Insektenforschung Mücken-Exoten in Sachsen und Thüringen

Die asiatische Tigermücke kann gefährliche Viren übertragen, ihre Ankunft in Deutschland hat viele erschreckt. Doch auch heimische Mücken können gefährlich sein. Deshalb überwachen Forscher die Verbreitung der Tiere.

Ein Faible für exotische Pflanzen brachte 2016 die gefährliche Gelbfiebermücke nach Deutschland: Eine Familie aus dem Altenburger Land nahm im Karibik-Urlaub ein paar Setzlinge mit, packte die Wurzeln feucht ein und brachte die Gewächse mit nach Hause. Die Bedingungen waren also nahezu perfekt für die Eier der Gelbfiebermücke, die unbemerkt mitreisten. Ein paar Wochen später hatten sich die blinden Passagiere in ihrem neuen Zuhause hübsch eingerichtet.

"Bei einer Durchschnittstemperatur von 25 Grad Celsius hatte die Familie in ihrer Wohnung unabsichtlich eine eigene Mückenpopulation gezüchtet", erzählt Doreen Walther vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg. Die Forscherin gilt als Deutschlands wichtigste Mückenexpertin.

Das von ihr und ihren Kollegen betreute Citizen-Science-Projekt "Mückenatlas" hat sie auch auf den exotischen Einwanderungsfall aufmerksam gemacht. Denn nachdem sich im Wohnzimmer der Familie ein paar Dutzend der Tiere eingenistet hatten, schickten die Reisenden insgesamt 13 eingefangene Mücken nach Müncheberg, neugierig darauf, welche Art da mitgereist war.

Auch einheimische Mücken können gefährlich sein

Tatsächlich war die Episode zwar einprägsam, aber ohne weitere Folgen. Die wärmeliebende Gelbfiebermücke konnte außerhalb der gut geheizten Räume nicht überleben. Und weil niemand in der Familie mit gefährlichen Krankheiten infiziert war, konnten die Tiere auch keine Viren aufnehmen, die sie auf andere Menschen hätten übertragen können. In den Tropen und Subtropen, wo sie herkommen, sind Gelbfiebermücken gefährlich: Tragen sie beispielsweise das Zika-Virus in sich, übertragen sie es auch, wenn sie Menschen stechen.

Diese möglichen Gefahren sind der Grund dafür, dass es in Deutschland seit 2011 wieder ein flächendeckendes Mückenmonitoring gibt. Zuvor hatten sich Behörden, Politik und Forschung jahrzehntelang nicht um die lästigen Plagegeister gekümmert. Nachdem die Malaria in Deutschland und Europa 1974 offiziell ausgerottet war, sah man keinen Grund, sich weiter mit den stechenden Insekten zu beschäftigen. "Aufgerüttelt hat uns erst der Ausbruch der Blauzungenkrankheit 2006", sagt Walther. Die Blauzungenkrankheit ist eine Infektion von Kühen, die von Gnitzen übertragen wird, einer Familie sehr kleiner Mücken.

Man hat erkannt: Auch unsere einheimischen Mücken sind zur Übertragung des Virus befähigt. Wir mussten nicht auf invasive Mücken warten. Das war der Hinweis nachzufragen: wie ist die Situation in Deutschland, wo kommen wann welche Stechmücken vor? Da war seit Dekaden keine Forschung mehr betrieben worden.

Doreen Walther, Mückenforscherin am ZALF

Tigermücke bringt den Durchbruch

Als die ZALF-Forscher zusammen mit dem Friedrich-Löffler-Institut für Tiergesundheit das Monitoring neu aufbauten, installierten sie zunächst 126 Fallensysteme in der Bundesrepublik. Die machten zwar einerseits viel Arbeit, waren aber andererseits laut Walther nur "ein Tropfen auf dem heißen Stein" angesichts einer Fläche von Berchtesgaden bis Husum und von der Eifel bis nach Görlitz. "Es war eine ziemliche Herausforderung im Detail herauszufinden, wo kommen welche Mückenarten vor", sagt Walther. Genaues Wissen war aber wichtig, denn in Deutschland sind mehr als 50 verschiedene Arten von Mücken heimisch, neben der Familie der Stechmücken gibt es auch noch Kriebelmücken und Gnitzen.

Zur Hilfe kam den Forschern aber eines ihrer ersten Ergebnisse 2011: Die Asiatische Tigermücken war im Rheingraben in Baden-Württemberg heimisch geworden. Diese sehr kleinen Tiere sind seit langem bekannt dafür, dass sie viele gefährliche Viren übertragen können, von Zika, bis Dengue oder Chikungunya. Dadurch gab es eine große Reaktion in der Öffentlichkeit.

