Prognose: Eisbären sterben bis 2100 aus

21. Juli 2020, 10:49 Uhr

Sie gelten als die zweitgrößten Landraubtiere der Welt. Doch weder ihre Größe noch ihr dickes Fell wird ihnen etwas nutzen. Nach einer aktuellen Prognose von kanadischen Forschern sterben Eisbären in den nächsten 80 Jahren aus. Selbst die Fähigkeit der Eisbären lange zu fasten, scheint nicht mehr viel zu nutzen. Den Wissenschaftlern zufolge ist sie längst ausgereizt.

Zwei Eisbären  auf Felsen
Eisbären jagen ihre Nahrung auf dem Packeis. Schmelzen die Eisschollen, müssen sie auf das Land flüchten. Dort gibt es jedoch nur wenig Nahrung. Bildrechte: MDR/NDR/ArticKingdom.com

Eisbär Knut aus dem Berliner Tiergarten galt als der berühmteste Eisbär Deutschlands. Er war so beliebt, dass ihn Spielwarenhersteller als Kuscheltier kreierten, das bis heute in vielen Läden gekauft werden kann. Auch sonst verzücken die Bären mit dem weißen Fell, besonders ihr Nachwuchs. Dabei handelt es sich bei Eisbären um große Raubtiere ohne natürliche Feinde - eigentlich ideale Voraussetzungen für ein langes Überleben ihrer Spezies. Die Realität sieht jedoch anders aus: Eisbären sind vom Aussterben bedroht. Weil sie von der Jagd auf dem Packeis leben, schmilzt ihnen buchstäblich die Lebensgrundlage weg.

Rückgang des Eises zwingt die Tiere an das Land

Dieses von vielen Forschern schon lange prognostizierte Aussterben könnte jedoch schon viel früher passieren als ursprünglich angenommen. Forscher der kanadischen University of Toronto schätzen, dass die Bären vielleicht schon in den 80 Jahren verschwinden könnten. "Das Überleben der meisten Eisbären-Subpopulationen in der Arktis könnte bis zum Jahr 2100 gefährdet sein", schreiben die Forscher in einem Artikel für das Fachmagazin "Nature Climate Change". Der durch die globale Erwärmung verursachte Rückgang des Meereises zwinge die Tiere an Land. Dort würde ihnen die Nahrung entzogen. Um zu überleben, müssten sie von ihrem eingelagerten Fett leben. Das funktioniere jedoch nur für eine begrenzte Zeit.

Unter Eisbären - Abenteuer in Russlands Arktis
Besonder kleine Eisbären gelten als niedlich. Doch die großen Eisbären sind Raubtiere ohne natürliche Feinde. Bildrechte: HR/NDR/Naturfilm

Eisbären leben im Sommer von eigenen Fettreserven

Dass Eisbären im Frühling und Sommer von ihren Fettreserven leben, gehört zu ihrem Konzept und ist nicht neu. Mit dem Tauwetter beginnt das Packeis im Süden zu schmelzen, die Bären wandern den Robben – ein Großteil ihrer Nahrung –  in den Norden hinterher. Dabei entstehen Nahrungslücken, die sie durch "Fasten" und mit Hilfe ihrer Reserven überbrücken. Durch den Klimawandel zieht sich das Eis jedoch immer schneller zurück. Vor allem Eisbären der südlichen Populationen können dem raschen Rückzug des Eises oft nicht folgen und "stranden“ schließlich auf dem Festland.

Jedes Fasten hat ein Ende

Doch wie können Wissenschaftler berechnen, in welcher Zeit die Eisbären aussterben können? Für die Studie schätzen die kanadischen Wissenschaftler die Schwellenwerte dafür ein, wie lange Eisbären fasten können, bevor das Überleben von Jungtieren und Erwachsenen rapide abnimmt. Dabei fanden sie heraus, dass solche Schwellenwerte möglicherweise bereits in mehreren Teilpopulationen erreicht worden sind. Das heißt: Schon jetzt sind Eisbären akut gefährdet, weil es wenig Futter gibt und ihre körpereigenen Reserven aufgebraucht sind.

