal so stark, wenn Enceladus sich am Saturn-fernsten Punkt befindet im Vergleich zur stärksten Annäherung." Die Gezeitenkräfte sind damit verantwortlich für die Intensität der Wassereis-Fontänen – anders als bei unserem Erd-Mond-System ist hier der Planet und nicht der Mond für die Gezeiten verantwortlich.

Salzwasser-Vorkommen und Hinweise auf organisches Leben auf Enceladus

Bereits bei einem Vorbeiflug der Cassini-Raumsonde am 9. Oktober 2008 konnten die Bordinstrumente die ausgestoßenen Wassereispartikel messen. Bei 99 Prozent der ausgestoßenen Materie handelt es sich um salzhaltige Eispartikel. Damit war den Wissenschaftlern an der Universität Heidelberg, die die Daten der Sonde auswerteten, klar: Unter der Eisdecke von Enceladus befindet sich ein großes Reservoir aus salzhaltigem, flüssigem Wasser.

Wenige Jahre nach dieser Veröffentlichung hatte Frank Postberg mit einem Team der Universität Heidelberg eine weitere Entdeckung publiziert: Sie haben Spuren von überraschend schweren organischen Molekülen rund um Enceladus gefunden. Diese sind bis zu viermal schwerer als die größten bislang nachgewiesenen Moleküle und erreichen bis zu 200 atomare Masseneinheiten – was etwa dem Gewicht eines Wasserstoffatoms entspricht.

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"Die Fontänen auf Enceladus legen uns die interessanten Moleküle praktisch auf den Präsentierteller", erklärt der Forscher. Er und sein Team gehen davon aus, dass sich die Moleküle an aufsteigende Gasbläschen im unterirdischen Ozean heften. So gelangen sie an die Oberfläche und werden zusammen mit dem verdampfenden Salzwasser ins Vakuum des Weltalls geschossen. Dort gefriert das Wasser und bindet die organischen Moleküle an sich. 

Gibt es auf dem Meeresgrund von Enceladus hydrothermale Quellen?

Die Daten der Cassini-Raumsonde, die zwischen 2004 und 2017 den Gasriesen Saturn und seine Monde erforschte, liefern auch heute noch aufschlussreiche Erbenisse. Besonders die südpolare Region des Saturnmondes ist geologisch aktiv. Bei mehreren Flügen durch die Fontänen konnten die Messinstrumente der Raumsonde molekularen Wasserstoff und Methan nachweisen.

Ähnlich wie auf der Erde vermuten die Forschenden, dass es heiße Quellen mit einer lebensfreundlichen Umgebung auf dem Meeresgrund von Enceladus gibt. Chemische Prozesse könnten in solchen Quellen molekularen Wasserstoff und Methan entstehen lassen. Auf der Erde bieten solche tief liegenden hydrothermalen Quellen ein reichhaltiges Ökosystem – obwohl diese Orte kein Sonnenlicht erreicht. Ob diese heißen Quellen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Leben auf der Erde gespielt haben, ist bisher unklar.

"Die beobachtete Menge an Methan lässt sich nicht allein durch nichtbiologische Veränderungen des felsigen Untergrunds erklären", hat ein Forschungsteam der Universität PSL in Paris bei der Untersuchung der Cassini-Daten herausgefunden. Jedoch ist es ein Hinweis auf heiße Quellen am Meeresboden von Enceladus. "Ausreichend Zeit für die Entstehung von Leben" gibt es dort auf jeden Fall, denn die Forschenden schätzen, dass die lebensfreundlichen Bedingungen auf dem Saturnmond bereits seit mehreren Milliarden Jahren existieren.

Auch andere Messungen zeigen die Anwesenheit von molekularen Wasserstoff und Kohlendioxid. "Die relative Häufigkeit von molekularem Wasserstoff in der Fontäne deutet zudem auf ein thermodynamisches Ungleichgewicht, das die Entstehung von Methan aus Kohlendioxid im Ozean von Enceladus ermöglicht", schreiben Forscher des texanischen Southwest Research Institutes.

Letzter Baustein für Leben entdeckt

Die meisten Elemente, die für das Leben notwendig sind, wurden bereits auf Enceladus entdeckt: Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun auch den letzten Baustein für Leben in den Cassini-Daten vom Eismond Enceladus entdeckt: Phosphor – dieser Nährstoff wird für den Aufbau von DNA und RNA benötigt. Die Konzentrationen auf dem Meeresboden des Saturnmondes sind möglicherweise tausendmal höher als im Ozean der Erde. Damit sind alle Kriterien für einen bewohnbaren Ozean erfüllt.

