Eine künstlerische Darstellung des Zwergplaneten Quaoar und seines Rings. Quaoars Mond Weywot ist links zu sehen.
Eine künstlerische Darstellung des Zwergplaneten Quaoar und seines Rings. Quaoars Mond Weywot ist links zu sehen. Bildrechte: ESA

Zwergplanet Quaoar Neues Ringsystem im Sonnensystem entdeckt: Größer als Saturn-Ringe

12. Februar 2023, 05:00 Uhr

Alle Gasplaneten in unserem Sonnensystem haben sie: Ringe. Bei Zwergplaneten ist es eher ein seltenes Phänomen. Britische Forscher konnten bei Beobachtungen des Zwergplaneten Quaoar nun Ringe entdecken – und diese sind weiter außen, als sie nach gängigen Theorien sein dürfen.

Wir alle kennen die beeindruckenden Ringe des Saturn. In manchen Nächten können Sie den Gasriesen mit einem Fernglas beobachten und dabei ganz deutlich seine Ringe erkennen. Es hat beinah etwas Magisches und irgendwie Surreales an sich. Doch es ist ganz real und absolut keine Seltenheit. Alle Gasplaneten in unserem Sonnensystem haben ein Ringsystem um sich herum. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung fester Partikel, die so klein wie ein Staubkorn oder zehn Meter groß sein können.

Nun hat ein astronomisches Forschungsteam der britischen Universität von Sheffield ein neues Ringsystem in unserem Sonnensystem entdeckt, das eine Herausforderung für die Theorien zur Ringbildung darstellt. Es handelt sich um ein einzigartiges Ringsystem, das von seinem Planeten viel weiter weg ist als beispielsweise die Ringe des Saturn.

Dieses neu entdeckte Ringsystem umkreist den Zwergplaneten Quaoar. Falls Sie sich jetzt fragen: Quaoar was? Klingt das nicht nach irgendwelchen Samen, die man sich morgens in den Jogurt streut? Das macht nichts, denn Quaoar wurde erst im Juni 2002 entdeckt und wurde damals noch als Asteroid mit dem Namen 2002 LM60 eingestuft. Im November des Jahres wurde der Asteroid dann auf den Namen Quaoar getauft.

Was bedeutet der Name Quaoar? Quaoar ist der Name einer göttlichen Schöpferkraft der nordamerikanischen Tongva-Ureinwohner, die in der Gegend um Los Angeles bis ins nordwestliche Mexiko hinein leben. Es ist eine gestalt- und geschlechtslose, urzeitliche Schöpfergottheit, die die Welt mit Gesang und Tanz ins Leben rief.

Bei der Aussprache wird es heikel. Die Entdecker des Asteroiden wählten die für sie intuitive Aussprache Kwawar. Bei den Ureinwohnern wird die Gottheit aber Qua-o-ar ausgesprochen.

Die Geburtsstunde der Zwergplaneten

Erst am 24. August 2006 wurde der Asteroid von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) als Zwergplanet eingestuft, dem Datum, an dem Pluto seinen Status als neunter Planet in unserem Sonnensystem verlor. Was ist ein Zwergplanet überhaupt? Es gibt drei Kategorien zur Einstufung:

  • Ein astronomisches Objekt, das sich auf einer Bahn um die Sonne befindet und über eine ausreichende Masse verfügt, um durch seine Eigengravitation eine annähernd runde Form zu bilden. Zudem hat dieses Objekt seine Bahn bereinigt – es kommen somit kaum andere Himmelskörper auf seiner Umlaufbahn vor.
  • Es handelt sich um einen Himmelskörper mit den Eigenschaften eines Planeten, der jedoch seine Umlaufbahn nicht bereinigt hat.
  • Kleinkörper wie Asteroiden oder Kometen können ebenfalls ein Zwergplanet sein, wenn ihre Bahn um die Sonne verläuft.

Mit Pluto hat Quaoar noch etwas Weiteres gemein. Beide Zwergplaneten gehören zu den transneptunischen Objekten. Das sind Himmelskörper unseres Sonnensystems, deren mittlere Umlaufbahn jenseits der Bahn des äußersten Gasplaneten Neptun liegt. Da die Umlaufbahnen der Himmelskörper nicht kreisrund, sondern elliptisch sind, werden die sonnenfernste (Aphel) und sonnennächste (Perihel) Bahnentfernung zu einem Wert gemittelt.

Die Planeten des Sonnensystems sind als Bälle dargestellt und liegen auf der Grundlinie eines Fußballtores. Während die Erde ein Fußball ist, ist der Jupioter eine riesige Kugel, die die Höhe des Tores voll ausfüllt. 3 min
Bildrechte: Robert Rönsch/MDR

Die Entdeckung eines neuen Ringsystems im Sonnensystem

Quaoar ist etwa halb so groß wie Pluto und umkreist die Sonne in einer mittleren Entfernung von ungefähr 43,5 Astronomischen Einheiten (AE). Eine Astronomische Einheit entspricht dem mittleren Abstand zwischen Erde und Sonne, also ungefähr 149,6 Millionen Kilometer. Somit ist Quaoar von der Sonne 6,5 Milliarden Kilometer entfernt. Bei Pluto wären es 5,9 Milliarden Kilometer und bei Neptun 4,5 Milliarden Kilometer – um zu Neptun zu gelangen, brauchte die Raumsonde Voyager 2 zwölf Jahre. Das James Webb Weltraumteleskop hat die Die Ringe des Neptun bereits sichtbar gemacht, wie das nachfolgende Bild zeigt.

