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ForschungBienen-Rettung durch veränderte Darmbakterien?

10. März 2020, 14:55 Uhr

Bisher war kein Kraut gegen Varroamilbe oder Krüppelflügelvirus gewachsen. Jetzt haben Forscher in Texas ein Bakterium genetisch so verändert, dass es Parasiten und Viren lahmlegt. Ist das der Stein der Weisen in Sachen Bienensterben? Und können die Forscher weitermachen? Ein Startup, das genau diesen Forschungsansatz schon 2007 verfolgt hatte, wurde nämlich aufgekauft und mit der Startup-Übernahme verschwand deren Idee zur Bekämpfung der Varroamilbe in der Versenkung.

Was für die Menschen Pest und Cholera waren, sind für die Bienen Varroamilbe und Krüppelflügelvirus. Gegen beide ist bisher kein Kraut gewachsen; die Bekämpfung mit Pestiziden hatte sich als Trugschluss erwiesen, da die Milben Resistenzen entwickelten. US-Forscher haben jetzt ein Gegenmittel für beides, die biestigen Milben und das Virus, das Flügel verkrüppelt, entwickelt. Und zwar in Form eines genetisch veränderten Bakteriums, das ohnehin im Darm der Bienen vorkommt. Nimmt die Biene genetisch diese veränderten Darmbakterien zu sich, sorgen die wiederum dafür, dass Varroa-Milben und Krüppelflügelviren verenden. Quasi so, als ob man einen Vampir tötet, indem man ihm Pizza mit Knoblauchsause verabreicht.

So jedenfalls kann man sich die Methode vorstellen, die der Evolutionsbiologe Jeffrey Barrick und sein Team an der Universität in Texas ausprobiert haben. Ihr Ansatz: Sie nutzten das Verfahren der RNA-Interferenz, einen natürlichen Mechanismus, bei dem durch die veränderten Darmmikroben Gene der Milben und Viren abgeschaltet werden.

Wer genau hinschaut, erkennt rechts oberhalb des Kopfes die kleine Milbe, die am Körper der Biene angedockt hat. Bildrechte: imago/Frank Sorge

Ihre Versuche zeigen, dass die veränderten Bakterien 15 Tage lang im Darm wirkten. Bienen, die genetisch diese Bakterien aufgenommen hatten, überlebten den Viren-Befall deutlich länger, als Bienen, die kein verändertes Bakterium aufgenommen hatten, heißt es im Artikel, der im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde. Ebenso starben die Varroa-Milben schneller ab, wenn sie Bienen mit genetisch veränderten Bakterien im Darm befielen. Die Forscher vermuten, dass diese Darmmikroben sogar von Generation zu Generation weitergegeben werden, nämlich wenn erwachsene Bienen den Nachwuchs füttern.

Wie schätzen Kollegen dieses Forschungsergebnis ein?

Ist das nun das Aus für die Varroamilben und das Krüppelflügelvirus? Experten in Sachen Bienen sind sich nicht ganz sicher. Hauptkritikpunkt bzw. Hauptforderung: Die Anzahl der Versuchsbienen - immer 20 in verschiedenen Versuchsgruppen - sei zu klein, es müsse unbedingt an größeren Bienenvölkern getestet werden. Das sagt sowohl Professor Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin, als auch Professor Robert Paxton vom Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Halle-Jena-Leipzig.

Menzel mag generell noch nicht von einem Durchbruch im Kampf gegen Varroamilben und Krüppelflügelvirus sprechen. Anhand der Laborstudie lasse sich noch nicht sagen, ob damit eine wirksame Bekämpfung von Virus- und Varroa-Infektionen erreicht werde. Unklar seien auch die finanziellen Kosten:

Es lässt sich auch nicht abschätzen, ob die Herstellung der notwendigen RNA-Moleküle mit vertretbaren Kosten und der nötigen Spezifität möglich ist.

Prof. Randolf Menzel, FU Berlin

Aus Professor Robert Paxtons Sicht ist der Ansatz der Texaner eine "kurz- bis mittelfristige Lösung", denn kein Mensch könne vorhersagen, wann die Viren und Milben erneut Resistenzen entwickeln.

Jetzt müssten die Laborexperimente in großen Bienenvölkern mit bis zu 50.000 erwachsenen Honigbienen wiederholt werden, um zu sehen, ob der Ansatz im Feld funktioniert.

Prof. Rober Paxton, MLU Halle-Wittenberg

Zudem müsse untersucht werden, ob und wie risikoreich es sei, diese "fremden Gene" in die Umwelt freizusetzen, sagt Paxton.

Wie die Grundidee in der Versenkung verschwand

Ob die Texaner nun weiter kommen mit ihrer Forschung? Neu ist ihr Ansatz gegen die Milben vorzugehen, nämlich nicht: 2007 hatte sich die israelische Startup-Firma "Beeologics" gegründet. Ihr Ziel war die Erforschung und Bewahrung der Bienen-Gesundheit, und zwar mit Hilfe des RNA-Interferenzverfahrens.

Doch 2011 wurde das Startup aufgekauft - von Monsanto, damals Weltmarktführer in Sachen genverändertes Saatgut und Insektenvertilgungsmittel. Monsanto kündigte an, "Beeologics"-Arbeit fortzusetzen - aber dabei blieb es. Die Internetseite von beeologics.com führt bis heute automatisch auf die von Monsanto.

Auch den Bayer-Konzern, der Monsanto 2018 aufkaufte, treiben die Bienen und das Varroa-Problem um und Methoden, wie man die Bienen vor den Milben schützen kann. Aber eben so, wie es ein Chemiekonzern macht: 2017 brachte Bayer ein neues Milbenbekämpfungsmittel auf den Markt, einen Wirkstoff, der auf einem Kunststoffstreifen klebt, den die Bienen von dort aufnehmen, wenn sie in ihre Beute fliegen, und dessen Wirkstoff Flumethrin dann die Milben tötet.

Und 2018 - wollte man da nicht einfach die Milben vergiften?

Was hingegen aus dem Zufallsfund der Uni Hohenheim geworden ist, dass Milben Lithiumchlorid nicht vertragen, ist noch unklar. Denn nur aufwändige Tests könnten zeigen, ob und welche Spuren das Alkalisalz in den Bienen hinterlässt. Und ob daraus dann wirklich ein Tiermedikament werden könnte? Solche Zulassungsverfahren brauchen Zeit und Geld - und Institutionen oder Auftraggeber, die bereit sind, das Verfahren zu bezahlen.

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