Soziale Spinnen (Anelosimus sp.) in einem gemeinsamen Netz
Spinnen der Gattung Anelosimus leben in Kolonien mit hunderten Tieren. Sie sind verwandt mit den Schwarzen Witwen. Bildrechte: imago/imagebroker

Klimawandel und Verhaltensänderung Studie: Extremes Wetter – aggressivere Spinnen

10. September 2019, 15:41 Uhr

Wer Extremwetterlagen als Folgen des Klimawandels begreift, wird verstehen, welches Schwungrad die schweren Hurricanes drehen: Sie treiben Veränderungsprozesse im Ökosystem an. Ein anschauliches Beispiel dafür liefert eine kanadische Studie, die sich das Verhalten von Spinnenweibchen in ihren Kolonien vor und nach schweren Stürmen angeschaut hat.

Je härter der Sturm, um so aggressiver die Spinnen: Das ist verknappt das, was kanadische Forscher bei Studien an Spinnenkolonien entlang der Küsten vom Golf von Mexiko und entlang der US-Atlantikküste beobachtet haben. Sie beleuchteten das Leben von 240 Kolonien der Spinnen-Art "Anelosimus studiosus" und zwar vor und 48 Stunden nach einem Unwetter an 211 verschiedenen Orten.

Wann gilt eine Spinnenkolonie als aggressiv?

Studienautor Jonathan Pruitt beschäftigen diese sozialen Spinnen schon seit Jahren. 2014 hatte er entdeckt, dass sich die Kolonien der Anelosimus studiosus generell in zwei Verhaltenstypen unterscheiden lassen, nämlich in sanfte und aggressive: Die Art, aggressiv oder nicht-aggressiv, einer Kolonie wird bestimmt anhand der Geschwindigkeit und Anzahl ihrer Angriffe auf eine Beute, die Kannibalisierung der Männchen und Eier sowie ihre Reaktion auf Angriffe durch fremde Raubspinnen. Aggressive Kolonien können sich bei knappen Ressourcen besser ernähren, sind aber auch anfälliger für Kämpfe untereinander, wenn die Nahrung längere Zeit knapp ist oder Kolonien überhitzt werden.

Anelosimus studiosus Diese Spinnen gehören zur Familie der Theridiidae, wie auch die bekannte Schwarze Witwe. Anelosimus studiosus bauen ihre Nester in Büschen und Baumkronen, in die Netze werden auch weben auch Baumblätter zum Schutz vor Regen mit ein. Das Besondere an diesen Spinnen: Sie jagen gemeinsam - wenn ein Insekt im Netz zappelt, nehmen die Spinnen das als Startsignal, hört das Insekt auf zu zappeln, verharren die Spinnen starr und ruhig. Sind Spinnen beisammen, wird das Beutetier gemeinschaftlich betäubt und an frisch gesponnen Seidenfäden im Netz nach oben zu den Jungtieren gezogen.

Was haben die Forscher in den Spinnenkolonien entdeckt?

Die kanadischen Forscher entdeckten jetzt, dass diese aggressiveren Kolonien, die durch Stürme stärkeren Stressoren ausgesetzt waren, mehr Eier produzierten als Spinnen, deren Habitate nicht von heftigen Stürmen betroffen waren. Als Stressoren gelten zum Beispiel massive Änderungen bei der Menge potenzieller Beutetiere und am Habitat an sich. Wenn also Sturmböen Bäume entlaubt haben, Ablagerungen plötzlich den Waldboden bedecken, die Zahl der Beutetiere plötzlich schrumpft.

Evolutionsbiologe und Erstautor der Studie Jonathan Pruitt sagt:  

Wenn der Meeresspiegel steigt, wird die Häufigkeit tropischer Stürme zunehmen. Es ist ungeheuer wichtig, sich mit den ökologischen und evolutionären Folgen extremer Wetterereignisse auch auf nicht-menschliche Organismen auseinander zu setzen.

Jonathan Pruitt

Und das hat nachhaltigen Einfluss auf die Kolonien der Spinnentiere, sagt Studienautor Jonathan Pruitt, dessen Forschung zuerst im Fachmagazin ScienceDaily veröffentlicht wurde. :

Aggressivität wird in diesen Kolonien über Generationen, von Eltern an die Töchter weitergegeben. Das ist ein wesentlicher Faktor für ihr Überleben und ihre Fortpflanzungsfähigkeit.

Jonathan Pruitt

So pflanzen sich also dank heftigerer Stürme die aggressiveren Typen dieser Spinnenart stärker fort als die ruhigeren Zeitgenossen, die nicht von Wirbelstürmen und deren Begleiterscheinungen gestresst werden.

Stürme treiben Evolutionsrad an

Tropenstürme setzten somit im Kleinen Evolutionsprozesse in Gang, deren Folgen für die weiteren Glieder der Nahrungsketten noch nicht im Detail absehbar sind: Welche Folgen wird es haben, wenn sich in der Natur tatsächlich immer die aggressiveren Ausprägungen stärker durchsetzen - oder ist das ein bekanntes Phänomen in der Natur, man denke an Darwins Theorie "survival of the fittest"? Wir werden es erleben und sicherlich auch in Europa untersuchen, ob und wie sich die hiesige Fauna an unsere (noch neuen) Wetterextreme anpasst.

Dieses Thema im Programm: Brisant | 02. März 2019 | 18:00 Uhr

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