Landwirtschaft Bringt der Klimawandel biblische Plagen?

Was Hitze und Dürre mit unserer Landwirtschaft anstellen, haben wir in diesem Jahr erlebt. Doch steigende Temperaturen allein sind nur ein Teil des Problems, das die Klimaveränderung mit sich bringt. Denn sie wirkt sich nicht nur auf die Pflanzen aus, sondern auch auf deren Schädlinge. Diese werden immer hungriger und gefährden die Ernten bei Weizen, Mais und Reis. Je ein Grad Klimaerwärmung, so die aktuelle Studie von Forschern der Washington University (USA), bedeutet einen Verlust von zehn bis 25 Prozent der Ernte.

Stoffwechsel läuft heiß

Je heißer es wird, desto schneller pflanzen sich die Insekten fort und auch der Stoffwechsel verändert sich. "Wenn die Temperatur steigt, erhöht sich der Stoffwechsel der Insekten, so dass sie mehr fressen müssen", so Scott Merrill, der an der Universität von Vermont Veränderungen in Agrarökosystemen erforscht und an der Studie beteiligt war. "Das ist nicht gut für Getreide." Vor allem für Weizen, die weltweit am meisten angebaute Getreidepflanze. Erwärmt sich die Erde bis zum Ende des Jahrhunderts um zwei Grad, so würden die Insekten bis zu 46 Prozent mehr Weizen zerstören.

Der Norden, und damit auch Europa, dürfte besonders stark betroffen sein, weil die Klimaerwärmung Motten, Zünsler, Blattläuse, Minierfliegen und andere bei uns heimische Getreideschädlinge begünstigt. In den tropischen und subtropischen Gebieten sind die Auswirkungen dagegen geringer, da Insekten dort schon angepasst sind, noch heißere Temperaturen wiederum nicht vertragen.

Offene Fragen

Prof. Robert Paxton
Professor Robert Paxton ist Zoologe an der Uni Halle. Bildrechte: Uni Halle / Michael Deutsch

Diese Studie ist eine deutliche Warnung, so kommentierte Robert Paxton, Insektenforscher der Uni Halle-Wittenberg die Ergebnisse im Magazin "Science". Er hält die Schlussfolgerungen der Studie für solide, sagt aber auch, dass das Modell einige Faktoren außer Acht lasse. Zum Beispiel, wie die Erwärmung auf die natürlichen Feinde der Käfer und andere Insektenschädlinge wirke, ob sich die Ernährung der Insekten verändere oder ob Änderungen im Anbau die Schädlinge in Schach halten könnten.

Eine Einschätzung, die Studien-Autor Curtis Deutsch von der University of Washington in Seattle (USA) teilt. Aber es sei wichtig, jetzt zu reagieren, vor allem um die Auswirkungen auf Nahrungsmittelversorgung der ärmsten Länder zu sichern, so Deutsch. Schon heute, das zeigen Zahlen der Vereinten Nationen, würden über 800 Millionen Menschen hungern. Und Mais, Weizen und Reis seien die Hauptnahrungsmittel für über vier Milliarden Menschen.

Weniger Monokulturen

Mehr Pestizide – eine heute auch nicht mehr ganz so naheliegende Idee – sind nicht die Lösung, sagt Agrarökologe Teja Tscharntke von der Uni Göttingen. "Man wird Sorten entwickeln müssen, die stabiler sind und Fruchtfolgen diversifizieren, um so größere Widerstandsfähigkeit gegen die Klimaänderung zu erreichen“, so Tscharntke gegenüber science.ORF.at.

Damit verbunden müssten auch Veränderungen in der Agrarlandschaft sein. Weg von Monokulturen, hin zu mehr Blühstreifen und Blumenwiesen. Denn dort, so Tscharntke, können die natürlichen Feinde von Schädlingen, in vielen Fällen selbst Insekten, besser überleben.

Ökosysteme verändern sich

Die mögliche Klimaerwärmung würde sich auf das gesamte Ökosystem der Erde auswirken, besonders stark in  Nordamerika und Europa. Das zeigen Untersuchungen von Umweltforschern und Geologen, die Fossilien und Temperaturdaten ausgewertet haben für einen Zeitraum, der vor 21.000 Jahren begann – nach dem Ende der letzten Eiszeit. Auch damals begannen die Temperaturen zu steigen, insgesamt um vier bis sieben Grad, allerdings in einem Zeitraum von einigen tausend Jahren.

In den nächsten ein bis zwei Jahrhunderten seien Umweltveränderungen wie früher innerhalb von 10.000 bis 20.000 Jahren zu erwarten, so Stpehen Jackson, Leiter des Zentrums für Klimaanpassung des Geologie-Instituts USGS im Südwesten der USA. Die Ökosysteme müssten dann "kämpfen, um das einzuholen". Das Risiko, dass die Vegetation sich grundlegend ändere, so die Studie, betrage derzeit 60 Prozent. Mit nur schwer abschätzbaren Folgen, insbesondere wenn damit Veränderungen der Waldflächen verbunden sind. Die Vegetation spielt unter anderem bei der Trinkwasserversorgung eine wichtige Rolle, mahnen die Forscher in "Science". Weil Wälder klimaschädliches Kohlendioxid speichern, würde ihre Zerstörung durch den Klimawandel wiederum die Erderwärmung weiter verstärken.

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Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Im Zeichen der Heißzeit | 21. August 2018 | 20:00 Uhr