DNA-Forensik60 Prozent aller Amerikaner genetisch identifizierbar
Kriminalermittler in den USA profitieren von Gen-Datenbanken: Obwohl nur ein kleiner Teil der Bevölkerung DNA-Informationen bereitstellt, können die Ermittler 60 Prozent aller Amerikaner identifizieren. Mehrere Täter wurden so gefasst.
Kriminalermittler profitieren derzeit von einem jungen Trend in den USA: Besonders europäisch-stämmige Amerikaner suchen seit einigen Jahren mit Hilfe von Onlinedatenbanken nach entfernten Verwandten. Dafür laden sie umfangreiche DNA-Profile von sich hoch. Wie sich jetzt zeigt, könnten dadurch bald weite Teile der US-Bevölkerung genetisch durchsichtig sein.
Ermittler machen sich Datenbanken wie GEDmatch immer häufiger zu Nutze. Finden sie an einem Tatort eine verwertbare DNA-Spur einer unbekannten Person, können sie durch eine Verwandtschaftsanalyse der Erbinformation den Kreis der Verdächtigen eingrenzen. Im April dieses Jahres konnte auf diese Weise der "Golden State Killer" gefasst werden, ein Serientäter, der zwischen 1974 und 1986 mehr als 50 Frauen vergewaltigt und wahrscheinlich zwölf Menschen umgebracht haben soll.
Suche nach Verwandten hilft Ermittlern
Inzwischen gibt es eine ganze Reihe weiterer, ähnlicher Ermittlungserfolge. So erfreulich das ist, halten Forscher die Entwicklung aus Datenschutzsicht für heikel. Eine neue Studie im Fachmagazin Science kommt nun zu dem Ergebnis, dass auf Basis der vorhandenen Daten bereits jetzt rund 60 Prozent aller weißen US-Amerikaner anhand ihrer DNA identifizierbar sind.
Möglich wird das, weil immer mehr kommerzielle Firmen in den USA anbieten, die DNA ihrer Kunden zu analysieren, um beispielsweise die genetischen Wurzeln zu erforschen oder das Risiko genetischer Krankheiten zu ermitteln. Nachdem ein solches Profil erstellt wurde, können seine Eigentümer es auch noch für andere Zwecke nutzen, beispielsweise um bei GEDmatch nach entfernten Verwandten zu suchen.
Im Fall des "Golden State Killers" suchten die Ermittler mit der DNA aus einer Spermaspur, die der Täter hinterlassen hatte, über die Datenbank nach Verwandten von ihm. Dafür meldeten sie sich unter falscher Identität bei dieser Datenbank an und reichten die Probe ein. So konnten sie den Kreis der Verdächtigen eingrenzen. Der Täter hatte sein DNA-Profil zwar selbst nicht ins Internet gestellt, die Information der Verwandten reichte aber aus, um ihn zu finden.
Aktuell sind nur die Daten von etwa 0,5 Prozent aller erwachsenen US-Bürger in der Datenbank GEDMatch enthalten. Steigt dieser Anteil auf zwei Prozent an, so haben die Forscher um den Datenexperten Yaniv Erlich errechnet, seien damit 90 Prozent aller europäischstämmigen US-Amerikaner über die Verwandtschaftsverhältnisse ermittelbar.
Rechtlicher Rahmen in Deutschland ist enger
Droht eine genetisch gläserne Bevölkerung? In Deutschland sei eine solche Ermittlungsstrategie derzeit rechtlich nicht möglich, sagen Wissenschaftler und Polizeibeamte vom Bundeskriminalamt (BKA). Denn einerseits sind Verwandtschaftsdatenbanken wie GEDmatch in Europa relativ unbekannt. Andererseits darf etwa das BKA, das in Deutschland die Datenbank mit DNA-Informationen über Verdächtige und Täter führt, nur ganz bestimmte Informationen speichern.
Die Ermittler sind in Deutschland auf einige wenige Abschnitte in der DNA beschränkt. Gespeichert werden dürfen nur solche Merkmale, mit denen die Erbinformationen eines Verdächtigen eindeutig zu einer Person zugeordnet werden können. "Das wird hier sehr restriktiv gehandhabt, die Strafprozessordnung schließt solche Ansätze, wie sie jetzt in den USA durchgeführt werden, aus", sagt der Molekularbiologe Prof. Peter Schneider vom Institut für Rechtsmedizin der Uniklinik Köln.
Schneider warnt auch vor möglichen Fehlern, wenn sich Ermittler auf die umfangreiche Analyse von DNA-Verwandtschaftsprofilen verlassen. Das Verfahren, wie es derzeit in den USA angewendet wird, sei sehr komplex und habe hohe Voraussetzungen.
Man muss zunächst genug DNA-Material von einer einzelnen Person bekommen. Sobald es mit der von anderen Verdächtigen vermischt ist, funktioniert es nicht mehr. Andererseits muss man sicherstellen, dass man wirklich für die Tat relevante DNA-Spuren hat. Irgendein am Tatort gefundener Zigarettenstummel reicht nicht aus, um den Tatverdächtigen zu identifizieren.
Professor Peter M. Schneider, Institut für Rechtsmedizin Universitätsklinikum Köln
Wenn im Rahmen einer Ermittlung in großem Umfang Speicheltests durchgeführt werden, dürfen die dabei gewonnenen Geninformationen nur zum Vergleich mit der Verdächtigen-DNA verwendet werden. In der Analysedatenbank des BKAs dürfen diese Informationen nicht gespeichert werden.
Besserer Schutz für DNA-Informationen
In den USA wird nun darüber debattiert, ob die DNA-Analysefirmen möglicherweise die Daten besser schützen müssen, indem die Informationen beispielsweise verschlüsselt werden. Andere Untersuchungen zeigen nämlich, dass anhand der DNA-Profile in den Verwandtschaftsdatenbanken sogar äußere Körpermerkmale wie Augenfarbe oder Krankheitsanlagen ausgelesen werden könnten. Das aber sei nicht ihr Zweck.
Zudem, so die Forscher, sollten Ermittler nur in bestimmten Fällen auf die öffentlichen DNA-Datenbanken zugreifen können. In einer Mordermittlung sei das vielleicht gerechtfertigt, bei kleineren Vergehen solle darauf besser verzichtet werden.
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Kripo live | 01. Juli 2018 | 19:50 Uhr