Warum die Nahrung der Eisbären vom Packeis abhängt Eisbären verbringen die langen Winter und das Frühjahr auf dem Packeis. In dieser Zeit jagen sie laut dem World Wide Fund For Nature (WWF) Robben und fressen sich große Fettreserven an. Gelegentlich jagen Eisbären auch Walrosse, Weißwale, Narwale, Seevögel und Fische. Das Eis schmilzt jedoch seit Jahren und geht immer weiter zurück. Den Bären fehlt damit die Plattform zum Robbenjagen. Das macht das Überleben, insbesondere für Jungtiere, immer schwieriger. Auf dem Festland finden Eisbären deutlich weniger Beute – dort müssen sie fasten und zehren von ihren Fettreserven.

Besonders gefährdet sind Jungtiere

Besonders gefährdet sind den Wissenschaftlern zufolge die Jungtiere. Das geringste Risiko haben erwachsene Einzelgänger-Weibchen. Damit nicht genug: Sobald die Schwellenwerte erreicht sind, könnte sich das Risiko noch schneller erhöhen. Junge und auch erwachsene Bären würden langfristig geschädigt.

Jungtiere sind grundsätzlich in allen Spezies am meisten in ihrem Überleben gefährdet. Bei Eisbären gilt die Lage jedoch als besonders eklatant. Die Sterblichkeitsrate bei Eisbärenbabys ist generell recht hoch. Nur rund 15 Prozent der kleinen Eisbären überleben ihre ersten zwei Lebensjahre.

Eine Eisbärin mit zwei kleinen Jungtieren liegt im Schnee
Ohne Packeis, keine Jagd und keine Nahrung. Die Eisbären werden durch das Abschmelzen des Polareises akut bedroht. Bildrechte: MDR/NDR/Thorsten Milse

Überleben in weiten Teilen der Arktis unwahrscheinlich

Um die Überlebenschancen zu skizzieren, modellierten die Forscher zwei Szenarien: eines mit hohen Emissionen und weiterhin starkem Klimawandel, eines mit weniger Emissionen und einem moderaten Klimawandel. Für das Szenario mit den hohen Emissionen prognostizierten sie, dass ein Überleben der Bären bis 2100 in "weiten Teilen der Arktis unwahrscheinlich" ist.

Bei moderaten Emissionen könnten mehr Eisbären überleben

Bei moderaten Emissionen (RCP4.5) hingegen könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts mehr Subpopulationen überleben, hieß es. "Das unterstreicht die Notwendigkeit der Eindämmung des Klimawandels, um das Überleben der Eisbären zu sichern."

Wie hoch ist der Energiebedarf von Eisbären?

Bislang war unbekannt, wie hoch der Energiebedarf der Eisbären ist und wie lange sie allein von ihren Reserven leben können. Péter Molnár und seine Kollegen verwendeten dynamische Energiehaushaltsmodelle, mit denen sie den Energiebedarf der fastenden Eisbären bestimmten sowie den Schwellenwert, bei dessen Erreichen das Überleben der Eisbären gefährdet ist. Diese Ergebnisse kombinierten sie mit einem Erdsystemmodell, welches die Anzahl zukünftiger eisfreier Tage prognostizierte.

Prognose gilt für 80 Prozent der Eisbären

Die Studie wurde für 13 Subpopulationen von Eisbären durchgeführt. Sie decken 80 Prozent aller Eisbären ab. Die Autoren weisen jedoch in dem Artikel auf die Grenzen ihrer Forschung hin. Einerseits hätten sie mit einem einzigen Erdsystemmodell nicht die Komplexität aller vorhandenen Wetterprognosen abgedeckt. Andererseits habe es an Daten über den Energiehaushalt mehrerer Subpopulationen gemangelt.

1 Kommentar

Uborner am 21.07.2020

Wieder so ein Orakel welches zu Lebzeiten des Autors nicht revidiert werden kann. Was soll das? Im Moment leben in der russischen und kanadischen Arktis noch sehr viele Eisbären, sie sind nicht vom Aussterben bedroht, sie sind nur gut sichtbar im Gegensatz zu vielen anderen Arten denen es deutlich schlechter geht.