MobilitätSorglos tanken dank künstlicher Fotosynthese
Eine eigene Wasserstofftankstelle in der Garage, die niemals leer wird und dazu ein Auto mit entsprechender Brennstoffzelle - so könnte Mobilität künftig aussehen. Künstliche Fotosynthese soll es möglich machen. Ein Forscherteam aus den USA und Deutschland arbeitet an dieser Vision und hat dafür Mutter Natur auf die Finger geschaut. Dabei geht es jedoch nicht nur ums Autofahren, sondern darum Sonnenenergie grundsätzlich unbegrenzt zu speichern.
Eine verlockende Vision. Der Mensch löst sein Energieproblem, indem er das tut, was die Natur vorgibt: Mit der Energie der Sonne Wasserstoff gewinnen. Wie das funktionieren kann, erforscht Physiker Thomas Hannappel von der Technischen Universität in Ilmenau derzeit gemeinsam mit seinen Kollegen. Sollte es gelingen, liegen für ihn viele Vorteile auf der Hand:
Dann hat man Energie, die speicherbar und überall einsetzbar ist, die auch Mobilitätsansprüche erfüllt. Der ursprüngliche Brennstoff, den die Natur seit sehr vielen Millionen, sogar Milliarden Jahren selbst erzeugt, ist eben der Wasserstoff.
Prof. Thomas Hannappel | TU Ilmenau
In den Augen der Wissenschaftler ist das der Stoff, der die Energiewende überhaupt erst möglich macht. Denn es gibt ihn in unendlichen Mengen. Wir brauchen ihn nur einfangen, in Brennstoffzellen in Energie umwandeln und damit einen Motor antreiben. Den vom Zug, vom Bus, vom Auto, oder auch vom Blockheizkraftwerk, das unten im Keller steht und das Haus beheizt. Thomas Hannappel will dafür gemeinsam mit Forschern aus den USA und dem Helmholtz Zentrum in Berlin direkt einen Prozess aus der Natur imitieren: die Fotosynthese.
In den Blättern der Pflanzen wird Wasser gespalten. Das Wasser kommt aus der Erde, geht in die Blätter, und dort findet dann die Fotosynthese statt.
Prof. Thomas Hannappel
Das Geheimnis liegt im künstlichen Blatt
Statt eines natürlichen Baumblattes nutzen die Forscher Halbleiteroberflächen. Da seien noch ein paar Raffinessen dran, aber das Kernelement seien Halbleiter. Auch herkömmliche Solarzellen bestehen aus Halbleitern. Allerdings gewinnen die Energie und keinen Wasserstoff. Die Zellen für die künstliche Fotosynthese hingegen schon. Sie sind hauchdünn, dünner als ein Blatt.
Das künstliche Blatt braucht kein einziges Stromkabel. Mann muss es einfach ins Wasser legen, dann muss Licht drauf fallen, und schon erzeugt es Wasserstoff und Sauerstoff. Es ist also überall einsetzbar.
Prof. Thomas Hannappel
Die Energie, also das Licht für die Fotosynthese wird mit Tandem-Solarzellen eingefangen, die die Wissenschaftler in das künstliche Blatt mit eingebaut haben. So können sie ein größeres Sonnenlichtsprektrum einfangen und mehr Energie für den Prozess gewinnen. Eine weitere Herausforderung waren die unterschiedlichen Materialien, die die Fotosynthese ermöglichen. Immerhin müssen sie viele Jahre im Wasser liegen, ohne zu korrodieren. Elektrochemiker Prof. Andreas Bund gewährt einen kleinen Einblick:
Das ist ein Spaziergang durchs ganze Periodensystem. Titandioxid, Aluminium, Indium, Phosphit, Gallium, Arsenit und Ruthenium-Oxid. Das sind Materialien, die zum Teil teuer sind, aber für diese Anwendung sehr effektiv.
Prof. Thomas Bund | TU Ilmenau
Neuer Effizienzrekord
Effektiv heißt, sie halten gerade mal 100 Stunden durch. Dann beginnen einige Materialien an den Rändern zu rosten. Aber 100 Stunden seien vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Auch die Energieausbeute sei ein großer Erfolg. 19 Prozent Effizienz verkünden die Ilmenauer. Das habe bisher niemand geschafft.
