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Citizen-ScienceBessere Stadtplanung mit Radler-Daten

07. August 2019, 10:20 Uhr

Immer im Sommer konkurrieren deutschlandweit Städte um die meistgefahrenen Fahrradkilometer ihrer Bürger: "Stadtradeln" nennt sich die Aktion. Dresdner Wissenschaftler machen Radler-Daten für die Stadtplanung nutzbar.

Was nützt es schon, ein paar Wochen aufs Rad umzusteigen und das Auto für den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen, Arzt, Schule oder zum Kindergarten stehen zu lassen? Eine klassische Gegenfrage in Gesprächen über die Aktion "Stadtradeln", wer mitmacht und wer nicht. Tatsächlich ist es nützlich für ein paar Wochen umzusteigen, selbst wenn man danach den Drahtesel wieder zum Winterschlaf in den Keller schickt und wieder Auto fährt. Die TU Dresden weidet die Daten der Stadtradler für die künftige Verkehrsplanung aus.

Stadtradeln - was ist das denn?

Aber was ist Stadtradeln eigentlich? Dahinter steckt das europäische Netzwerk Klimabündnis. Die Aktion gibt es immer im Sommer und dient auf den ersten Blick dazu, die fleißigste Radelkommune des Landes zu ermitteln – in Deutschland machen inzwischen mehr als 1.000 Kommunen mit. Sven Lißner, Verkehrsökologe der TU Dresden, kennt die Zahlen:

Im Jahr 2018 haben europaweit 300.000 Aktive etwa 60 Millionen Kilometer zurückgelegt - das entspricht 1.500 Erdumrundungen. Damit wurden laut Klima-Bündnis rund 8.500 Tonnen CO2 eingespart.

Die Aktion birgt aber weit mehr Potential, wie das Beispiel Dresden zeigt. Ein Forschungsteam der TU Dresden macht die Daten der Radler nutzbar für die Planung von Radwegen.

Dass das geht, zeigen Städte wie Kopenhagen, die seit 30 Jahren Radstrecken konsequent mitdenken, planen und bauen. Hier erledigt mehr als ein Viertel die Bevölkerung ihre Wege per Rad. Ohne langfristiges Konzept entstehen allerdings Flickenteppiche, wie wir sie aus Dresden, Leipzig oder Halle kennen: Statt durchgängiger Radstrecken enden Fahrradwege einfach so, zwingen Menschen auf dem Rad zu gefährlichen Einfädelaktionen an Auto-Abbiegerspuren oder Kreuzungen.

Radltertracking per App

Wer beim Stadtradeln mitmacht, kann seine Rad-Kilometer als Einzelperson oder für ein Team zählen lassen und die gefahrenen Kilometer von Hand in ein Formular eintragen. Diese Daten dienen rein der Kilometererfassung. Wer die Stadtradeln-App dagegen auf sein Handy runterladen kann (die funktioniert auf allen neueren Geräten), lässt zu, dass seine Fahrwege registriert werden und nicht nur die nackte Kilometerzahl. Aus diesen Daten lassen sich Radverkehrsströme einer Stadt analysieren und herausfinden, wie groß das Radler-Aufkommen ist und wo Radwege gebraucht werden.

Dr. Philipp Grubitzsch gewinnt aus App-Daten Planungshilfen für die Stadt Bildrechte: MDR/Jürgen Magister

Die Informatiker der TU Dresden erstellen zunächst sogenannte Heat-Maps. Diese Karten zeigen über verschiedene Farben, wie oft verschiedene Radwege und Straßen benutzt werden. Sie geben Stadtplanern Hinweise auf neuralgische Punkte im Wegenetz. Aber die App-Daten verraten noch mehr, sagt Dr. Philipp Grubitzsch, Informatiker, an der TU Dresden:

Man kann den Beschleunigungssensor dazu verwenden, die Oberflächenbeschaffenheit zu ermitteln. Je gröber die Oberfläche ist, umso stärker vibriert das Gerät, ob es am Rad festgemacht ist oder im Rucksack oder in der Hosentasche steckt.

Stadtplanung mit Radlerdaten

Die Stadtplanung arbeitet inzwischen mit ersten Daten des Forschungsteams und die kommen quasi zur rechten Zeit: Bis 2030 wird in Dresden mit einem Bevölkerungswachstum von zehn Prozent bei fast gleichbleibendem Autoverkehr gerechnet. Beim Radverkehr aber wird eine Zunahme von 18 Prozent erwartet. Das stellt die Stadtplanung vor große Herausforderungen. Aber nicht nur Menschen in Dresden können in Zukunft von den Daten "ihrer Stadtradler" profitieren. Alle Kommunen, die beim Stadtradeln mitmachen, sollen ab 2020 solche Planungshilfen bekommen.

Eine Art Kreisverkehr-Brücke für Radler und Fußgänger, über einer gefährlichen Straßenkreuzung in Eindhoven Bildrechte: imago images / Jochen Tack

Dieses Thema im Programm:MDR Fernsehen | MDR um vier | | 26. Juni 2019 | 17:00 Uhr