Ein Fluss im Dschungel.
Lebensraum für den steinzersetzenden Bohrwurm: Süßwasser Bildrechte: imago/blickwinkel

Neue Spezies Lithoredo abatanica: Der Bohrwurm, der Steine frisst

20. Juni 2019, 17:10 Uhr

Ein Wurm, der Steine frisst? Das erinnert an Loriot, der fünf Minuten lang über die aussterbende Gattung der Steinlaus dozierte. Die steinzersetzende Spezies, die eigentlich eine Muschel ist und eine Verwandte des Schiffsbohrwurms, gibt es in echt. Sie wurde auf Bohol, einer der unzähligen Inseln der Philippinen, entdeckt.

Auf den Philippinen haben Forscher eine neue Art von Bohrwurm entdeckt: Lithoredo abatanica. Bisher kannte man nur ihre Verwandten, die Schiffsbohrwürmer. Diese gelten seit Jahrhunderten als eine Art schwimmende Pest. Sie ernähren sich von Holz und sind dabei nicht wählerisch. Sie zerfressen Holzbohlen in Häfen, Schiffe, Treibholz an den Küsten, versunkenes Holz oder Mangrovenwurzeln. Dabei sind sie eigentlich gar keine Würmer, sondern Muscheln, die ihre Schale benutzen um sich in ihr Futtermaterial zu bohren.

Jetzt haben Forscher eine Art Schiffswurm entdeckt, die nicht auf holziges, sondern steiniges Futter steht. Im Gegensatz zum bisher bekannten Schiffsbohrwurm lebt Lithoredo abatanica im Süßwasser. Entdeckt wurde die wurmartige Muschel-Kreatur schon 2006 in einem Flusslauf auf der philippinischen Insel Bohol, aber erst 2018 wurden sie wissenschaftlich untersucht. Veröffentlicht wurde die Untersuchung jetzt im Fachmagazin der Royal Society.

Lithoredo abatanica - und seine Fraßlöcher in Kalkstein

Steinbohrwurm und Fraßlöcher
Bildrechte: royalsociety.org
Steinbohrwurm und Fraßlöcher
Bildrechte: royalsociety.org
Steinbohrwurm und Fraßlöcher
Bildrechte: royalsociety.org
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Was unterscheidet den steinfressenden vom holzfressenden Schiffsbohrwurm?

Die Steinfresser haben geschrumpfte Muscheln mit Bohrköpfen. Während die holzfressende Muschel von hunderten scharfer, unsichtbarer Zähne bedeckt ist, hat die steinfressende Art Dutzende, dickere, Millimeter große Zähne, mit denen sie sich in Steine bohren. Beim Holzbohrwurm landet das gefressene Holz in einem Verdauungssack, wo es von Bakterien zersetzt wird. Der Steinfresser verdaut sie offenbar so, dass er den zersetzten Stein für seinen eigenen schützenden Muschelbau benutzen kann. Offen ist noch, ob ihm der zersetzte Kalksteine auch als Nahrung dient. Oder ob er für die Ernährung auf Bakterien angewiesen ist, die in seinen Kiemen leben und Nährstoffe produzieren.

Schiffsbohrwurm - mehr als nur lästig

Wie fast immer in der Natur (Zecken möglicherweise ausgenommen) sind auch diese Muscheln keinesfalls nutzlos. Bei einem Versuch des Max-Planck-Instituts für marine Meeresbiologie wurden Baumstämme im östlichen Mittelmeer versenkt. Ein Jahr später untersuchten die Forscher, in welchem Zustand sie waren: Dicht besiedelt von verschiedensten Organismen. Das wäre ohne die Schiffsbohrwürmer unmöglich – sie zerlegten die Holzstämme in Späne und schafften so Lebensraum für seltene Tiefseetiere und Organismen.

Auch in anderen Meeren bereiten die Holzbohrwürmer Lebensgrundlagen für Meeresgetier, wie zum Beispiel in Mangrovenstämmen: Einmal zerfressen, bieten sie kleinen Fischen und anderen Meereswinzlingen ganz eigene Oasen, Schutz und Lebensraum.

Mangroven
Nahrung für Holzbohrwürmer: Mangrovenwurzeln Bildrechte: imago images / Nature Picture Library

Welche Rolle der neu entdeckte, kalksteinverdauende Verwandte für den ökologischen Kreislauf spielt, ist noch unklar. Denkbar ist dem Forscherteam zufolge, dass die Steinzersetzung Einfluss darauf haben kann, wie sich Flussläufe entwickeln. Sicher ist dagegen, dass die Steinlaus, über die der Komiker Loriot zu Lebezeiten sehr ernsthaft dozierte, nach wie vor nicht existiert.  

Dieses Thema im Programm: MDR Fernsehen | SACHSENSPIEGEL | 25. März 2019 | 19:00 Uhr