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Bildrechte: imago images / Nature Picture Library

Wabbelige WundertiereHilft auf dem Acker und gegen Mikroplastik: Quallenschleim

08. Juli 2019, 14:55 Uhr

Quallen sind nicht nur als Bildschirmschonermotiv eine gute Ressource: Das will das europäische Forschungsprojekt GoJelly zeigen. Vor allem im Kampf gegen Mikroplastik könnten die Nesseltiere bald eine Rolle spielen.

So richtig wohlig dürfte den meisten Menschen beim Gedanken an Quallen nicht sein: Schmerzhafte Erinnerungen an Feuerquallen im Mittelmeer oder zumindest unpraktische Erfahrungen mit Quallen als Begleiter im Ostseebad sind daran Schuld. Und so eignen sich die wabbeligen Wassertiere für viele eben nur als entschleunigende Bildschirmschonermotive.

Quallenschleim in Kläranlagen

Quallen sind aber ziemlich angesagt. Und zwar so sehr, dass die Art Phialella zappai nach Frank Zappa benannt wurde. Und außerdem, weil Quallen wichtige Antworten auf Problemfragen unserer Zeit liefern könnten: "Besondere Hoffnungen setzen wir im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts darauf, Quallenschleim als Bio-Filter zu verwenden, um Mikroplastik aus Kläranlagen herauszufiltern", sagt die Meeresbiologin Jamileh Javidpour der Deutschen Presseagentur. Javidpour arbeitet an der Universität Süddänemark, war zuvor lange am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel tätig und koordiniert das interdisziplinäre Projekt GoJelly.

Wir sehen prinzipiell Chancen als Bio-Dünger in der Landwirtschaft, als Futter für Fischzuchten oder für Kosmetikprodukte.

Jamileh Javidpour | Universität Süddänemark Odense

So konnten die Forscher im Labor nachweisen, dass Quallenschleim in der Lage ist, Mikroplastik aufzunehmen. Das ist praktisch, denn gerade kleinste Partikel können von Kläranlagen nicht komplett herausgefiltert werden: 5 bis 15 Prozent bleiben laut einer Studie des Frauenhoferinstituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen zurück.

Quallenfilter-Prototyp in drei Jahren

Auch dort wird bereits mit natürlichen Schleimfiltern experimentiert – wenn auch nicht mit Quallenschleim, erklärt Doktorandin Leandra Hamann: "Da das zurückgehaltene Mikroplastik bisher im Klärschlamm landet, wäre es schön, wenn man einen Filter entwickeln würde, der das Mikroplastik getrennt von den anderen Stoffen abscheidet, um es danach entsorgen zu können."

Quallen… sind keine eigene Tierart, sondern bezeichnen ein Lebensstadium von Nesseltieren – im Kontrast zum Stadium als festsitzender Polyp. Sie bewegen sich nach dem Rückstoßprinzip bis zu zehn Kilometer pro Stunde schnell. Es gibt sie seit 500 Millionen Jahren, damit sind sie älter als Dinosaurier.

Wie gut Quallenschleim einen solchen Mikroplastikmisthaufen erzeugen kann, wird sich beim ersten Protoyp in drei Jahren zeigen. Möglicherweise kann er helfen, dass Kläranlagen in Zukunft nicht mehr durch kleinste Plastikteilchen verunreinigt werden.

Landwirtschaft, Kostmetik, Nahrungsmittel

Doch es geht weiter und die Forschung zur Qualle als natürlichem Rohstoff steht erst am Anfang: Im Gespräch sind Einsätze in Kosmetik- und Medizinprodukten, zum Beispiel bei Anti-Aging-Artikeln. Außerdem eignen sich die Tiere als Dünger – auch das haben Versuche im Rahmen von GoJelly gezeigt. Die aus den Quallen gewonnenen Nährstoffe würden genau so gut wirken wie chemische Düngemittel. Das würde aber nicht bedeuten, dass Quallen großflächig aus dem Meer und auf die Äcker gekippt werden sollen, erklärt Jamileh Javidpour von GoJelly: "Ziel ist vielmehr ein nachhaltiger Umgang mit den Quallen, die im Ökosystem Meer ein fester Bestandteil und Nahrung für 100 Fischarten sind."

Qualle mit Gemüsestreifen. Bildrechte: imago/AFLO

Doch nicht nur für Ackerpflanzen und Meeresbewohner ist das Wundertier ein guter Nährstoffgeber: In asiatischen Ländern sind Quallen ein alltägliches Lebensmittel, in China etwa seit 1.700 Jahren. Noch halten sich die Rezeptideen auf Kochportalen in Grenzen. Aber dass sich auch europäischen Gaumen umzugewöhnen wissen, zeigt die Zunahme von Insektenprodukten im heimischen Supermarktregal. Und GoJelly will diesbezüglich einen Gang zulegen: Denn neben Forschungen zu Mikroplastikfilterung und Ökodünger ist auch die Veröffentlichung eines Rezeptbuchs geplant.

Dieses Thema im Programm:MDR JUMP am Mittag | 24. April 2018 | 11:30 Uhr