
Sommernachtsspektakel Glühwürmchen: Schneckenjäger für den Garten?
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27. November 2020, 16:38 Uhr
Wenn wir im Sommer Glühwürmchen sehen, sehen wir eigentlich ihr Abschiedsglühen. Drei Jahre lange leben sie als Larven am Boden, vertilgen Schnecken und verkriechen sich tagsüber im warmen, feuchten Laub. Dann glühen sie ein paar Nächte lang in der Hoffnung auf eine Paarung, bevor sie sterben. Aber was machen eigentlich die heißen, trockenen Sommer mit den Glühwürmchen-Populationen?
Es ist ein stilles Schauspiel, das wir in lauen Sommernächten bis Ende Juli abends im Wald bewundern können: den Tanz der Glühwürmchen. Zu Hunderten und manchmal Tausenden flirren und blinken sie mit Anbruch der Dunkelheit durch die Nacht.
Die Männchen der Glühwürmchen oben in der Luft, die Weibchen unten am Boden. Denn bei dieser Art können nur die Männchen Multitasking: Fliegen, leuchten, nach Weibchen gucken. Die Weibchen dagegen hocken auf Blättern oder Gräsern am Boden, wo sie munter leuchten, um Männchen mit ihrem chemischen Leuchtfeuerwerk herbei zu locken. Die wiederum lassen sich aus luftiger Höhe dann zielgenau auf das blinkende Weibchen plumpsen. Denn Herr Glühwurm weiß: Wenn Frau Glühwurm da unten auf einem Halm leuchtet, will sie sich fortpflanzen.
Glühwürmchen: Wie lange und oft sie blinken und leuchten
Wer als Mensch ganz genau hinschaut, sieht sogar, dass einzelne Leuchtpunkte verschieden lang andauern. Über Leuchtdauer und Rhythmus "morsen" sich Männchen und Weibchen zusammen. Daran können sie - im Gegensatz zu uns Menschen - blitzschnell unterscheiden, ob sie sich auch wirklich zum richtigen Licht hingezogen fühlen, denn glühender Leuchtpunkt ist nicht gleich glühender Leuchtpunkt. "Es gibt 2.000 Arten von Leuchtkäfern und in unseren Breitengraden leben drei verschiedene", erklärt Dr. Matthias Nuß vom Senckenberg-Institut in Dresden.
Die drei Leuchtkäferarten sind Glühwürmchen, großer Leuchtkäfer und Kurzflügelleuchtkäfer. Sie leuchten nicht nur verschieden lang und intensiv. Auch wer leuchten kann oder fliegen, ist je nach Insektenart unterschiedlich:
Beim Kurzflügelleuchtkäfer können beide Geschlechter nicht fliegen und leuchten. Beim großen Leuchtkäfer kann das Männchen fliegen – aber nicht leuchten, das Weibchen dagegen kann sehr stark leuchten. Und beim Glühwürmchen können beide Geschlechter leuchten – aber nur das Männchen fliegen.
Sex geht vor Nahrung
Die lauen Nächte sind für Glühwürmchen der spektakuläre Höhepunkt eines dreijährigen Lebens als Larve. Nur sieben bis zehn Tage verbringen sie nicht als Larve, einmal abgesehen von der zweiwöchigen Verpuppungszeit. Kein Wunder also, dass sie ihre kurze Zeit als Käfer nicht mit Futteraufnahme vergeuden, sondern zum Fortpflanzen und Eier legen nutzen. Kurz nach der Paarung sterben die leuchtenden Insekten und eine nächste Generation wächst heran.
Glühwürmchen: Ihre Eier leuchten auch, aber schwach
Auch die Eier der neuen Generation leuchten schwach. Die Weibchen legen nach der Paarung meist sechzig bis neunzig Stück ab und sterben dann. Ende August schlüpfen die ebenfalls leuchtenden Larven. Auch bei ihnen dient das Licht als Signalfarbe: "Achtung, ich bin giftig!". Dabei sehen die Larven erst mal aus wie lange schmale Asseln, mit orangefarbenen Tupfen an der Seite. Die Larven leuchten auch schwach, auch wieder ein Ablenkungsmanöver für potentielle Fressfeinde, Motto, "Achtung, ich bin ungenießbar". Das funktioniert, weder bei Vögeln noch Ameisen stehen die Leuchtkäfer oder ihre Eier auf der Speisekarte.
