Tierwelt, Studie und Debatten Wie trauern Elefanten und haben sie Menschenrechte verdient?

30. Mai 2022, 12:11 Uhr

Elefanten können sich selbst im Spiegel erkennen. Haben sie deswegen Menschenrechte verdient? Diese Woche standen die Dickhäuter im Fokus der Öffentlichkeit und der Wissenschaft. Eine Studie mit Youtube-Videos offenbart das Trauerverhalten der Tiere und in Deutschland hat man über die artgerechte Haltung der grauen Riesen getagt.

Elefanten erinnern sich an alles, sagt man ihnen nach. Und sie trauern um ihre Liebsten. Doch wie sie das genau machen, war bisher nicht ganz entschlüsselt. Mithilfe von Youtube-Videos konnte ein Forschungsteam des Indian Institute of Science mehr über das Trauerverhalten der Dickhäuter erfahren. 

Für Großansicht öffnen: Illustrationen, die (a) das Verhalten beim Tragen eines toten Kalbes und (b) einige der anderen (für die Prüfer) sichtbaren thanatologischen Reaktionen zeigen (Veränderung der Körperhaltung, Erkundung, epimeletisches Verhalten, Berührungen, Bewachung/Wachsamkeit, Vokalisationen und soziales Verhalten).
Illustrationen, die (a) das Verhalten beim Tragen eines toten Kalbes und (b) einige der anderen (für die Prüfer) sichtbaren thanatologischen Reaktionen zeigen (Veränderung der Körperhaltung, Erkundung, epimeletisches Verhalten, Berührungen, Bewachung/Wachsamkeit, Vokalisationen und soziales Verhalten). Bildrechte: Sanjeeta Sharma Pokharel, Nachiketha Sharma, Raman Sukumar

Das Video-Portal als wissenschaftlicher Fundus? Klingt zunächst merkwürdig, ist aber ein wachsender Trend in der Forschung. Immerhin kann jeder mit Internetzugang Videos auf öffentliche Plattformen stellen, die dann Verhaltensweisen von Tieren zeigen, auf die man bei Feldforschungen (also Untersuchungen vor Ort) lange warten kann.  

So hatte eine der Autorinnen der Studie, die Naturschutzbiologin Sanjeeta Sharma Pokharel, während ihrer vierjährigen Feldforschung in Indien nur ein einziges Mal beobachtet, wie ein Elefant auf den Tod eines anderen reagierte. Selbst ihre älteren Kollegen konnten dieses Verhalten nur wenige Male beobachten. 

Forschungsaufbau

Um das thanatologische Verhalten (Thanatologie: der Umgang mit dem Tod und die Wissenschaft um Bestattungsriten) der Dickhäuter zu untersuchen, durchforsteten die Forscher das Dickicht von Youtube. Sie gaben Begriffe wie "Tod des asiatischen Elefanten" oder "Reaktion des Elefanten auf den Tod" ein und fanden für den Zeitraum von 2010 bis 2019 insgesamt 39 Videos, die sie studierten.

So trauern Elefanten

Die Videos zeigten unter anderem bereits bekannte Szenen wie: Elefanten, die ein verstorbenes Familienmitglied mit ihrem Rüssel streicheln oder versuchen, es mit Tritten wiederzubeleben. Außerdem versammeln sich Elefanten in der Nähe der Überreste ihres Verwandten und halten Wache.

Andere Szenen kannten die Forschenden dagegen nicht – zumindest wurden sie noch nicht im Detail beschrieben. In fünf Videos heben erwachsene Elefantenweibchen verstorbene Kälber mit ihren Rüsseln auf und tragen sie tagelang, möglicherweise wochenlang durch die Wälder. Ein Video zeigt ein Kalb, das sich an seine sterbende Mutter schmiegt, die sich in zähflüssigem Schlamm verfangen hatte. Andere Szenen zeigen, wie erwachsene Elefanten mit ihren Rüsseln über die Köpfe ihrer noch lebenden Freunde streichelten, um sie höchstwahrscheinlich zu trösten.

Wenn ich als Mensch sehe, wie ein Elefant auf diese Weise reagiert, denke ich, dass er eine emotionale Verbindung zu ihm hat. Aber als Wissenschaftler müssen wir es beweisen.

Sanjeeta Sharma Pokharel, Biologin am Smithsonian Conservation Biology Institute und Mitautorin

Auch bei afrikanischen Elefanten, Giraffen, Delfinen und Schimpansen konnte man Verhaltensweisen wie das Tragen toter Artverwandter beobachten. Laut den Forschenden bleibt es jedoch unklar, ob solche Handlungen Trauer im menschlichen Sinne darstellen.

Haben Elefanten Menschenrechte verdient?

Neben der Trauerforschung waren die wohl intelligentesten Tieren unseres Planeten auch vor Gericht vertreten. Sie sind Tiere ohne viele Rechte. Doch das könnte sich ändern. Die US-Tierschutzorganisation Nonhuman Rights Project (NRP) hat beispielsweise in einem Gerichtsprozess die Freilassung der New Yorker Elefantendame "Happy" gefordert. Sie lebt seit 45 Jahren im Zoo des Stadtteils Bronx. 2006 bestand Happy als erster Elefant weltweit den Spiegeltest und konnte sich selbst in ihrem Spiegelbild wahrnehmen und erkennen. 

