Visualisierung der beobachteten Geschwindigkeitsflüsse in der Spiralgalaxie NGC 4321
Visualisierung der beobachteten Geschwindigkeitsflüsse in der Spiralgalaxie NGC 4321. Bildrechte: T. Müller/J. Henshaw/MPIA

Max-Planck Studie Neue Theorie: Wie aus Gas und Staub Sterne und Planeten werden

06. Juli 2020, 17:00 Uhr

Der Stoff für neue Galaxien steckt in Gaswolken. Diese bleiben nicht starr auf der Stelle stehen. Sie bewegen sich in einem Netz von Filamenten wie auf einer Autobahn durchs Weltall. Forscher vom Max-Planck-Institut haben sich diese Autobahn genauer angeschaut und faszinierendes herausgefunden.

Unsere Gesteinsplaneten sind durch Staub und Gasriesen wie Jupiter oder Uranus durch Gase entstanden. Diese kleinen Partikel sind über Millionen und Milliarden Jahre hinweg zu großen Sternen und Planeten herangewachsen. Damit es dazu kommt, müssen diese Partikel irgendwoher kommen. Forscher des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heildeberg haben sich deren Fortbewegung genauer angeschaut.

Autobahnen und Pendler?

Stellen Sie sich das Universum als Landkarte vor. Es gibt riesige Galaxien, die Städten ähneln. Dies sind Orte aus Gas und Staub, die zu Sternen und Planeten zusammen gewachsen sind. Zu ihnen führen Straßennetze, welche aus Filament-Gasspuren bestehen. Das sind wabenartige Netze, beispielsweise aus Materie oder in diesem Fall aus Gasspuren. Auf diesen Autobahnen wandern molekulare Materialien in riesigen molekularen Gaswolken entlang – ähnlich wie Berufspendler auf dem Weg zur Arbeit, beschreiben es die Forscher. Diese Pendler liefern den Brennstoff für die Entstehung neuer Sterne.

Diese Grafik stellt einen Ausschnitt aus der spinnennetzartigen Struktur des Universums dar, das als "kosmisches Netz" bezeichnet wird.
Filamente sind Ansammlungen von Materie oder Gasströmen, die in einer unregelmäßigen Wabenstruktur angeordnet sind. Zwischen diesen Strukturen liegen Hohlräume. Die großen Filamente in dieser Grafik bestehen größtenteils aus dunkler Materie, die sich im Raum zwischen den Galaxien befindet. Deshalb dient das Bild nur als Beispiel. Bekannt ist es unter dem Namen "cosmic web", bzw. "kosmisches Netz". Bildrechte: NASA, ESA, and E. Hallman (University of Colorado, Boulder)

Unter der Leitung von Jonathan Henshaw haben die Forscher herausgefunden, dass sich das molekulare Gas in Galaxien durch physikalische Mechanismen in Bewegung setzt. Ausgelöst und beeinflusst werden diese Mechanismen ewta durch Magnetfelder, Gravitationskräfte, Supernova-Explosionen oder galaktische Rotationen.

Welche Auswirkungen das wandernde Gas auf einzelne Planeten konkret hat, ist jedoch schwer zu beantworten. Stellen Sie sich hier einen Pendler vor, der von Leipzig nach Paris fahren würde. Über eine Autobahn würde dieser Pendler an seinen Zielort gelangen. An einigen Stellen wird er auf Megastädte stoßen. Manche Pendler werden von diesen Städten angezogen, biegen ab, andere bewegen sich auf der Autobahn weiter fort. Wiederum andere sammeln sich an Orten, an denen neue Städte – entweder Sterne oder Planeten –entstehen.

Bild der Verteilung des molekularen Gases (Kohlenmonoxid) im südlichen Spiralarm der Galaxie NGC 4321 über einen Durchmesser von etwa 15.000 Lichtjahren. Die hellen Flecken zeigen riesige Molekülwolken, die wenig regelmäßig im Kamm des verdünnten Gases im Spiralarm verteilt sind. Die Cyan-Kreise zeigen die Positionen sternbildender Komplexe.
Bild der Verteilung des molekularen Gases (Kohlenmonoxid) im südlichen Spiralarm der Galaxie NGC 4321 über einen Durchmesser von etwa 15.000 Lichtjahren. Die hellen Flecken zeigen riesige Molekülwolken, die wenig regelmäßig im Kamm des verdünnten Gases im Spiralarm verteilt sind. Die Cyan-Kreise zeigen die Positionen sternbildender Komplexe. Bildrechte: J. Henshaw/MPIA

Wie das Team herausgefunden hat, geschieht die Fortbewegung der Gase wellenartig. Das war für das Steve Longmore, Co-Autor der Studie, nicht neu. Dafür eine andere Sache:

Was uns überrascht hat, war, wie ähnlich die Geschwindigkeitsstruktur dieser verschiedenen Regionen aussah. Es war egal, ob wir eine ganze Galaxie oder eine einzelne Wolke in unserer eigenen Galaxie betrachteten, die Struktur ist mehr oder weniger dieselbe.

Steve Longmore Co-Autor der Studie

Die Erkenntnisse aus der Gaswanderung

Nach dieser Erkenntnis untersuchten die Forscher bestimmte Regionen genauer. Dabei fiel ihr Fokus auf die Gase in der Milchstraße und einer nahe gelegenen Galaxie. Sie vermaßen dabei Veränderungen in der Lichtfrequenz von Molekülen und führten Millionen von Messungen durch.

Stellen Sie sich die riesigen Molekülwolken als gleich große Megastädte vor, die durch Autobahnen verbunden sind. Aus der Vogelperspektive erscheint die Struktur dieser Städte und die Autos und Menschen, die sich durch sie bewegen, chaotisch und ungeordnet. Wenn wir jedoch einzelne Straßen vergrößern, sehen wir Menschen, die von nah und fern angereist sind, ihre einzelnen Bürogebäude in geordneter Weise betreten. Die Bürogebäude repräsentieren die dichten und kalten Gaskerne, aus denen Sterne und Planeten geboren werden.

Jonathan Henshaw Autor der Studie

Der Mitautor Diederik Kruijssen erklärt, dass sich beim Vergrößern immer wieder kleine Schwankungen zeigten: "Wir stellen jetzt fest, dass diese Extreme genau definierte charakteristische Größen haben, aber dazwischen herrschen Chaosregeln."

Ähnlich einer Schneeflocke, die perfekt auszusehen scheint. Wenn man sie aber langsam vergrößert, dann wirkt ihre Struktur chaotisch. Wenn man die größtmögliche Vergrößerung erreicht hat, zeichnen sich einzigartige und majestätische Eiskristalle ab. In unserem Universum herrschen Ordnung und Chaos zugleich und ohne diese unendlich weiten Filament-Gasspuren würde es keine Sterne, keine Planeten und kein Leben geben.

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