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Forschung GaterslebenDie besten Weizeneltern: Genetisch möglichst unterschiedlich, aber mit gleichen Vorlieben

05. Juli 2020, 05:00 Uhr

Was macht eine gute Partnerschaft aus? Gemeinsame Vorlieben sind wichtig, würde vielleicht manch einer antworten, aber auch Unterschiede, damit es spannend bleibt. Und das gilt auch für die Pflanzenwelt: Je diverser in der Genetik, desto besser.

von Angela Fischer

Wenn sich Pflanzen ihren Partner selbst aussuchen könnten, dann würden sie mit Sicherheit die Pflanze nehmen, die ihre Nachkommen besonders überlebensfähig macht. Genau das tut auch der Mensch, wenn er in die Pflanzenkreuzung eingreift. Doch bis vor Kurzem wusste auch der eigentlich gar nicht, was für die Pflanze der ideale Partner ist. Forschungen aus Gatersleben zeigen jetzt: Je weiter die Pflanzen-Eltern genetisch voneinander entfernt sind, desto leistungsstärker ist der Hybrid. Dr. Jochen Reif vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben erläutert das:

Leistungsstärker heißt in dem Fall, dass hohe Erträge mit einer Pflanze zu erzielen sind. Natürlich braucht man in Zeiten des Klimawandels eine gewisse Ertragsstabilität, dass also ein Genotyp in der Lage ist, wenn es zu trocken ist, trotzdem damit umzugehen.

Jochen Reif, Pflanzenforscher

Aber es gibt noch andere Parameter, die man berücksichtigt, und zwar die Resistenz gegen biotische und abiotische Stressfaktoren. Abiotische Faktoren - das sind Faktoren wie Trockenheit, Hitze, Kälte. Mit biotischen Faktoren sind zum Beispiel Krankheitserreger wie Pilze gemeint. Wie resistent Pflanzen dagegen sind, ist genetisch bedingt, sagt Reif, der die Abteilung Züchtungsforschung am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben leitet:

Diese Gene unterscheiden sich, was die Buchstabenreihenfolge angeht. Manchmal fehlen Buchstaben, manchmal sind andere Buchstaben in diesem genetischen Alphabet da. Je nach Konstellation sorgt das dafür, dass Pflanzen leistungsstärker oder weniger leistungsstark sind.

Jochen Reif, Pflanzenforscher

Dieses genetische Alphabet von Pflanzen zu lesen, ist noch gar nicht so lange möglich. Besonders schwierig ist das bei der Weizenpflanze, weiß der Professor.

Das genetische Buch einer Weizenpflanze ist riesig. Das große Problem ist, dass man sich da nicht so sicher ist: Welche Auswirkungen haben jetzt Buchstaben oder Worte?

Jochen Reif, Pflanzenforscher

2.000 Varianten für die beste Züchtung

Der genetische Code der Weizenpflanze ist nicht einfach zu knacken. Trotzdem ist dem Forschungsteam in Gatersleben der Durchbruch gelungen. Fünf Jahre lang haben sie an mehr als 2.000 Weizen-Hybriden geforscht, um herauszufinden, wie man Hybridzüchtungen idealerweise aufstellt. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten.

Die erste Option wäre, dass man die beiden Ursprungspopulationen, mit denen man züchtet, immer getrennt hält.

Jochen Reif

So wären sie genetisch möglichst unterschiedlich. Dabei dürfte man Material im Züchtungsprozess bei der Entwicklung von neuen Elternlinien nicht mischen, sagt Reif und fährt fort:

Die zweite Option ist, dass man da ein bisschen legerer ist und mal das eine oder andere Material hin und her schaufelt und damit die Diversität nicht so stark einschränkt.

Jochen Reif

Weritzen-Hybriden haben das größte Potential

Lange Zeit war unklar, welche Option die bessere ist. In den 1960er-Jahren gab es zwei amerikanische Studien, die sehr widersprüchlich waren. Die eine Studie deutete darauf hin, dass die Pflanzen-Eltern genetisch möglichst weit auseinander liegen sollten. Die andere aber zeigte, dass die Leistung der Nachkommen ab einem gewissen Punkt der Diversität wieder abnimmt. Die neuen Ergebnisse aus Gatersleben seien für die Pflanzenzucht sehr positiv, sagt Jochen Reif.

Wir sehen, dass die Hybriden ein riesiges Potenzial haben. Gerade was diese Stresssituationen angeht, also die Dürrejahre zum Beispiel. Es ist also ganz klar ersichtlich, dass Hybriden da besser mit klarkommen.

Sie puffern diese Extrembedingungen besser ab. So ist das auch beim Weizen. Anders als bei Mais, Zuckerrüben oder Roggen, wurde beim Anbau von Weizen bisher aber kaum auf Hybridzüchtung gesetzt. Doch das könnte sich dank der neuen Erkenntnisse aus Gatersleben ändern. Denn jetzt wissen die Forscher: Pflanzeneltern können so weit genetisch auseinander liegen wie möglich. Es gibt kein Optimum, dass man verpassen kann. Einzige Bedingung, so Reif: "Die Elternpopulationen müssen an die Umwelt angepasst sein, in der ihre Nachkommen angebaut werden sollen."

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