Schlüsseltiere im Ökosystem Das Leben der Bienen

09. April 2018, 10:49 Uhr

Bienen sind ein faszinierendes Wunderwerk der Evolution, das unter anderem dazu führt, dass Pflanzen bestäubt werden und wir morgens Honig auf dem Frühstückstisch haben.

Marcus Ehm sitzt abends auf seiner Terrasse, beobachtet seine Bienen und vergisst darüber den Alltag. Er hat sich keinen Hund geholt sagt er. Sein Haustier ist die Biene. "Bienen kann man auch streicheln. Wenn man richtig mit denen umgeht, kann man die auch anfassen", sagt Ehm und lacht. Er ist Hobbyimker und sieht ein Bienenvolk von etwa 50.000 einzelnen Bienen als einen einzigen Organismus.

Dann haben die ein Skelett und das sind die Waben. Dann haben die eine Gebärmutter und das ist die Königin, die legt die Eier. Die Bienen, die ausschwärmen, könnte man sich als die Arme vorstellen, die die Nahrung in die Bienenbeute reinholen.

Marcus Ehm, Imker

Bienen-Ausbildung

Diese Vorstellung kommt nicht von ungefähr. Denn tausende von Einzelwesen arbeiten so selbstlos und koordiniert zusammen wie ein großer Organismus. Noch bevor sie schlüpfen, ist eigentlich schon klar, wie das Leben einer Biene in ihren sechs Wochen abläuft, erklärt Gabriele Huber Schabel, Vorsitzende des Imkervereins Halle: "Die durchlaufen eine Ausbildung: Putzbiene, Ammenbiene, Arbeitsbiene im Stock und dann die Flugbiene. Das ist also die letzte Station. Die letzten drei Wochen im Leben einer Biene, dann darf sie raus."

Die Bienen, die wir auf den Blüten sehen, befinden sich also in ihrer zweiten Lebenshälfte. Sie fliegen zu den Blüten, auf die sich das Volk geeinigt hat. Sogenannte Suchbienen haben vorher die Gegend im Radius von etwa drei Kilometern abgesucht.

Fluglotsen

Wenn eine Biene eine attraktive Trachtquelle gefunden hat, kehrt sie zum Stock zurück und macht ihren Schwänzeltanz. Zur Sonne den Winkel kann sie da ganz genau nachtanzen und so erfahren dann alle, wo diese attraktive Trachtquelle ist und fliegen dorthin.

Gabriele Huber Schabel, Imkerverein Halle

Etwa 30 Mal pro Tag startet eine Biene von der Luke des Bienenstocks und fliegt etwa 300 Blüten an. Vollbeladen mit Nektar und Pollen gibt sie die Ernte an andere Bienen ab, die schon auf die Flugbienen im Stock warten.

Gemeinschaftswerk Honig

"Sowohl Pollen als auch der Nektar werden von einer Biene zur anderen gegeben und jede bringt dann diese Enzyme hinzu, die den Honig zum Honig machen. Und die letzte Biene bringt den Honig dann in die Wabe hinein und der fängt dann schon an zu trocknen", erzählt Huber Schabel.

Die letzte Biene schlägt mit dem Flügeln und fächelt so das Wasser aus dem Honig. 80 Prozent Wasser müssen auf 18 Prozent reduziert werden, damit der Honig in der Wabe nicht schlecht wird. Erst dann wird die Wabe mit Wachs versiegelt.

Wächterbienen beobachten die Umgebung und die Einflugschneise. Denn es kann passieren, dass Wespen oder andere Bienen versuchen, den mühsam gesammelten und zähflüssig getrockneten Honig zu klauen, sagt Gabriele Huber Schabel. "Und da kann es schon mal sein, dass die mal eine Wespe völlig einknäulen, also dass dann vier bis fünf Wächterinnen kommen, die völlig einknäulen und töten."

Während das Volk sich um die Nahrung und den Wintervorrat kümmert, legt die Bienen-Königin ein Ei nach dem anderen, bis zu 2.000 am Tag. Die kommen dann in spezielle Brutwaben und werden mit den gesammelten Pollen gefüttert. Nach 21 Tagen schlüpft dann die nächste Bienen-Generation. Bis zu fünf Jahre lang befruchtet die Königin dann die Eier aus nur einem einzigen Begattungsflug: "Da sammelt sie das ganze Sperma in ihrem Spermatäschchen, fliegt zu ihrem Stock zurück und fliegt nie wieder aus. In diesem Spermatäschchen bleiben diese Samen aktiv", so die Imkervereinsvorsitzende.

Das traurige Bienenmann-Leben

Die zehn bis zwanzig Drohnen, die eine Königin begatten konnten, sterben nach dem Geschlechtsakt. Die anderen fliegen wahrscheinlich tieftraurig zurück in ihren Stock. Es gibt männliche Bienen, die es nie schaffen. Dann kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem sie das letzte Mal zum heimischen Stock zurückkommen. "Und dann werden sie abgestochen von den Arbeiterinnen, weil sie im Winter nur unnütze Fresser sind. Also das Leben als Bienenmann ist nicht wirklich erstrebenswert", sagt Huber Schabel.

Bis November, bis es etwa noch 12 Grad warm wird, kann man Bienen beobachten. Dann ziehen sie sich in ihren Stock zurück und schützen die Königin, die Brut und sich selbst vor Kälte. Genauso wie sie den Honig trocken wedeln, so wedeln die Winterbienen den Stock mit ihren Flügelschlägen warm. "Also egal welche Temperatur draussen ist, sie braucht ihre 36,5 Grad. Und das macht sie auch. Auch im tiefsten Winter."

Die Winterbiene lebt länger

Das verbraucht viel Energie und dafür ist der Honig da, den ihre Vorfahren im Sommer gesammelt haben. Die Winterbiene lebt wesentlich länger als die Sommerbiene. Sie braucht ihre Flügel nicht zum Fliegen, sondern zum Heizen. Dafür darf sie sechs Monate leben statt sechs Wochen.

Und weil der Mensch den Wintervorrat der Honigbiene meist in 500-Gramm-Gläser abfüllt, füttern die Imker ihre Bienen mit Zuckerwasser, damit sie bin zum Frühjahr überleben und die nächste Generation von Flugbienen die Waben wieder füllen kann.

Dieses Thema im Programm: LexiTV | 13. April 2018 | 15:00 Uhr