Invasive Arten Jäger wollen exotische Gänse flächendeckend schießen
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29. März 2019, 11:59 Uhr
Sie stammen nicht aus hiesigen Breitengraden, fühlen sich aber trotzdem pudelwohl: Exotische Gänse wie die Nilgans breiten sich rasant aus. Das ist ein Problem für unsere heimischen Arten - vor allem für gefährdete Vogelarten. Deshalb wollen die Jäger jetzt handeln: Sie fordern, Nilgänse flächendeckend bejagen zu dürfen. Und dabei ist das nicht die einzige Gänse-Art, die Sorgen bereitet.
Sie ist einen guten halben Meter groß, hat rotbräunliche Federn und einen charakteristischen braunen Fleck auf dem Auge: Die Nilgans gehört eigentlich nach Nordafrika - hat es sich aber in Mitteleuropa gemütlich gemacht. Schuld daran sind die Europäer selbst, erklärt Wildtier-Ökologe Marten Winter vom iDiv, dem Deutschen Zentrum für Biodiversitätsforschung in Leipzig:
Die Nilgans ist oft zu Schauzwecken eingeführt worden. Vor allen Dingen in Holland war das der Fall. In Deutschland gab's da auch ein paar wenige Parks, in denen sie gehalten wurde - und da ist sie dann ausgebüxt. In Holland ist sie auch aus den Parks ausgebrochen und hat sich über die deutsche Grenze weiter ausgebreitet.
Dem deutschen Jagdverband zufolge meldeten 2017 mehr als ein Drittel der Jagdreviere ein Nilgans-Vorkommen - 70 Prozent mehr als noch vor acht Jahren. Neben der afrikanischen Nilgans fühlt sich auch die nordamerikanische Kanadagans recht wohl in Deutschland. Sie breitet sich dem Jagdverband zufolge sogar noch schneller aus: 2017 meldeten die Jäger Winter zufolge ein Vorkommen in knapp einem Viertel der Reviere - knapp 90 Prozent im Vergleich zu 2009. Die Zahl der Gänse unterscheidet sich aber regional, erklärt Ökologe Winter:
Die Nilgans ist definitiv hier etabliert. Bei der Kanadagans ist das ähnlich in geringeren Zahlen. Hier im Sendegebiet kann man auf jeden Fall die Nil- und die Kanadagans beobachten.
Das ist auch gar nicht so schwierig: Die Gänse lassen sich gern in großen Gruppen auf Feldern und am Wasser nieder.
Das ärgert allerdings nicht nur Bauern und Fischer, sondern auch andere Vogelarten. Die exotischen Gänse gelten nämlich als invasive Arten. Das heißt, sie verdrängen heimische Arten, weil sie mit ihnen um Nahrung und Nistplätze konkurrieren. Die Gänse sind dabei nicht gerade zimperlich: Sie vertreiben sogar Greifvögel und Störche aus dem Nest.
Die sind sehr konkurrenzkräftig und vor allem aggressiv anderen Arten gegenüber. Es sind ja wirklich große, schwere Tiere, und dass sie Rotmilane aus dem Horst vertreiben, ist schon ein Zeichen dafür, dass die relativ aggressiv und konkurrenzstark sind.
Der Naturschutzbund (NABU) dagegen schätzt die ökologische Schädlichkeit der Nilgans in Deutschland als eher gering ein. Es gebe bisher keine eindeutigen Belege dafür, dass sie andere Vogelarten verdrängen würde. Auch sei die Nilgans kaum aggressiver als andere Wasservögel.
Sogar die Europäische Union die Nilgans im Visier: Sie steht auf der Liste der invasiven Arten, die in Europa nicht erwünscht sind.
Das heißt, Deutschland hat eine Pflicht, etwas gegen ihre Verbreitung zu tun, erklärt Wildtier-Ökologe Winter. Da sie als etabliert gelte, müssten geeignete Management-Maßnahmen umgesetzt werden. Eine Möglichkeit ist, die Gänse zu bejagen. In Anbetracht der schieren Anzahl möchte der Deutsche Jagdverband genau das tun - und zwar flächendeckend in ganz Deutschland, erklärt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband.
Wir haben erst in neun Bundesländern eine Jagdzeit auf die Nilgans und die Jagdzeit variiert zwischen drei und sechs Monaten, je nach Bundesland. Das macht keinen Sinn. Wir fordern eine einheitliche Regelung - also eine maximale Jagdzeit, um den Bestand zu reduzieren.
Eine nachvollziehbare Forderung, meint Ökologe Winter, denn natürlich machen die Gänseschwärme keinen Halt vor Ländergrenzen. Außerdem seien unsere Winter zu mild, um die Populationen zu verringern. Aber muss man die Tiere dazu töten? Das wäre wohl die einfachste und schnellste Methode, meint der Wildtier-Fachmann. Bei Vögeln, die ständig ihren Standort wechseln, bleiben nur wenige Möglichkeiten, erklärt Winter.
Man kann die nicht einfangen und sterilisieren. Das ist bei Vögeln viel zu aufwändig - wenn das überhaupt geht, das hab ich auch noch nicht gehört. Aus meinem Verständnis heraus gibt es keine anderen Management-Methoden als sie zu verscheuchen oder zu bejagen, was in den allermeisten Fällen zu schießen heißt.
Und das Vergrämen - also das Verscheuchen der Tiere - sei auch nicht immer sinnvoll. Tatsächlich seien die Jäger diejenigen, die am besten beurteilen könnten, ob der Abschuss notwendig sei oder nicht. Sie beobachteten dauerhaft die Bestände und seien meist die Experten für ihre Ökosysteme.
Dieses Thema im Programm: MDR aktuell Radio | 25. Januar 2019 | 17:50 Uhr