Groߟe Netze mit Plastikflaschen
China will keine Plastikberge aus dem Westen mehr. Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Einfuhrverbot von Plastik Wie China die weltweiten Plastikmüll-Ströme verändert

22. Juni 2018, 20:00 Uhr

Plastikmüll wird rund um die Welt verschifft, um ihn zu entsorgen. Lange Zeit war China der weltweit größte Importeur von Kunststoffabfällen. Doch das Land will nicht mehr die Müllkippe der Welt sein: Seit Ende Dezember 2017 gilt ein Einfuhrstopp. Wie das die weltweiten Müllströme verändert, haben US-Forscherinnen der University of Georgia untersucht. Der Müll-Stopp bietet außerdem Chancen für die deutsche Recyclingwirtschaft.

China will nicht mehr die Müllkippe der westlichen Welt sein. Nun hat das Land die Notbremse gezogen: Einfuhrstopp für Müll aus dem Ausland. Stattdessen hat sich die chinesische Regierung vorgenommen, die Abfallverwertung und das Recycling zu professionalisieren - auch aus Umweltschutzgründen. Große Deponien an den Rändern der Städte sind seltener geworden. Ob Plastik, Metall oder andere Stoffe: Jahrzehntelang hatten Europa und Nordamerika ihren Müll einfach nach Fernost verschifft. Was genau damit in China passierte, interessierte dabei niemanden.

Dabei war es eigentlich eine Win-win-Situation für die Chinesen. Die Handelsschiffe, die Waren in den Westen brachten, mussten so nicht leer wieder zurückfahren, sondern hatten den Müll als Fracht, der dann in China wiederverwertet wurde. Doch die Reinigung des Mülls spülte Chemikalien in die Gewässer und das Verbrennen von Restplastik verpestete die Luft, sagt der chinesische Ableger der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Vor fünf Jahren dann ein Umdenken: Denn mit dem wachsenden Wohlstand produziert China immer mehr eigenen Müll, der wiederverwertet werden muss. Seit diesem Jahr dürfen nun viele Müllsorten gar nicht mehr importiert werden - darunter auch mehrere Plastik- und Papiersorten und Textilien.

Einfuhrverbot sorgt für Plastikstau

Das chinesische Müll-Einfuhrverbot hat Folgen für die weltweiten Müllströme. Wie diese im Fall von Plastikmüll genau aussehen, haben Forscherinnen der US-amerikanischen University of Georgia untersucht. Ihre Studie haben sie im Fachmagazin Science Advances publiziert.

Ein Kernergebnis der Untersuchung: Das Problem mit dem Plastikmüll wird sich noch verschlimmern. Bis 2030 werden etwa 111 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Umwelt geraten, errechnen die Forscherinnen. Seit 1992 habe China mehr als 105 Millionen Tonnen Plastik importiert. Das entspreche etwa einem Gewicht größer als 300 Empire State Buildings. Insgesamt waren das 45 Prozent des weltweiten Plastikmülls, schreiben die Forscherinnen.

Die Veränderung von Chinas Politik zwingt die Länder dazu, ihren Umgang mit Plastikmüll zu überdenken. Sie müssen besser auswählen, was sie recyclen wollen und bei der Wiederverwendung von Kunststoffen noch wählerischer sein.

Amy Brooks, University of Georgia

Aber wohin mit dem Plastikmüll, wenn China ihn nicht mehr nimmt? In Europa und Nordamerika hat man sich den Forscherinnenn zufolge einfach neue asiatische Müllkippen gesucht: In Ländern wie Thailand, Vietnam und Malaysia sei der Import seit dem chinesischen Verbot sprunghaft angestiegen. So sehr, dass in diesen Ländern nun auch über ein Einfuhrverbot nachgedacht werde, sagt Studienautorin Brooks. Recycelt wurden nach Studienangaben weltweit ohnehin nur neun Prozent des jemals entstandenen Plastikmülls von 6,3 Milliarden Tonnen. Das meiste Plastik sei jedoch auf Müllkippen oder in der Umwelt gelandet - 80 Prozent in der Natur, 4-12 Millionen Tonnen in den Ozeanen. Der chinesische Importstopp birgt nun die Gefahr, dass sich das insbesondere in Südostasien noch verschlimmern dürfte, schreiben die Forscherinnen.

Europa muss sich kümmern

Den ganzen Plastikmüll, den wir anhäufen, einfach ins Ausland zu verfrachten, kann keine Lösung sein, schreiben die Autoren. Viel mehr sei es wichtig, dass die Exportländer ihren Müll behalten und für seine Entsorgung sorgen - im besten Fall, indem sie das Plastik recyceln. Doch Recycling ist bei Plastikmüll eine Herausforderung, heißt es in der Studie. Denn Plaste ist nicht gleich Plaste: So gebe es eine große Vielfalt verschiedener Produkte, Arten und Zusatzstoffe. Außerdem habe auch das Recycling grenzen, so dass der Müll nicht unendlich häufig wieder verwertet werden könne.

Bisher funktionierte die Recycling-Kette in den reichen Industrieländern stabil, schreiben die Forscherinnen - doch nur, dank des Müll-Exports. Bleibt der Plastikmüll künftig in den Ländern, müsse in die Entwicklung und den Ausbau der Müllverwertungsketten investiert werden. Andernfalls würde der Großteil des bisher exportierten Plastikmülls auf Deponien landen - und das wiederum bedeutet, dass Schadstoffe in Böden und Grundwasser gelangen können.

Eine Chance für Deutschland?

Für die deutsche Recycling-Industrie bietet der chinesische Importstopp sogar Chancen. So haben sich die Exportströme nicht nur in andere, schwächer entwickelte Länder, verschoben. Innerhalb Europas ist Deutschland nach und nach zum Drehkreuz für Plastikmüll geworden und nimmt etwa Müll aus Großbritannien an. Dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung zufolge bleibt aber nur realtiv reiner Plastikmüll in Deutschland und wird recycelt. Der Rest werde weiterverkauft nach Osteuropa. Den Ländern, die Plastikmüll importieren, um ihn zu recyceln, raten die Studien-Autorinnen zu Einfuhrzöllen. Das Geld könne dann in den Ausbau nachhaltiger Müllkreislaufsysteme investiert werden.

Doch beim Großteil des Plastikmülls, den Deutschland nach China geschickt hat, war Recycling kaum möglich: Denn das waren vor allem Einwegkunststoffe - so wie etwa PET-Einwegflaschen, schreiben die Forscherinnen. Da helfe nur: Plastikmüll ganz vermeiden - vor allem Einwegplastik. Denn weltweit hätten sich im vergangenen Jahr unvorstellbare 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmüll aus Verpackungen und Einmalplastik angesammelt. Die Europäische Union - überrascht vom Einfuhrstopp der Chinesen - verfolgt dieses Ziel bereits. So sollen etwa Einweg-Plastik-Produkte verboten werden und auch eine Abgabe bzw. Steuer auf Plastikmüll ist im Gespräch, die die Mitgliedstaaten entrichten sollen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 19. März 2018 | 06:23 Uhr