Planet Neptun mit seinen Ringen, aufgenommen vom James Webb Teleskop
Planet Neptun mit seinen Ringen, aufgenommen vom James Webb Teleskop Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Aufgenommen wurden die nun entdeckten Ringe um Quaoar mit der Hochgeschwindigkeitskamera HiPERCAM, die das Astronomieteam für seine Beobachtung auf das weltgrößte optische Teleskop Gran Telescopio Canarias (GTC) auf La Palma montiert hatte.

Die Ringe sind zu klein und zu schwach, um sie direkt auf einem Bild zu sehen. Stattdessen machten die Forscher ihre Entdeckung durch die Beobachtung einer Bedeckung, bei der das Licht eines Hintergrundsterns von Quaoar auf seiner Umlaufbahn um die Sonne blockiert wurde. Zwar dauerte dieses Ereignis nicht einmal eine Minute, jedoch konnten die Wissenschaftler und Forscherinnen zwei Lichtabfälle beobachten – kurz vor und kurz nach der Bedeckung. Die Forschenden gehen deshalb davon aus, dass Quaoar ein Ringsystem besitzt.

Das merkwürdige Ringsystem von Quaoar

Ringsysteme sind im Sonnensystem relativ selten. Die Gasriesen Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun besitzen welche, ansonsten nur die beiden Kleinplaneten Chariklo und Haumea. Da sich diese Ringsysteme in der Nähe ihres Mutterplaneten befinden, sind Forschende bisher davon ausgegangen, das die Gezeitenkräfte in Koalition zur Nähe verhindern, dass sich aus den Staub- und Steinwolken Monde bilden können. Weiter draußen würde ein Ringsystem somit auf Dauer nicht bestehen können.

Doch Quaoar stellt die Astronomen und Astronominnen vor eine Herausforderung. Dessen Ringsystem befindet sich in einer Entfernung von mehr als sieben Planetenradien. Damit ist es doppelt so weit entfernt wie der bisher angenommene maximale Radius gemäß der sogenannten Roche-Grenze – die äußere Grenze dessen, wo sich Ringsysteme theoretisch befinden können. Die Hauptringe um Saturn liegen beispielsweise innerhalb von drei Planetenradien.

Jeder lernt schon als Kind von den herrlichen Ringen des Saturns, und wir hoffen, dass diese neue Entdeckung weitere Erkenntnisse über ihre Entstehung liefert.

Vik Dhillon, Mitautor der Studie

Der Zwergplanet Quaoar hat einen Durchmesser von circa 1.110 Kilometern und seine Roche-Grenze liegt 1.225 Kilometer über seiner Oberfläche. Der Ring von Quaoar befindet sich jedoch in einer Entfernung von 3.545 Kilometern. "Unsere Entdeckung deutet darauf hin, dass diese Grenze nicht in jedem Fall festlegt, bis wohin ein Ring überleben kann", heißt es in der Studie.

Eine schematische Darstellung des Ringsystem von Zwergplanet Quaoar. Es zeigt links den Zwergplaneten mit der Roche-Grenze, dem Bereich, bis zu dem Ringsysteme bei ihren Mutterplaneten nach bisherigen Annahmen maximal reichen. In grün wird die Umlaufbahn des Mondes Weywot dargestellt, das Ringsystem findes sich außerhalb von dessen Umlaufbahn.
Eine schematische Darstellung des Ringsystems von Zwergplanet Quaoar. Es zeigt links den Zwergplaneten mit der Roche-Grenze, dem Bereich, wo Ringsysteme bei ihren Mutterplaneten nach bisherigen Annahmen maximal reichen. In grün wird die Umlaufbahn des Mondes Weywot signalisiert, das Ringsystem findes sich außerhalb dessen Umlaufbahn. Bildrechte: B. E. Morgado, B. Sicardy, F. Braga-Ribas, J. L. Ortiz, H. Salo, F. Vachier, J. Desmars, C. L. Pereira, P. Santos-Sanz, R. Sfair, T. de Santana, M. Assafin, R. Vieira-Martins, A. R. Gomes-Júnior, G. Margoti, V. S. Dhillon, E. Fernández-Valenzuela, J. Broughton, J. Bradshaw, R. Langersek, G. Benedetti-Rossi, D. Souami, B. J. Holler, M. Kretlow, R. C. Boufleur, J. I. B. Camargo, R. Duffard, W. Beisker, N. Morales, J. Lecacheux, F. L. Rommel, D. Herald, W. Benz, E. Jehin, F. Jankowsky, T. R. Marsh, S. P. Littlefair, G. Bruno, I. Pagano, A. Brandeker, A. Collier-Cameron, H. G. Florén, N. Hara, G. Olofsson, T. G. Wilson, Z. Benkhaldoun, R. Busuttil, A. Burdanov, M. Ferrais, D. Gault, M. Gillon, W. Hanna, S. Kerr, U. Kolb, P. Nosworthy, D. Sebastian, C. Snodgrass, J. P. Teng & J. de Wit

Studie

Die Studie mit dem Titel "A dense ring of the trans-Neptunian object Quaoar outside its Roche limit" (engl. Ein dichter Ring um das transneptunische Objekt Quaoar außerhalb seiner Roche-Grenze) wurde am 8. Februar 2023 im Fachmagazin Nature publiziert.