Die winzigen Larven sind, obwohl sie nur ein bis zwei Zentimeter groß, alles andere als harmlos, jedenfalls für Schnecken: "Als Larven haben die Glühwürmchen Schnecken zum Fressen gern", sagt Matthias Nuss. Beide mögen es warm, feucht und dunkel, und so begegnen sie sich nachts.
Glühwürmchen-Larven, gefräßige Schnecken-Reiter
Die Larven, die tagsüber im feuchten Laub herabgefallener Bäume verweilen, kommen nachts heraus und gehen auf Schneckenjagd: Ihre Mundfühler verraten ihnen, wo eine Schnecke entlanggeschleimt ist. Dann krabbeln sie auf die Weichtiere, ob Weinberg- oder Nacktschnecke ist den kleinen Jägern dabei völlig egal.
Manchmal bleiben sie auch eine Weile auf ihren Beutetieren sitzen und lassen sich herumtragen, bevor sie sich an die Mahlzeit machen. Dann beißen sie die Schnecken in den Rücken, ein Gift lähmt die Weichtiere und die Würmchen schlagen sich salopp gesagt stundenlang den Bauch voll, bis die Schnecke vertilgt ist. "Einem Menschen würde das Gift nicht gefährlich werden", sagt Insektenforscher Matthias Nuß, "wenn man sich eine Larve auf die Hand krabbeln ließe." Aber wo findet man sie denn überhaupt? "Sie leben am und im Boden unter dem Falllaub. Dort sind sie geschützt vor Witterungseinflüssen. Und wenn es im Winter milde Phassen gibt, also Temperaturen oberhalb von null Grad, sind die Larven auch schon aktiv und bekommen Hunger. Und gehen auf die Jagd nach Schnecken, die sie zum Fressen gern haben."
Leuchtkäfer gegen Schnecken im Garten? Warum das nicht klappt
Im wahrsten Sinne des Wortes. Das klingt toll und wer einen Garten hat und viele Schnecken im Salat, fragt sich unwillkürlich: Warum habe ich eigentlich keine Leuchtkäfer-Larven bei mir im Garten? Die Antwort ist einfach. Glühwürmchen wandern nicht und wechseln auch nicht ihre Habitate. Höchstens zufällig, wenn Eier in einem Bach an eine andere Stelle geschwemmt werden. Erschwerend kommt der Zustand unserer Gärten dazu: Gibt es überhaupt schattige Fleckchen, die mit Laub bedeckt sind, wo es dunkel, warm und feucht ist? Wie steht es mit dem Licht? Gibt es künstliche Lichtquellen im Garten? Die zunehmende Lichtverschmutzung macht auch diesen Insekten zu schaffen.
Was machen heiße, trockene Sommer mit Glühwürmchen?
Ob sich die heißen und trockenen Sommerwochen von 2018 und 2019 auf die Populationen auswirken werden, wird sich frühestens 2021 zeigen. Denn Wälder mit staubtrockenem Laub sind keine guten Habitate für Glühwürmchen, die es zwar warm, aber eben auch feucht mögen. 2007 bis 2009 hatte es in Sachsen ein Glühwürmchenmonitoring gegeben, bei dem eine Glühkäfer-Bestandsaufnahme im Freistaat Sachsen gemacht wurde. Im Seusslitzgrund bei Meißen hatte es damals viele tausend Glühwürmchen gegeben. 2019 waren dort kaum noch Glühwürmchen gefunden worden, weiß Insektenforscher Nuß:
Tatsächlich ist es dort in dem Buchenwald so, dass das Laub staubtrocken ist. Wir vermuten hier einen Zusammenhang mit der Trockenheit. Deshalb erwarten wir, dass an einigen Standorten, wo auch im Boden kein Wasser mehr ist, die Glühwürmchen-Bestände zurückgehen.
Die Zeit wird zeigen, ob sich die Glühwürmchenbestände langfristig verringern oder vielleicht auch lokal Richtung Dänemark ausbreiten. Angesichts wärmerer Sommer sei das denkbar, sagt Nuß. Bislang gibt es so hoch im Norden keine Leuchtkäfer. Aber dazu müssten sie überhaupt erst einmal dahin kommen und wanderfreudig sind die flirrenden "Nachteulen" ja trotzdem nicht nicht. Derzeit checkt jedenfalls eine junge Nachwuchswissenschaftlerin für eine Schularbeit, welche Glühwürmchenstellen aus der Monitoringzeit in Sachsen noch mit Glühwürmchen und Leuchtkäfern besiedelt sind.