Studie Für Klimaziele müssten Kraftwerke viel früher stillgelegt werden

01. Juli 2019, 17:00 Uhr

Sinkende CO2-Emissionen sollen den Klimawandel bremsen. Doch noch immer werden fossile Kraftwerke gebaut. Forscher der University of California haben nun berechnet: Nur mit drastischen Maßnahmen lässt sich die Erderwärmung begrenzen.

Der Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur lässt sich aus 1,5 Grad beschränken – aber nur, wenn der Mensch auf drastische Maßnahmen zurückgreift. Das geht aus Berechnungen hervor, die Forscher der University of California angestellt haben.

Demzufolge könnten die Pariser Klimaziele nur eingehalten werden, wenn in Zukunft keine neuen CO2-ausstoßenden Kohlekraftwerke mehr in Betrieb genommen werden. Darüber hinaus müssten bestehende Anlagen in ihrer Laufzeit oder in ihrer Auslastung deutlich beschränkt werden. Das schreiben der Erdsystemforscher Steven Davis und sein Team im Fachblatt "Nature".

Unsere Ergebnisse zeigen, dass neue CO2-emittierende Infrastruktur praktisch keinen Platz hat, wenn die internationalen Klimaziele erfüllt werden sollen.

Steven Davis, University of California

846 Gigatonnen Kohlendioxid – wenn nichts passiert

Stattdessen, so Davis, müssten bestehende Kraftwerke und Industrieanlagen früher stillgelegt werden – es sei denn, sie können mit Technologien nachgerüstet werden, die Kohlendioxid gar nicht erst ausstoßen.

Davis und sein Team hatten berechnet, wie viel Kohlendioxid global gesehen ausgestoßen wird, wenn alle bestehenden Anlagen unter anderem aus dem Kraftwerks- und Industriesektor mit ihrer vorgesehenen Laufzeit weiter betrieben werden. Ergebnis: Rund 658 Gigatonnen CO2 würden freigesetzt. Diese Zahl bewegt sich – abhängig von der Berechnungsgrundlage – in einem Rahmen zwischen 226 und 1479 Gigatonnen. Beziehen die Forscher geplante oder im Bau befindliche Kraftwerke mit ein, kommen sie sogar auf rund 846 Gigatonnen.

Um das Pariser 1,5-Grad-Ziel mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 Prozent zu erreichen, dürfen laut Weltklimarat aber nur noch rund 420 Gigatonnen in die Atmosphäre geblasen werden. Die Organisation geht davon aus, dass eine globale Erwärmung von 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit wahrscheinlich zwischen 2030 und 2052 erreicht ist, wenn der Temperaturanstieg so weitergeht wie bislang.

"Uns rennt die Zeit davon"

Wissenschaftler in Deutschland reagierten alarmiert auf die kalifornische Studie. "Der Artikel bestätigt, dass uns die Zeit davonrennt", sagte der Leiter des New Climate Institute in Köln, Niklas Höhne. Da der Klimaschutz in den letzten zehn Jahren zu langsam vorangekommen sei, müsse man jetzt kräftig nachholen, so Höhne. Für eine Kohlenstoffdioxid-freie Welt ab 2050 dürfte dementsprechend nur noch in CO2-freie Technologien investiert werden: "Das heißt in Null-Energie-Häuser, in CO2-freie Fahrzeuge und nicht in Kohle- oder Gaskraftwerke."

Sabine Fuss vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) in Berlin sagte, für das 1,5-Grad-Ziel müsste man Mitte des Jahrhunderts CO2-Neutralität erreichen. "Das heißt, dass wir dann jede Tonne CO2, die in die Atmosphäre entlassen wird, auch wieder herausholen müssen." Besser sei es, gar keine weiteren Kohlekraftwerke zu bauen.

Eine Welt ohne Kohle ist möglich

Eine weltweite "Kehrtwende" fordert Lambert Schneider vom Berliner Öko-Institut. "Wir müssen deshalb sowohl in Deutschland massiv Emissionen reduzieren, als auch weniger entwickelte Länder dabei unterstützen." Es sei ein wichtiges Signal, dass immer mehr Länder einen Ausstieg aus der Kohle beschließen.

"Eine Welt ohne Kohle, Öl und Gas ist möglich", ergänzt auch Höhne vom Kölner New Climate Institute. "Immer mehr Länder, Bundesstaaten, Städte und Unternehmen setzen sich solche Ziele." Prominente Beispiele sind laut Höhne Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen, die Länder Norwegen, Finnland, und Großbritannien sowie der US-Bundesstaat Kalifornien.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Heute schon die Welt gerettet? Familie Döring macht das Klima besser | 02. Juli 2019 | 22:00 Uhr