Visuelle Fähigkeiten Schweine merken sich unsere Gesichter
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"Man sieht sich immer zweimal", lautet ein bekanntes Sprichwort. Wer Schweine schlecht behandelt, sollte ab sofort daran denken. Zwar galten die Tiere bislang als intelligent, aber auch als zu "blöd", sich menschliche Gesichter zu merken. KognitionsforscherInnen der Veterinärmedizinischen Universität Wien haben nun das Gegenteil bewiesen. Sogar Augen und Mund von Menschen dienen ihnen als Gedächtnishilfen. Von wegen: "Dummes Schwein!"
Dass man mit Beschimpfungen wie "blödes Schwein" oder "dumme Sau" zumindest den Schweinen großes Unrecht tut, ist schon länger bekannt. Wissenschaftliche Studien konnten in den zurückliegenden Jahren beweisen, dass die Paarhufer viel lernfähiger sind und über viel größere kognitive Fähigkeiten verfügen, als ihnen bis dahin zugetraut wurde: Schweine haben demnach ein gutes Langzeitgedächtnis, können Bedürfnisse und Absichten anderer Artgenossen antizipieren und sind sogar in der Lage, ihresgleichen bewusst hinters Licht zu führen. Klingt irgendwie alles sehr menschlich.
"Sehtechnische Wahrnehmungsfähigkeit" größer als gedacht
Ein gut ausgeprägtes visuelles Wahrnehmungsvermögen, also etwa die Fähigkeit sich menschliche Gesichter zu merken, wurde Schweinen bislang jedoch abgesprochen. ForscherInnen der Veterinärmedizinischen Universität Wien konnten nun das Gegenteil beweisen. Laut einer Studie von KognitionsforscherInnen der Vetmeduni Vienna ist die "sehtechnische Wahrnehmungsfähigkeit der Schweine" viel größer als bislang angenommen. In einer Reihe ausgeklügelter Sehtests stellten die schweinischen Probanden unter Beweis, dass sie verschiedene menschliche Gesichter und Hinterköpfe selbst nach vorgenommenen Veränderungen immer noch voneinander unterscheiden konnten. "Das zeigt, dass Schweine wohl doch dazu in der Lage sind, sich visuell wahrgenommene Merkmale einzuprägen und entsprechend zu reagieren", heißt es in einer Presseveröffentlichung der Vetmeduni Vienna.
Tests mit zweidimensionalen Fotos
Bewusst trainierten und testeten die Wiener Forscher die Schweine mit zweidimensionalen Fotos verschiedener menschlicher Vorder- und Hinterköpfe. Damit sollte ausgeschlossen werden, dass sich die tierischen Probanden anhand eines für Schweine längst nachgewiesenen Formverständnisses oder anhand ihres ausgezeichneten Geruchssinnes (olfaktorische Faktoren) orientieren konnten. "Nur das visuelle Wahrnehmungsvermögen, das bislang als eben nicht besonders ausgeprägt verstanden wurde, war somit gefordert", erklärt Studienleiter Ludwig Huber. Als materieller Anreiz winkte für jede richtige Auswahl dem Test-Schwein eine Belohnung.
Schnell stellten die Schweine unter verschiedenen Testbedingungen ihre bemerkenswerte Lernfähigkeit und ein ausgeprägtes visuelles Wahrnehmungsvermögen unter Beweis. Dabei stellte sich heraus, dass sich diese Tiere nicht allein einprägen, ob sie Menschen von vorne oder von hinten sehen. Vielmehr konnte auch festgestellt werden, dass den Schweinen bestimmte körperliche Merkmale wie Augen oder Mund als Gedächtnishilfen zur Wiedererkennung menschlicher Gesichter dienen. "Das Ergebnis ist damit ein wichtiger Hinweis, dass Schweine entgegen bisheriger Ergebnisse doch über ein visuelles Wahrnehmungsvermögen verfügen", so Studienleiter Huber.
Auch Schafe erkennen Gesichter
Derartige fortgeschrittene Fähigkeiten der Gesichtserkennung, wie sie ursprünglich lediglich Menschen oder Affen zugesprochen wurden, waren kürzlich auch bei Schafen nachgewiesen worden. Wissenschaftler der Universität Cambridge hatten Ende 2017 in einer Studie bewiesen, dass Welsh Mountain Schafe unterschiedliche Gesichter, darunter die von Ex-US-Präsident Barack Obama oder Schauspielerin Emma Watson, auf Fotos wiedererkennen konnten. Die britischen Wissenschaftler erhofften sich von ihren Forschungen auch neue Erkenntnisse zur Huntington-Krankheit, einer neurodegenerativen Erkrankung, die bei Menschen unter anderem mit dem Verlust der Fähigkeit zur Gesichtserkennung einhergeht.
Nachdenken über bessere Stallhaltung
Die Wiener Kognitionsforscher sehen in ihren Erkenntnissen über das ausgeprägte visuelle Wahrnehmungsvermögen von Schweinen hingegen einen Anstoß, auch über verbesserte "visuelle Reize" bei der Stallhaltung nachzudenken, um das Wohlbefinden dieser Tiere zu fördern. Denn das "dumme Schwein", dem sein "Saustall" egal ist, könnte nach allem was man nun weiß, nur ein menschliches Vorurteil sein.
Dieses Thema im Programm: MDR Jump | 02. Januar 2018 | 06:35 Uhr