Neue Krankheiten und frühe Blüte Forscher in Dresden machen Obstbäume fit für den Klimawandel

01. September 2019, 05:00 Uhr

Forst- und Landwirte stöhnen über die Folgen der Trockenheit für ihre Branche. Auch wer Obst anbaut, bekommt zunehmend Probleme. Zwar reifen die Früchte unter der Sonne prächtig, doch die Wetterextreme nehmen zu und Pflanzenkrankheiten breiten sich aus. Forscher und Obstbaumexperten müssen reagieren.

Dresden-Pillnitz ist das Zentrum der deutschen Obstbaumzüchtung. Woran hier am Julius Kühn-Institut (JKI), dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, gearbeitet wird, erklärt Institutsleiter Prof. Dr. Henryk Flachowsky:

Wir forschen daran, wie Merkmale von Obstbäumen vererbt werden und wie wir dieses Wissen nutzen können, um künftig Sorten zu züchten, die eine gute Qualität liefern, die mit den sich ändernden Klimabedingungen und Bedingungen im Anbau klarkommen.

Prof. Dr. Henryk Flachowsky, JKI

Und das, so Flachowsky, ist ein wichtiger Baustein, "um Obstbau in 50 oder 100 Jahren hier noch gewährleisten zu können". Denn die Züchter machen sich große Sorgen. Während sie nach Lösungen für die Zukunft suchen, geht das Wissen um die Obstbäume, um die Pflanzen in unseren Gärten, immer weiter zurück, sagt Flachowsky und klingt dabei resigniert:

Prof. Dr. Henryk Flachowsky im Innenhof des Julius-Kühn-Institutes Dresden
Bildrechte: Maren Beddies

Das liegt einfach an unserer Gesellschaft. Es gibt immer weniger Gärten, wo noch Obst angebaut wird und demzufolge gibt es immer weniger Leute, die sich damit beschäftigen und dann natürlich auch mit Krankheiten auskennen.

Prof. Dr. Henryk Flachowsky

Wer sich damit beschäftigt, findet in Gartencentern und Baumärkten eine große Palette an Pflanzenschutzmitteln, die die Forschung in den letzten Jahren entwickelt und verbessert hat. Und auch Obstbäume, die sich als resistent erwiesen haben gegenüber Krankheiten. Solche Sorten zu züchten, das ist eine der Aufgaben des JKI – "ein langwieriges Geschäft", wie Flachowsky erklärt.

Im Idealfall brauchen wir so 20 bis 25 Jahre. Wenn wir komplexere Züchtungsprogramme haben, dann kann das auch mal 40 bis 50 Jahre dauern.

Prof. Dr. Henryk Flachowsky

Und genau das, sagt Flachowsky, sei der Grund, warum Züchtung staatlich organisiert ist. Wissenschaftlich fundierte Züchtungsprogramme gibt es daher seit fast 100 Jahren.

1.000 Apfelsorten im Bestand

Das Bundesforschungsinstitut in Dresden-Pillnitz arbeitet dabei mit den gängigsten Obstbaumarten – vor allem aber mit Apfelbäumen, weil die hierzulande am häufigsten angebaut werden. Die Forscher können auf eine Obstgenbank mit über 1.000  Apfelsorten zurückgreifen – darunter viele Wildarten. Angebaut werden rund 850 Apfelsorten, um deren Entwicklung, mögliche Krankheitsanfälligkeiten und Klimastabilität beobachten zu können.

Was uns Probleme macht ist, dass zum Beispiel die Winter milder geworden sind, dass wir eine Verschiebung der Zeit der Blüte haben.

Prof. Dr. Henryk Flachowsky

Denn wenn die Blüte früher stattfindet ist das Risiko für Frühjahrsfröste größer, erklärt Flachowsky. "Das heißt, wir müssen daran arbeiten zu verstehen, wie die Blütenentwicklung genetisch reguliert ist."

Bäume sollen später blühen

Was aktuell bedeutet, Sorten zu züchten, die rund anderthalb Wochen später in die Vollblüte kommen. Und eben Sorten zu entwickeln, die mit altbekannten Krankheiten wie Mehltau oder Schorf zurechtkommen, aber auch gegen neu auftretende Symptome wie die Blattfallkrankheit resistent sind.

Züchtungen des Julius Kühn-Instituts werden im benachbarten Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) in Dresden-Pillnitz getestet. Obstbaumexperte Christian Kröling erklärt:

Christian Kröling steht in einer Obtsplantage
Bildrechte: Maren Beddies

Es gibt mittlerweile Sorten, die gegen Blutläuse, Apfelschorf, Apfelmehltau und gegen Feuerbrand sehr tolerant sind. Das sind neue Sorten und mittlerweile gibt es da auch Sorten, die recht wohlschmeckend und die dann auf jeden Fall auch für den Haus- und Kleingarten geeignet sind.

Christian Kröling, LfULG

Trotzdem, betont auch Christian Kröling, sollten alle Obstbäume beobachtet und gegebenenfalls behandelt und beschnitten werden, damit sich Krankheitserreger nicht ausbreiten. In diesem Jahr sind besonders Kirsch- aber auch Apfelbäume von der Monilia betroffen – einer Fruchtfäule und Spitzendürre:

Wir hatten dieses Jahr zur Blüte relativ warmes Wetter und dann kam, nach dem Blühbeginn, eine kurze Regenphase. Und das ist ideal für den Pilz.

Christian Kröling

Trotz Pflanzenschutzmaßnahmen hat es der Erreger also geschafft, so Kröling, "eine relativ gute Infektion hinzubekommen. Und wenn ich im Garten nichts dagegen mache, dann sehe ich das häufiger."

Alte Bücher lesen, kann helfen

Der Obstbaumexperte empfiehlt, das Fallobst wegzuräumen, abgestorbene Pflanzenteile bis zu 20 Zentimeter ins gesunde Holz zurückzuschneiden und die Bäume vorm Blütenaustrieb im nächsten Frühjahr mit zugelassenen Schwefelpräparaten gegen die Pilzkrankheit zu spritzen. Außerdem hin und wieder einen gedruckten Ratgeber statt das Internet zu bemühen:

Das meiste lernt man tatsächlich aus alten Büchern. Da sind die Grundlagen drin. Wenn man nur auf diese neuen Entwicklungen pochen würde und das alte Wissen negieren, dann werden definitiv auch Effekte auftreten, mit denen man nicht gerechnet hat.

Christian Kröling

Wissen aus alten Büchern ist ein großer Schatz auch für heutige Forscher, ist Kröling überzeugt. "Bei so einem Buch da haben sich früher mehrere Leute Gedanken gemacht, da gab es eine Redaktion, die hat da nochmal drüber geguckt. Also das Wissen, das in diesen alten Büchern steht, ist extrem wertvoll."

Wer überdies die Experten persönlich zu Obstbaumkrankheiten befragen will: Am 12. Oktober findet in Dresden-Pillnitz wieder der alljährliche Apfeltag statt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 01. September 2019 | 09:20 Uhr