Ein Großteil des Phosphors auf der Erde ist in Mineralien eingeschlossen. Seine Verfügbarkeit steuert oft die Geschwindigkeit, mit der sich das Leben ausbreiten kann. Im äußersten Saturnring, dem E-Ring, hat ein japanisches Forschungsteam nach Partikeln gesucht, die von Enceladus Eiswasser-Fontänen ins All ausgestoßen wurden. Einige der Eiskörner im E-Ring sind mit einer Phosphorverbindung namens Natriumphosphat angereichert. Der Planetenforscher Yasuhito Sekine vom Tokyo Institute of Technology und sein Team gehen davon aus, dass ein Kilogramm Wasser aus dem Ozean von Enceladus etwa 1 bis 20 Millimol Phosphat enthält. Damit wäre diese Konzentration tausendmal höher als in den großen Ozeanen der Erde.

Der Saturn aufgenommen von der Raumsonde Cassini am 2. Januar 2010. Bildrechte: NASA/JPL-Caltech/Space Science Institute

Am Boden des unterirdischen Ozeans von Enceladus könnte Phosphat durch Reaktionen zwischen Meerwasser und einem phosphathaltigen Mineral namens Apatit entstehen, bevor es durch Geysire ins All geschleudert wird.

Sekine hofft, dass der Nährstoff auf dem Eismond nur sehr langsam verbraucht wird. Ansonsten wäre fremdes Leben eher unwahrscheinlich. Denn auf der Erde wird Phosphor von seinen Bewohnern schnell verwertet – auf Enceladus gibt es den Nährstoff aber in Hülle und Fülle. Der Planetenforscher ist optimistisch, dass Apatit auch auf anderen eisigen Ozeanwelten in unserem Sonnensystem vorkommen kann.

Die schneebedeckte Welt von Saturnmond Enceladus

Nicht alle Wassereis-Partikel, die die Fontänen ins All schleudern, werden Teil des äußeren Saturnrings. Einige Partikel fallen zurück auf die eisige Oberfläche von Enceladus und bleiben als dicke Schneeschicht liegen. An manchen Stellen ist der flaumige Stoff 700 Meter tief. "Wenn man einen Roboter dort landen will, muss man verstehen, worauf er landen wird", sagt die Planetenforscherin Emily Martin vom National Air and Space Museum in Washington DC.

Um die Dicke der Schneedecke zu schätzen, nahmen die Forschenden die schneebedeckten Landschaften Islands als Referenzmodell. Auf dem Inselstaat gibt es geologische Merkmale, die als Grubenketten bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um Linien von Pockennarben im Boden, die entstehen, wenn loses Geröll wie Felsen, Eis oder Schnee in einen darunter liegenden Riss fließt – ähnliche Merkmale sind überall im Sonnensystem und auch auf Enceladus zu finden.

Aufnahme des Saturnmondes Enceladus durch die Cassini Raumsonde: Seine Eisspalten, die Tigerstreifen, sind darauf gut zu erkennen. Bildrechte: NASA, ESA, JPL, SSI, Cassini Imaging Team

Die Gischt auf Enceladus stammt wahrscheinlich aus einem salzigen Ozean unter seiner Eishülle. Doch bis sich so viel Schnee hätte ablagern können, wären laut den Berechnungen des Forschungsteams 4,5 Milliarden Jahre vergangen. Das entspricht dem Alter des gesamten Sonnensystems und scheint unwahrscheinlich. Zudem müsste sich der Schnee der unteren Schichten über die Jahre gefestigt haben, wäre damit weniger flaumig und die Schichten wären weniger tief. In der Vergangenheit müssten die Fontänen noch mehr Eiswasserpartikel ins All geschleudert haben als die bisherigen Messungen zeigen.

Enceladus: Der wahrscheinlichste Kandidat für fremdes Leben in unser Sonnensystem?

Da Leben nach heutigem Verständnis wahrscheinlich Wasser und eine Energiequelle benötigt, sind die Voraussetzungen dafür bei kaum einem anderen Himmelskörper besser als auf Enceladus. Viele Forscher halten Enceladus für einen der wahrscheinlichsten Orte, um außerirdisches Leben zu beherbergen. Es handelt sich um eine Welt, die von Eis umgeben ist und unter der sich ein Ozean aus salzigem Wasser verbirgt.

Um Leben auf Enceladus zu finden, müssen dort eines Tages auch eine Landefähre und ein Rover landen. Dafür ist es wichtig, die Oberflächenbeschaffenheit zu kennen. Spuren von Leben – also fremde bakterielle Bestandteile, DNA oder Lipide (wasserunlösliche Naturstoffe wie Fette oder Wachse) – könnten jedoch auch in den Fontänen nachgewiesen werden. Zumindest haben Forschende der Universität Leipzig und ihre internationalen Partner die dafür benötigten Messinstrumente für zukünftige Weltraummissionen getestet.

Aliens könnten somit direkt vor unserer Haustür in einer mittleren Entfernung von 1,4 Milliarden Kilometern umherschwimmen.

Studien (chronologische Reihenfolge nach Erwähnung in diesem Artikel)