Die Entwicklung stagnierte praktisch 17 Jahre lang. 2014 konnten wir die Effizienz erstmals auf 14 Prozent steigern und jetzt sogar auf 19 Prozent und das ist sicher schon eindrucksvoll.
Prof. Thomas Hannappel, Physiker
Bei dieser Berechnung gehen die Forscher von 1000 Watt Ausgangsleistung auf einen Quadratmeter aus. Das leiste die Sonne an einem normalen Sonnentag. Also beträgt die Ausbeute 190 Watt. Damit sind die Forscher effizienter als die Natur.
Aber die Natur darf sich eine niedrige Effizienz erlauben, dafür überzeugt sie mit Wachstum.
Prof. Thomas Hannappel
Die künstliche Fotosynthese gilt als eine der anspruchsvollsten Aufgaben in der Chemie. 1912 machte erstmals ein italienischer Chemiker auf deren "zivilisatorische Vorzüge" aufmerksam. Dann war das Thema wieder vom Tisch. Erst 60 Jahre später wagten sich Forscher wieder heran. Seitdem wurde der Wirkungsgrad mehr und mehr gesteigert, auf 19 Prozent.
Bundesregierung fördert ForschungsarbeitAuch die Politik sieht in der künstlichen Fotosynthese einen möglichen Faktor einer erfolgreichen Energie- und Rohstoffwende. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor, die am 28.02.2019 veröffentlicht wurde. Allerdings sieht sie noch einen weiten Weg bis zur Markteinführung. Derzeit sei lediglich die Machbarkeit bewiesen. Bis zur wirtschaftlichen Nutzbarkeit müsse noch viel Innovationsarbeit geleistet werden, vor allem in Zusammenarbeit mit der Industrie. Diese sogenannte Verbundforschung wird von der Bundesregierung gefördert. Für das Bundesministerium für Bildung und Forschung ist die künstliche Photosynthese ein Forschungsschwerpunkt.
Wasserstofftankstelle zu Hause in Sicht?
Wasserstoffproduktion im eigenen Keller ist für Thomas Hannappel die logische Folge. Auch wenn er einräumt, dass es noch etwa 10 Jahre dauern kann, bis die Zellen entsprechend ausgereift sind. Dann ist für ihn die Fotosynthese auf jeden Fall konkurrenzfähig, auch im Einsatz als heimische Tankstelle.
Wenn die Sonne scheint, müsste man Drucktanks mit dem gewonnen Wasserstoff befüllen. Und braucht man Elektrizität, wird der Wasserstoff in der Brennstoffzelle in Strom umgewandelt.
Prof. Thomas Hannappel
Künstliche Blätter als CO2-Fresser
Die Physiker Matthias May (Helmholtz-Zentrum Berlin) und Kira Rehfeld (Universität Heidelberg) sehen in der künstlichen Fotosynthese auch die Chance, unsere Erdamtosphäre von CO2 zu entlasten. Der Vorteil gegenüber den Aufforstungen, die ebenfalls C02 binden: Es geht schneller und funktioniert auch auf kleineren, weniger fruchtbaren Flächen.
May und Rehfeld haben berechnet, wieviel Wald man aufforsten müsste, um jährlich 10 Gigatonnen CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen. Soviel ist nötig, um bei einem mittleren Szenario die Klimabilanz noch auszugleichen. Das Ergebnis: Eine Fläche von der Größe Europas müsste es schon sein, die dann auch für die Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stünde.
Für die künstliche Fotosynthese wäre ein Areal so groß wie Brandenburg ausreichend. Das könnte sogar in der Wüste liegen, denn bei den von May und Rehfeld avisierten Modulen würde kaum Wasser benötigt. Denn den beiden Forschern geht es nicht um die Erzeugung von Wasserstoff, sondern darum, CO2-Moleküle zu binden und in stabile chemische Verbindungen umzuwandeln. Diese könnten dann weiterverarbeitete werden, zu festen Materialien reagieren und sogar in Form von Kunststoff als Baumaterial genutzt werden. Auch wenn all das in ein paar Jahren möglich sein wird, sieht Matthias May den Schlüssel zur Lösung des Klimaproblems vor der Haustür:
Das Beste wäre, jetzt sofort die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren, das wäre sicherer und viel billiger.
Matthias May | Helmholtz-Zentrum Berlin
AF/KRM
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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 24. März 2019 | 09:20 Uhr