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Ein Labortest (Symbolfoto). Bildrechte: IMAGO / agefotostock

CoronavirusErste Stichproben: Britische Mutation in Deutschland bei fast 6 Prozent

08. Februar 2021, 14:37 Uhr

Das Robert Koch-Institut legt erste Daten aus der Überwachung von mutierten Coronaviren vor. Die britische Variante kommt demnach in 5,8 Prozent der untersuchten Proben vor und breitet sich damit schnell aus.

Seit im Herbst eine neue, hochansteckende Variante des Sars-Coronavirus-2 im Vereinten Königreich aufgetaucht ist, wurde auch in Deutschland die Überwachung mutierter Covid-19-Erreger noch einmal verschärft. Jetzt hat das Robert Koch-Institut einen ersten Bericht vorgelegt, wonach diese britische Corona-Variante in rund 5,8 Prozent aller im Dezember und Januar untersuchten etwa 31.000 Proben nachgewiesen werden konnte. Das bedeutet, dass sich die Mutante trotz Lockdown stark ausgebreitet hat.

Auch südafrikanische und brasilianische Variante in Deutschland

Die aus England stammende B.1.1.7 Variante hat ein verändertes Spikeprotein, das es dem Virus leichter macht, an die menschlichen Zielzellen anzudocken. Deshalb ist diese Version offenbar deutlich ansteckender als der bisherige Typ. Auch zwei weitere Mutanten bereiten den Medizinern große Sorgen. Der südafrikanische Typ B.1.351 und die brasilianische Variante P.1. sind deutlich ansteckender als das bisherige Virus. Zudem können sie offenbar leichter Geimpfte und Genesene infizieren, da ihr Spikeprotein so verändert ist, dass die gegen die alte Version gebildeten Antikörper nicht mehr voll wirken. Alle drei Varianten wurden inzwischen auch in Deutschland nachgewiesen.

Wo kommen die Proben mit den mutierten Coronavarianten B.1.1.7 her? Die Grafik zeigt die Verteilung aller B.1.1.7 Proben auf deutsche Postleitzahlbereiche. Bildrechte: Robert Koch-Institut/ Screenshot MDR 8.2.2021

In einem Statement für das Science-Media-Center Deutschland äußerten sich Wissenschaftler zunächst erfreut darüber, dass es vergleichsweise schnell gelungen sei, ein System für die Überwachung genetisch verändertet Coronaviren aufzubauen. Neben häufigeren kompletten Genomanalysen funktioniert das auch über spezielle PCR-Tests, die gezielt bereits bekannte Varianten erkennen können.

So erklärt der Mikrobiologe Roman Wölfel, Oberstarzt der Bundeswehr in München: "Der Vorteil der Punktmutationsassays ist, dass zahlreiche medizinische Labore diese anwenden können, auch wenn sie selbst nicht über umfassende Genomsequenzierungsfähigkeiten verfügen. Dadurch können wir sehr viel schneller einen breiten Überblick über die Verbreitung einer ganz bestimmten Mutation bekommen. Allerdings sucht ein Mutationsassay aber auch nur nach genau den Mutationen, für die es gemacht worden ist. Würden wir uns ausschließlich darauf verlassen, könnte es passieren, dass wir andere Mutationen in ihrer Ausbreitung komplett übersehen. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, auch die Gesamtgenomsequenzierung von SARS-CoV-2-positiven Proben in Zukunft beizubehalten. Denn nur damit können wir auch wirklich neue Mutationen und Mutationsmuster sicher erkennen. Mutations-PCR-Assays sind also eine nützliche Ergänzung, aber keinesfalls ein Ersatz für eine umfassende Genomsequenzierung."

Assays sind Testverfahren in Laboren, die einem genau festgelegten, standardisierten Reaktionsverfahren folgen. Wörtlich übersetzt bedeutet es (entnommene) Probe oder Untersuchung.

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Lockerungen nur unter strengen Voraussetzungen

Hartmut Hengel, Virologe an der Freiburger Uniklinik, glaubt allerdings, dass die bisher veröffentlichten Daten noch kein vollständiges Bild der Verbreitung der Varianten liefern. "Die Prävalenzangabe von 5,8 Prozent kann nicht als repräsentativ für Deutschland gelten, da bisher nur etwa 50 Prozent der in Deutschland durchgeführten PCR-Untersuchungen eingeflossen sind und wichtige Ballungsräume und Großstädte infolge der begrenzten Einzugsbereiche der beteiligten Laborverbünde nicht erfasst worden sind, etwa das Rhein-Ruhr-Gebiet und Hannover."

Trotzdem sind sich die Forscher einig: Die Varianten verbreiten sich rasch, eine Aufhebung des Lockdowns und eine Öffnung der Schulen sollten daher möglichst noch einmal verschoben werden. "Unter diesen Voraussetzungen könnte sich innerhalb weniger Wochen eine dritte, schwerer kontrollierbare Infektionswelle wie in Großbritannien und Dänemark aufbauen. Daher sind Schulöffnungen nur dann versuchsweise denkbar, wenn ein umfassendes flankierendes Maßnahmen-Bündel sichergestellt ist. Dies sollte neben Wechselunterricht und Hygienemaßnahmen bei Kindern und Lehrern ein kohärentes und kontinuierliches Testkonzept mit hochfrequenten Testzyklen einschließen." Die Schulen müssten daher mit Schnelltests ausgestattet und die Lehrer entsprechend geschult werden.

Impfstoffe bieten trotz allem Schutz

Auch wenn die neuen Mutationen die Wirkung der Impfstoffe teilweise abschwächen, so gibt es doch Hinweise, dass Geimpfte bei einer Infektion glimpflicher davonkommen. So wurde bei einem Alten- und Pflegeheim in Niedersachsen die B.1.1.7 Variante bei 14 Senioren festgestellt, die alle bereits zwei Mal geimpft wurden. Alle hatten aber nur leichte oder sogar asymptomatische Verläufe.

(ens/dpa/smc)

Bericht des Robert Koch-Instituts zu den Virusvarianten in Deutschland

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