Biodiversität in Mitteldeutschland Nicht zum Kuscheln – Wildkatzen im Leipziger Auwald

23. Juni 2020, 09:17 Uhr

Eine weibliche Wildkatze (Felis silvestris silvestris) ist im Leipziger Auwald in eine Fotofalle getappt. Die Aufnahmen sind deshalb etwas Besonderes, weil Wildkatzen selten so gut zu erkennen sind wie in diesem Fall. Die Rückkehr der scheuen Wildtiere ist ein Hoffnungsschimmer für die Artenvielfalt in Mitteldeutschland.

Schriftzug 'Erwischt!' über Schnappschuß einer Wildkatze 1 min
Bildrechte: MDR/Rald Engelmann

Rolf Engelmann ist Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Universität Leipzig. Mit seiner Wildkamera beobachtet er eigentlich einen Dachsbau in der Nähe des Auwald-Kranes in der Nordwestaue bei Leipzig. Ganz zufällig ist ihm eine Wildkatze vor die Linse geraten, die sich für den Dachsbau interessierte. Er freut sich über die Filmaufnahmen, denn Wildkatzen gehören zu den "besonders geschützten" Arten. Auf der Roten Liste der Wirbeltiere werden sie als "gefährdet" eingestuft. Lange Zeit galten sie in Sachsen als ausgestorben, aber seit 2013 gibt es erste Hinweise und Sichtungen von den scheuen Tieren. Ab 2016 konnten Wissenschaftler systematisch Wildkatzen in der Nordwestaue bei Leipzig nachweisen unter anderem mit Lockstocküberprüfungen.

Woher wissen wir, dass sich Wildkatzen wieder ausbreiten?

Was bedeutet es, eine Population nachzuweisen und wie machen die Wissenschaftler das genau? Die Antwort: Mit der so genannten Lockstockuntersuchung. Dabei werden Holzstöcke an bestimmten Orten, wo Wildkatzen vermutet werden, aufgestellt. Diese Lockstöcke sind mit einer Baldrian-Mischung versehen, die für Wildkatzen sehr interessant, eben verlockend ist. Die Tiere reiben sich an den Stöcken und dabei bleiben Haare vom Fell am Lockstock kleben. Diese Haarproben werden ins Labor gesendet und untersucht. So wissen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie viele Tiere, wo leben. Hinzu kommen die Ergebnisse der Fotofallen. So erbringen die Forscher den Nachweis über eine Population. Laut BUND gibt es in der Nordwestaue in Leipzig eine kleine Wildkatzen-Stammpopulation von Männchen und Weibchen. Hinzu kommen Individuen, die nur einmalig nachgewiesen werden konnten.

Wo leben Wildkatzen?

Dass es wieder Wildkatzen im Vogtland, im Leipziger Auwald und in der Dübener Heide gibt, ist eine gute Nachricht für Mitteldeutschland, denn die Wiederansiedlung ist aufwändig. Wildkatzen brauchen zusammenhängende Waldgebiete, um sich ausbreiten zu können und die sind in Sachsen rar. Die Tiere jagen nachts und schlafen tagsüber gern in hohlen Baumstämmen also in Totholz-Nischen. Hier ziehen sie auch ihre Jungen auf. In forstwirtschaftlich bearbeiteten Wäldern sind solche Verstecke jedoch selten und daher empfehlen Experteninnen und Experten, einen Teil der abgestorbenen Bäume im Wald zu belassen.

Hauskatze oder Wildkatze – wie sehen Wildkatzen eigentlich aus?

Charakteristisch für eine Wildkatze ist der so genannte Aalstrich auf dem Rücken der Katze, der an der Schwanzwurzel endet. Der Schwanz wirkt insgesamt buschiger als bei einer Hauskatze. Das Fell der Wildkatze ist verwaschen und hat einen ockerfarbenen Ton. Typisch für eine Wildkatze ist auch die auffällige Nackenzeichnung und der so genannte Nehringsche Sohlenfleck – beides Erkennungsmerkmale, die in dem Video gut zu sehen sind. "Eine Wildkatze wie aus dem Bilderbuch", kommentiert Almut Gaisbauer vom Wildkatzenbüro des BUND Sachsen e.V. die Videobilder. Aber handelt es sich wirklich um eine Wildkatze? Mit sehr großer Wahrscheinlichkiet. Aber hundertprozentig sicher können sich die Forscherinnen und Forscher erst dann sein, wenn es einen so genannten C1 Nachweis gibt. Dabei handelt es sich um genetisches Material wie Fellreste oder morphologische Ergebnisse wie ein totes Tier beispielsweise. Filmaufnahmen sind also immer "nur" ein C2 Nachweis.

Wichtig zu wissen!

Wildkatzen und junge Wildkätzchen müssen unbedingt im Wald gelassen werden und dürfen nicht mit nach Hause genommen werden. Diese Katzen sind keine Hauskatzen und nicht zum Kuscheln da, sondern gehören in den Wald. Die Hauptaufzuchtzeit der Kätzchen ist von März bis Juni.

iw

1 Kommentar

Harka2 am 22.06.2020

Wer diese Jungtiere aus dem Wald zerrt, macht sich nicht nur strafbar, er hat auch keine Freunde mit den Tieren. Anders als Hauskatzen gelten Wildkatzen als absolut nicht zähmbar. Auf von Hand aufgezogene Wildkatzen lassen sich als erwachsene Tiere von diesem niemals streicheln. Sie kommen nur zur Futteraufnahme aus ihrer Deckung und Verschwinden schnellstmöglich wieder dort hin. Man kann die Tiere an den Menschen gewöhnen, aber ein verschmuster Hausbesetzer wird das nie.