Elefant ihne Stoßzahn
Ein Elefant ohne seine Elfenbein-Stoßzähne. Bildrechte: imago images/VWPics

Laut den Tierschützern sei dies Grund genug, dass Happy rechtlich als "Person" gelten soll, da sie als intelligenter Asiatischer Elefant ein eigenständiges Individuum mit "komplexen kognitiven Fähigkeiten" sei. Sie wollen sie in ein Reservat nach Asien überführen. Falls das Gerichtsurteil Happy den Personenstatus zuspricht, könnte dies ein Präzedenzfall werden und die Haltung von Elefanten und anderen "höheren" Lebewesen in Zoos beenden. 

Tagung um die artgerechte Haltung von Elefanten

Erst vergangene Woche tagten Vertreter des europäischen Zooverbandes EAZA im Zuge der jährlichen Elephant Taxon Advisory Group (engl. Beratungsgruppe für Elefantentaxon, kurz Elephant-TAG) unter anderen über die sogenannte Jungbullen-WG in Heidelberg mit derzeit vier Tieren, wie die Kollegen und Kolleginnen vom SWR berichteten. Im Fokus stand die artgerechte Haltung der Tiere und wie diese gestaltet werden kann. In vielen Zoos gibt es schlichtweg zu wenig Platz dafür. 

Vom Aussterben bedroht Laut der Biologin Daniela Freyer leben in Afrika noch 60.000 Waldelefanten und 355.000 stark gefährdete Savannenelefanten. In Asien sind es 35.000 wilde Elefanten, doch noch mehr werden von dem Menschen quasi als Haustiere gehalten. Alleine in Afrika werden 20.000 Elefanten wegen ihres Elfenbeins jährlich für den Schwarzmarkt getötet. 

Für die Mitbegründerin des Artenschutzverbandes Pro Wildlife, Daniela Freyer, sei die Haltung von Elefanten in Zoos sogar ein Auslaufmodell. Bei der Tagung ging es auch um tiermedizinische Fragen und neue Forschungsergebnisse. Laut dem Leiter des Stuttgarter Wilhelma-Zoos, wo die Tagung stattfand, braucht es viel mehr Geld als bisher, um "die Haltung der Tiere möglichst an den natürlichen Entwicklungsphasen ausrichten zu können".

Auch andere Zoodirektoren appellieren an deutsche Träger von Tiergärten für mehr Mittel. Was bedeutet das beispielsweise für den Leipziger Zoo? Dieser ist derzeit nicht Teil der TAG-Gruppe, setzt die vorgegebenen Standards für die artgerechte Haltung aber nach eigenen Angaben um.

Zur Studie

Die Ergebnisse der Studie wurden im Fachmagazin Royal Society Open Science am 18. Mai 2022 veröffentlicht. Zu finden sind sie unter dem Namen "Viewing the rare through public lenses: insights into dead calf carrying and other thanatological responses in Asian elephants using YouTube videos" (engl. Das Seltene durch die Brille der Öffentlichkeit sehen: Einblicke in das Tragen toter Kälber und andere thanatologische Reaktionen bei asiatischen Elefanten anhand von YouTube-Videos). 

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Ein Elefant in freier Wildbahn – das Bild ist leicht unscharf, im Bereich seines Kopfes ein großer grauer, etwas strahlenförmiger Fleck.
Die hier simulierte Makula-Degeneration ist eine der häufigsten Sehbehinderungen im fortgeschrittenen Alter. Nervenzellen im Bereich des schärfsten Sehens werden Zerstört. (Quelle: absv.de) Bildrechte: imago/Design Pics/MDR (M)

1 Kommentar

Harka2 am 23.05.2022

Die großen Zoos mit Elefantenhaltung wie die in Leipzig, Halle oder Erfurt haben große Gehege und die Zuchterfolge sprechen dafür, dass die Elefanten sich dort wohlfühlen. Eine vorgebliche Tierschutzorganisation, die einen 45-jährigen Elefanten auswildern will, hat ganz offensichtlich fachlich keine Ahnung von den Tieren. In freier Wildbahn werden sie zwischen 50 bis 60 Jahre alt. Zudem leben gerade asiatische Elefanten in komplexen sozialen Verbindungen, zu welchen auch Menschen gehören. Asiatische Elefanten vergessen nie ihre Pfleger (und auch nicht ihre Tierquäler).

Einen 45-jährigen Elefanten aus seinem sozialen Umfeld zu reißen und ihn dann in einer völlig fremden Umgebung ohne seine bisherigen sozialen Kontakte halten zu wollen, ist absolute Tierquälerei. Ein solches Vorhaben zeugt von der totalen Inkompetenz der Möchteger-Tierschützer, die vom Tierschutz im Allgemeinen und dem Verhalten und Bedürfnissen der Elefanten im Speziellen offensichtlich keine Ahnung haben.