Gemeine Vampirfledermaus im Anflug
Die Vampirfledermaus könnte Bram Stoker zu seinem Dracula-Roman inspiriert haben. Sie ernährt sich ausschließlich von Blut. Bildrechte: Brock Fenton

Genveränderung Warum der Vampirfledermaus ihre Blutmahlzeit reicht

26. März 2022, 12:00 Uhr

Vampirfledermäuse ernähren sich ausschließlich vom Blut anderer Säugetiere, die sie bei Dunkelheit jagen. Damit kommen sehr nah an das, was die Literatur- und Filmgeschichte als "Vampir“ etabliert hat. Ernährungswissenschaftlich ist das aber eine ziemlich einseitige Kost – die wir Menschen nicht so ohne weiteres vertragen würden. Vampirfledermäuse schon! Sie kommen dank eines unerwarteten Gendefektes mit dem vielen Blut klar.

Blut enthält zwar viel Protein, aber Kohlehydrate, Vitamine und Fett fehlen fast komplett. Dafür hat es einen extrem hohen Eisenanteil – und es ist sehr salzig. Wir Menschen könnten damit nicht umgehen: 100 Gramm Blut enthalten beispielsweise 850 Milligramm Natrium, das ist mehr als das 200-fache von Trinkwasser. Das könnten unsere Nieren gar nicht ausgleichen. Sie würden zum Ausgleich Wasser aus allen anderen Körperzellen ziehen – bis wir vertrocknen. Außerdem würden uns viele Ernährungsbestandteile fehlen.

Wie realistisch der popkulturelle Mythos vom blutsaugenden Menschen dennoch ist, hat das MDR Wissen Youtube-Format Science vs. Fiction geprüft.

Neue Studie über die Genstruktur von Fledermäusen

Dass Vampirfledermäuse mit Blut als alleiniger Nahrung überleben können, ist eigentlich ein kleines Wunder der Evolution: In einer aktuellen Studie fanden Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des LOEWE-Zentrums für Translationale Biodiversitätsgenomik in Frankfurt/M. und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden heraus, dass sich die Genstruktur von Vampirfledermäusen von allen anderen Fledermausarten unterscheidet – erstere haben nämlich 13 Gene weniger. Die DNA-Abschnitte dieser Gene sind zwar auch in der Vampirfledermaus noch zu finden, aber sie sind durch Mutationen zerstört und haben keine Funktion mehr.

Defekte Gene können ein Vorteil sein

Gemeine Vampirfledermaus, Nahaufnahme des Kopfes
Kann mit Blut umgehen: Die Vampirfledermaus. Bildrechte: Marco A. R. Mello

Es handelt sich also um Gene, die verlorengegangen sind – das klingt erst einmal suboptimal. Für die Vampirfledermäuse ist es aber teilweise sogar von Vorteil: Nur dank dieser Mutationen können sie ihre spezielle Blut-Diät überhaupt umsetzen. Bei ihnen ist nämlich ein Gen defekt, das normalerweise den Transport von Eisen aus dem Blutkreislauf in Richtung des Darms hemmt. Es wird also mehr Eisen aus dem Blut zum Darm transportiert als bei anderen Fledermausarten und dort ausgeschieden. So können die Tiere ihren Eisenhaushalt besser regulieren. Und das ist nötig, denn: Dank der Ernährung via Blut nehmen Vampirfledermäuse 800-mal mehr Eisen zu sich als wir.

Wir gehen davon aus, dass der evolutionäre Verlust dieses Gens wahrscheinlich eine Anpassung an die eisenhaltige Blut-Nahrung ist.

Moritz Blumer, MPI für Molekulare Zellbiologie und Genetik Dresden

Unwesentliche Gene sind verschwunden

An anderer Stelle haben die Vampirfledermäuse offenbar einfach Gene verloren, die für sie unwesentlich sind, weil sie für die Verdauung von Blut nicht erforderlich sind. Die Forschenden konnten beispielsweise feststellen, dass den Tieren zwei Gene fehlen, die für die Ausschüttung von Insulin verantwortlich sind – einem Hormon, das den Blutzucker senkt. Für Vampirfledermäuse ist das kaum relevant, weil sie fast keine Kohlenhydrate zu sich nehmen, die den Blutzucker steigen lassen könnten. Sie produzieren also nur ganz wenig Insulin – unter Menschen wären sie quasi Typ 2-Diabetiker (ein sehr grober Vergleich).

Defekte Gene sorgen für ein besonderes Sozialverhalten

Ein anderes Gen, das bei Vampirfledermäusen im Vergleich mit anderen Fledermausarten fehlt, ist möglicherweise für das besondere Sozialverhalten der Tiere verantwortlich. Eigentlich baut dieses weitere defekte Gen im Gehirn der Fledermäuse ein Stoffwechselprodukt ab. Ist dieses Stoffwechselprodukt höher konzentriert, kann das das Gedächtnis, Sozialverhalten und Lernen fördern. Tatsächlich fällt auf: Im Vergleich zu anderen Arten haben Vampirfledermäuse ein auffällig gutes Gedächtnis. Sie teilen beispielsweise ihr Blut mit Artgenossen, die gerade hungern – und zwar hauptsächlich mit denjenigen, die ihnen selbst in der Vergangenheit geholfen haben.

Links/Studien

Die Studie "Gene losses in the common vampire bat illuminate molecular adaptations to blood feeding" wurde im Journal Science Advances veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden.

iz

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Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
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1 Kommentar

Thueringer Original am 27.03.2022

Auch Hamster sind von der Natur so beschaffen, dass sie große Mengen Alkohol vertragen. Dies liegt daran, dass der Magen und die Leber dafür ausgelegt sind auch verdorbene und vergohrene Nahrungsmittel (Wintervorrat) zu verdauen.