Die Leute haben uns geschrieben: Wir leben zwar nicht in Baden-Württemberg, sondern in Niedersachsen, haben aber auch Tigermücken vor der Haustür. Wir würden gerne diesen Fund melden. Es hat uns erst viel Zeit und Mühe gekostet, die Leute ins Boot zu holen und ihnen zu erklären, dass sich die vielen verschiedenen Stechmückenarten durch kleinste Details unterscheiden. Man muss eigentlich genau schauen unter dem Binokular, man kann nicht einfach sagen, Hausmücke oder Tigermücke.

Doreen Walther, Mückenforscherin am ZALF

Über 100.000 Einsendungen

Im April 2012 starteten die Wissenschaftler das Citizen-Science-Projekt Mückenatlas. Bürger können den Forschern helfen, wenn sie die Tiere einfangen, ohne sie zu beschädigen, etwa mit einem Glas oder einem Fläschchen, und sie in dann über Nacht in einem Gefrierschrank abtöten. Per Post können die Tiere dann samt ausgefülltem Einsendeformular nach Müncheberg geschickt werden.

Wir haben gedacht, dass wir vielleicht zehn bis 20 Mitstreiter gewinnen können. Schon 20 Fundorte hätten unser Raster mit den 126 Fallenstandorten wesentlich verbessert. Allein im Jahr 2012 haben dann aber mehr als 2.000 Leute mitgemacht, die über 6000 Mücken eingeschickt haben. Wir haben überhaupt nicht mit so einer starken Resonanz gerechnet. Bis heute haben wir über 100.000 Stechmücken einsammeln können, von mehr als 20.000 Fundorten. Das ist für uns ein unglaublicher Datenfundus. Wir können so detaillierte Verbreitungskarte erstellen und Risikoanalysen für die Bürger machen.

Doreen Walther, Mückenforscherin am ZALF

Platz 3 im Gefährlichkeitsranking: Die Asiatische Bsuchmücke

Die Asiatische Tigermücke ist heute neben Baden-Württemberg auch in Bayern und Thüringen heimisch. Gefährlich ist das nicht, bislang. "Per se ist die Tigermücke einfach nur lästig, weil sie wie jedes andere Mückenweibchen eine Blutmahlzeit aufnehmen möchte um ihre eigenen Eier reifen zu lassen", sagt Walther. Um Krankheiten zu übertragen, müsste sie zunächst einen infizierten Menschen stechen, der sich im genau richtigen Stadium der Krankheit befindet. "Dieses Szenario ist für Deutschland aber noch nicht eingetreten und die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering", sagt die Forscherin.

Viel problematischer ist vielleicht, dass die in Deutschland heimischen Mückenarten viel weniger erforscht sind, als die Asiatische Tigermücke. "Da wissen wir das noch gar nicht, ob von ihnen eine Gefahr ausgeht, das muss die Forschung in den nächsten Jahren klären."

Auch eine weitere Immigrantin ist noch nicht vollständig erforscht: Die Asiatische Buschmücke. Sie kommt aus gemäßigten und kalten Gebieten in Asien und fühlt sich in Deutschland daher wie zu Hause. Inzwischen kommt sie in sieben Bundesländern vor, darunter auch Thüringen und Sachsen. Auch sie kann viele Viren aufnehmen und abgeben, steht daher im Gefährlichkeitsranking auf Platz 3. Da sie aber nur schwer im Labor gezüchtet werden kann, gebe es bei dieser Spezies noch viele offene Fragen, sagt Doreen Walther.

Denkste: Irrtümer des Alltags Von wegen, Tigermücke!

Auch schon mal eine Tigermücke (links) gesichtet? Und Sie haben sie erschlagen, nachdem sie bei Ihnen Blut gesaugt hat? Entspannen! Es war vermutlich einfach eine Ringelmücke (rechts).

Asiatische Tigermücke beim Zustechen
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Asiatische Tigermücke beim Zustechen
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Gemeine Stechmücke (Culex Pipiens) beim Blutsaugen
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Behälter umdrehen

Auch in Bezug auf die Wechselwirkungen zwischen Mücken und Wildtieren steht die Forschung noch am Anfang. "Auch Wild- und Haustiere sind potenzielle Blutwirte für die Mücken. Da können auch andere Erreger übertragen werden, nicht nur Viren sondern auch Würmer. Und das können auch unsere einheimischen Stechmücken. Was da möglich ist auf diesem Weg ist teilweise noch völlig ungeklärt", sagt Walther.

Die Bürger können nicht nur bei der Forschung helfen, sondern Mücken auch die Ausbreitung schwerer machen. Wer einen Garten hat, sollte beispielsweise Regentonnen zudecken. Aber den winzigen Tiger- und Buschmücken reichen auch kleinste Brutstätten. Deswegen rät Walther auch dazu, Vasen, Blumentöpfe und Eimer umzudrehen, damit sich dort bei Regen keine Wasserlachen bilden, in denen die Weibchen dann ihre Eier ablegen können.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT - Radio | 13. Juni 2018 | 06:10 Uhr