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Dämme und StauseenNur ein Viertel der Flüsse fließen noch frei

20. März 2024, 12:45 Uhr

Weniger als ein Viertel der Flüsse weltweit können frei fließen. Der Rest ist reguliert. Ein Problem. Durch die Dämme und Stauseen gehen die Vorteile, die Flüsse für Menschen und Umwelt haben, verloren.

"Flüsse sind das Lebenselixier unseres Planeten", sagte Michele Thieme, führender Süßwasserforscher beim WWF und weltweiter Führer der WWF-Initiative für frei fließende Flüsse. Wir Menschen nutzen sie als Süßwasser, als Nahrungsquelle, für die Bewässerung in der Landwirtschaft, als Transportweg oder für die Energiegewinnung. Dabei verändern wir ihren Lauf. Wie groß diese Veränderungen sind, zeigt jetzt eine Studie, für die 34 Wissenschaftler weltweit zwölf Millionen Flusskilometer untersucht haben.

Weltweit 2,8 Millionen Dämme

Das Ergebnis: Frei fließende Flüsse findet man in dicht bevölkerten Regionen wie Nordamerika, Europa und Asien kaum noch. "Heute sind sie weitgehend auf abgelegene Regionen wie die Arktis, das Amazonasbecken und das Kongobecken beschränkt", sagt Christiane Zarfl, Professorin vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen, die an der Studie mitgearbeitet hat. Insgesamt fanden die Forscher rund 2,8 Millionen Dämme.

Das führt zur Fragmentierung des Flusslaufs und hat teilweise schwerwiegende Auswirkungen auf das ganze Flusssystem.

Prof. Christiane Zarfl, Uni Tübingen

Durch die Weiterentwicklung der Infrastruktur für eine steigende Zahl von Menschen seien Flüsse und ihre Ökosysteme weltweit zunehmend bedroht, so Zarfl weiter. Nur noch 21 der 91 längsten Flüsse der Welt (über 1.000 Kilometern) haben eine direkt Verbindung von der Quelle bis zum Meer. Rund 60.000 große Staudämme gibt es derzeit, mehr als 3.700 Wasserkraftdämme sind geplant oder im Bau, so die Studie. Deren Auswirkungen sind derzeit noch gar nicht abzuschätzen.

83 Prozent der Süßwasserarten verloren

Wenn die Konnektivität von Flüssen gestört wird, beeinflusst das auch deren Ökosysteme. Und bereits frühere Untersuchungen, so die Forscher in ihre Mitteilung, zeigen, wie die biologische Vielfalt der Ökosysteme gefährdet ist. So erlebte die Population der Süßwasserarten im letzten halben Jahrhundert den stärksten Rückgang aller Wirbeltiere: 83 Prozent von ihnen gingen verloren.

Einer der letzten Wildflüsse Europas: der Tagliamento in Friaul, Oberitalien Bildrechte: Christiane Zarfl

Dabei hat sich die internationale Staatengemeinschaft auf dem UN-Gipfel 2015 in ihrer  Agenda 2030 das Ziel gesetzt, auch die wasserbezogenen Ökosysteme zu schützen. Die Forscher hoffen, dass sie mit ihren Daten dazu konkret beitragen können, den Lebensraum Fluss besser zu verstehen und zu schützen, denn die Herausforderungen werden noch größer durch Klimawandel und den Hunger nach erneuerbaren Energien.

Problem: Klimawandel und Energiehunger

Steigende Temperaturen etwa beeinflussen bereits Strömungsmuster, Wasserqualität und Artenvielfalt. Vor dem Hintergrund der großen Eingriffe, die Staudämme darstellen, mahnt WWF-Flussexperte Thieme ein Umdenken an, um die richtige Mischung bei erneuerbaren Energie zu finden.

Während Wasserkraft unweigerlich eine Rolle in der erneuerbaren Energielandschaft spielt, können gut geplante Wind- und Sonnenenergie rentablere Optionen für Flüsse und die Gemeinden, Städte und Artenvielfalt sein, die auf sie angewiesen sind.

Michele Thieme, WWF

Und Stauseen sind noch aus einem anderen Grund problematisch, sagt Studienmitautor Klement Tockner, ehemaliger Professor für aquatische Ökologie an der Freien Universität Berlin, im ORF. Denn sie sind nicht klimaneutral, da "in Stauseen viel CO2 und Methan freigesetzt wird. Vor allem in den Tropen und Subtropen".

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN | Sachsen-Anhalt Heute | 06. November 2017 | 19:00 Uhr