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Plastikmüll im MeerSchwimmende Müllschlucker können das Problem nicht lösen

24. August 2020, 17:29 Uhr

Die Story war perfekt: Ein junges Genie aus den Niederlanden rettet die Welt - mit seiner Erfindung, einem schwimmenden Müllschlucker. Der fischt Plastikmüll aus dem Wasser. Ocean Cleanup heißt das Ganze. Das ambitionierte Ziel: 90 Prozent des schwimmenden Plastiks wird so eingesammelt. Wohl kaum, sagt jetzt eine neue Studie. Ocean Cleanup wird nicht hinterherkommen. Wie können wir des Problems Plastik also Herr werden?

von Karolin Dörner

Nordöstlich von Hawaii, mitten im Pazifik stößt man auf eine gewaltige und merkwürdige Insel. 4,5 Mal so groß wie Deutschland soll er sein, der Pazifische Müllstrudel. Hier ist alles aus Plastik: Flaschen, Kisten, Teile aus Fischernetzen, Deckel, all das schwimmt im Ozean und muss wieder raus, nicht nur der Umwelt zuliebe, sagt Agostino Merico, Forscher am Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) in Bremen:

Wir müssen unsere Meere aufräumen. Unsere Meere sind eine Sauerei! Wir wissen genau, dass all das Plastik eine Gefahr ist für marine Ökosysteme, aber auch für die Schifffahrt ist das eine echte Herausforderung. Wir müssen also was machen.

Agostino Merico | ZMT

Die Lösung kommt aus den Niederlanden. Die Meldungen um den jungen Boyan Slat und seine schwimmenden Müllschlucker sorgen nach wie vor für Aufsehen und Hoffnung. Deren Ziel: Ocean Cleanup will 90 Prozent des schwimmenden Plastiks einsammeln und recyceln. Vom Pazifischen Müllstrudel soll innerhalb von fünf Jahren nur noch die Hälfte übrig sein. Zu schön um wahr zu sein, zeigt jetzt eine Studie, an der auch der Ökologe Merico beteiligt war.

Wir haben uns ein sehr optimistisches Szenario angeguckt: Ein Szenario bei dem 200 dieser Müllschlucker eingesetzt werden in einer Zeitspanne von 130 Jahren ohne Pause. Und selbst unter diesen sehr optimistischen Gesichtspunkten ist die Menge des Plastiks, das eingesammelt wird, sehr sehr bescheiden.

Agostino Merico

In Zahlen: Ocean Cleanup hätte dann gerade Mal fünf Prozent des Plastikmülls eingesammelt, der in 130 Jahren in den Meeren rumschwimmt. Nicht das einzige Problem: Selbst wenn wir all das wieder an Land bekommen, was dann? Wo soll es hin? Recyceln hält Agostino Merico für kaum machbar. Auch das zeigt die Studie:

Das meiste kann nicht recycelt werden, weil sich Mikroorganismen auf dem Plastik angesiedelt haben.

Agostino Merico

Und dann wird es schwierig, das richtig zu recyceln, so Merico. "Die anderen Möglichkeiten sind also, den Müll irgendwo zu lagern. Da gibt es immer das Risiko, dass der Müll wieder im Meer landet. Oder man verbrennt es und dann gelangen toxische Stoffe und CO2 in die Luft.“ Alles nicht nachhaltig. Ocean Cleanup wird dem Plastik also nicht Herr werden. Das heißt übrigens nicht, dass die Initiative sinnlos ist. Die Studie sagt vielmehr:

Die Meere zu säubern ist keine simple Lösung. Es wird nicht einfach. Es wird nicht schnell und es wird nicht billig.

Agostino Merico

Ocean Cleanup säubert auch Flüsse

Die Meere sind aber nur ein Teil des Problems. Denn der meiste Plastikmüll stammt aus den Flüssen. Bildrechte: THE OCEAN CLEANUP
Auch dagegen will Ocean Cleanup vorgehen. Mit dem Interceptor 004 ist das vierte Flussboot gerade fertig geworden. Bildrechte: THE OCEAN CLEANUP
Das Plastiksammelschiff ist erst seit Mitte August unterwegs... Bildrechte: THE OCEAN CLEANUP
...auf dem Rio Ozama, Santo Domingo in der Dominikanischen Republik. Bildrechte: THE OCEAN CLEANUP

Und es gibt keine echten Alternativen. Die Forscher fordern deshalb: Schluss mit Plastik! Aber selbst, wenn wir jetzt sofort aufhören würden: Unser heutiges Müllproblem wird uns trotzdem noch Jahrhunderte begleiten, egal womit auch immer wir Plastik ersetzen. Schließlich ist das Plastik, das an der Wasseroberfläche schwimmt nur ein Bruchteil des großen Müllproblems der Meere.

Link zur Studie

Die Studie ist unter dem Titel "The long-term legacy of plastic mass production" in Science of the Total Environment erschienen. Daran beteiigt waren neben dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen und der Jacobs University auch Forschende vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, der University of Exeter in England sowie von der NGO "Making Oceans Plastic Free".

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