Baum
Mit den Wurzeln ziehen die Bäume Nährstoffe aus dem Boden. Bildrechte: imago images / imagebroker

Forschung CSI Wald - wenn der Baum verrät, wo die Leiche vergraben ist

10. September 2020, 13:59 Uhr

Ein Baum verrät, dass in seiner Nähe im Erdreich ein Mensch verwest. Das klingt nach Krimi, ist aber tatsächlich ein Forschungsfeld in Tennessee, das die Auswirkung von Verwesungsprozessen auf Pflanzen erforscht.

Leichen, die im Wald vergraben sind, werden oft von Suchtrupps oder speziell geschulten Hunden aufgespürt - jedenfalls im Krimi. In Zukunft braucht es jedoch vielleicht weder in Krimis noch in der Realität Leichenspürhunde. Nämlich dann, wenn Pflanzen verraten, wo ein Mensch im Erdboden verwest. Man müsste dazu nur die Pflanzen entsprechend "lesen". Das, womit sich Pflanzen ernähren, spiegeln sie wider, sagt Studienleiter Neal Stewart Jr., der sich an der Universität in Tenessee, USA, mit der Auswirkung von Verwesung auf das Erdreich befasst:

Je nachdem, wie schnell die Pflanzen auf den Stickstoffeinstrom reagieren, kann es zu Veränderungen der Blattfarbe und des Reflexionsvermögens kommen.

Neal Stewart Jr, Biologe

Wenn der Mensch vom Baum verstoffwechselt wird

US-Forscher Stewart untersucht den Zersetzungsprozess des menschlichen Körpers unter verschiedenen Bedingungen, und analysiert dazu die direkte Umgebung des Zersetzungsprozesses: Wie verändert sich die Nährstoffkonzentration des Bodens, wie wirkt sich das auf die Pflanzen innerhalb dieser "Verwesungsinseln" aus? Das Forschungsteam um Stewart rechnet das im Fachmagazin "Trends in Plant Science" folgendermaßen vor: Ein mittelgroßer Mensch aus den USA enthält 2,6 Kilogramm Stickstoff, von dem ein großer Teil im Zersetzungsprozess in Ammonium umgewandelt wird. Die Zersetzungsinsel - als den Bereich, in dem die Verwesungsprozesse des Menschen wirken, beziffern sie mit etwa drei Quadratmeter. Demnach sei die Menge an zugesetztem Stickstoff in der Rhizosphäre etwa 50-mal größer als die empfohlene saisonale Stickstoffdüngerrate für heimische Sträucher und Bäume in den USA.

Das offensichtlichste Ergebnis der Inseln wäre eine große Freisetzung von Stickstoff in den Boden, besonders im Sommer, wenn die Zersetzung so schnell vor sich geht.

Neal Stewart Jr.

Verwesen Mensch und Tier verschieden?

Alte, mit Moos bedeckte Eiche
Der Nährstoffgehalt des Bodens kann sich auch in den Blättern widerspiegeln. Bildrechte: imago images/Andreas Vitting

Das wiederum könnte sich in einem Blattstickstoffgehalt mit erhöhter Chlorophyllproduktion in den Pflanzen spiegeln. Allerdings verwesen in der Regel eher Tiere als Menschen in Wäldern. Gibt es einen Unterschied zwischen dem Bodeninhalt einer Verwesungsinsel von Hirsch oder Mensch? Die Forscher sagen ja, und suchen nach den Unterschieden und zwar in Form von genannten Metaboliten. Das sind Zwischenprodukte von Stoffwechselprozessen, der typisch ist beim Abbau, also der Verwesung von Lebewesen. Und die unterscheiden sich dank des menschlichen Lebens- und Ernährungsverhaltens sehr von tierischen Waldbewohnern: Medikamente, Lebensmittelkonservierungsmittel hinterlassen Spuren im Körper, genau wie starkes Rauchen. Sie alle könnten den Forschern zufolge beim Verwesungsprozess zu speziellen chemischen Profilen führen, die einzigartige Pflanzenreaktion auslösen, spinnt Stewart diesen Faden weiter.

Wenn man die Pflanzen lesen könnte

Sind die Einflüsse von Kadavermetaboliten auf Pflanzen besser verstanden, könnte man Verfahren entwickeln, die Pflanzen auf spezifische Fluoreszenz- oder Reflexionssignale analysieren und so anzeigen, dass in ihrer Umgebung menschliche Überreste liegen. Spinnt man diesen Faden weiter, könnte man dann Drohnen mit entsprechender "Lese-Technik" für diese "Leichen-Signale" von Bäumen ausrüsten. Das könnte aufwendige und schwierige Suchen nach vermissten Menschen in unwegsamen Gebieten wie zum Beispiel in Amazonaswäldern erleichtern, meint Stewart.

So könnte man Daten über Dutzende oder sogar Hunderte von Quadratkilometern sammeln und Suchgebiete für die Leichenbergungsteams viel stärker eingrenzen.

Neal Stewart Jr.

Allerdings, räumt der Wissenschaftler ein, sei man von solchen Szenarien noch Jahre entfernt.

Blick über einem Frühjahrsmischwald in der Sächsischen Schweiz.
In Zukunft liest man von oben vielleicht mehr aus den Wäldern ab als nur Folgen von Hitze, Trockenheit oder Schädlingsbefall. Bildrechte: imago stock&people

(lfw)

Bäume 5 min
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1 Kommentar

part am 05.09.2020

Diese Erkenntnis ist nicht neu und eigentlich schon seit dem Ende des Pol- Pot- Regimes bekannt. Überall wo Massengräber waren wuchs der Bambus doppelt so schnell und doppelt so hoch.