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StudieNeue Herzmuskelzellen durch Sport

05. August 2021, 13:44 Uhr

Unser Herz hat genau wie die Herzen von allen Säugetieren eine große Schwäche: Einmal ausgewachsen, kann es kaum noch neue Muskelzellen bilden. Gehen also Zellen kaputt, durch einen Herzinfarkt zum Beispiel, kann der Körper das nicht reparieren. Wissenschaftler haben jetzt entdeckt, dass der Körper doch neue Herzmuskelzellen bilden kann. Durch Sport nämlich.

von Antje Uebel

Sport ist gut fürs Herz. Das ist sowas wie ein unumstößliches Gesetz. Wissenschaftlich beweisen konnte man es bisher aber kaum. Die Heidelberger Kardiologin Carolin Lerchenmüller wollte das ändern. Kann Sport mehr neue Herzmuskelzellen bilden lassen? Diese Frage stellte sie sich und dafür startete sie mit ihrem Team aufwendige Versuche.

Mit Mäusen. Das Schöne an Mäusen ist, dass die eben freiwillig gerne und viel laufen. Das heißt, sobald wir denen ein Laufrad in den Käfig hängen, laufen Mäuse ungefähr fünfeinhalb Kilometer in jeder Nacht.

Carolin Lerchenmüller, Uniklinikum Heidelberg

Acht Wochen lang stellte Carolin Lerchenmüller der Hälfte ihrer Versuchstiere ein Laufrad zur Verfügung, der anderen Hälfte nicht. Die Mäuse erhielten zusätzlich DNA-Bausteine gespritzt, die sich minimal von den natürlichen DNA-Bausteinen der Mäuse unterschieden.

Wir haben unter der Haut so eine kleine Pumpe gehabt. Das war nötig, um neu gebildetes Erbgut von vorhandenem Erbgut zu unterscheiden. Normalerweise erneuern sich im Durchschnitt ein Prozent der Herzmuskelzellen.

Carolin Lerchenmüller

Eine geringe Rate, die aber völlig normal ist und in vielen Studien bereits nachgewiesen wurde, erklärt die Wissenschaftlerin. Auch die Mäuse, die kein Laufrad zur Verfügung hatten, zeigten ungefähr diese Regenerationsrate. Bei den "sportlichen" Mäusen sah das ganz anders aus.

Mit sportlicher Aktivität sind wir etwa bei 4,6fach davon. Also wir sehen etwa viereinhalb mal so viele neue Herzmuskelzellen wie in den Mäusen, die sich nicht regelmäßig sportlich betätigen.

Carolin Lerchenmüller

Sport macht das Herz jünger

Das Forscherteam konnte aus diesem Ergebnis schlussfolgern: Sport macht das Herz jünger. Nehmen wir ein ungeschädigtes junges Herz, so erklärte es die Forscherin, dann zeigt sich, dass es durch diese sportliche Aktivität zu einem ständig höherem Umschlag von Herzmuskelzellen kommt. Das bedeutet, dass die Herzmuskelzellen bei diesen sportlichen Menschen im Durchschnitt jünger sind als bei Menschen, die sich nie bewegen.

Das Forscherteam wiederholte das Experiment zusätzlich mit Mäusen, die vorher einen Herzinfarkt erlitten hatten. Und auch hier zeigte sich: Die Nager, die nächtelang im Laufrad sportlich unterwegs waren, hatten nach acht Wochen mehr neue und gesunde Herzmuskelzellen. Außerdem konnte Carolin Lerchenmüller mit ihrem Team noch einen biochemischen Baustoff isolieren, der offenbar ein Bindeglied zwischen Sport und Regeneration des Herzmuskels darstellt. Eine sogenannte Micro-RNA.

In diesen acht Wochen haben wir diese Micro-RNA blockiert. Das hat dazu geführt, dass das Herz nicht nur nicht größer wurde, sondern, dass es auch nicht mehr neue Herzmuskelzellen gab.

Carolin Lerchenmüller

Und was bringt das der Medizinforschung?

Das könnte ein Ansatz für künftige Medikamente sein, die dabei helfen, neue Herzmuskelzellen zu bilden, hofft die Kardiologin. Das sei aber noch Zukunftsmusik. Viele neue Studien seien dafür notwendig, erklärt sie. Auch könne man wissenschaftlich aktuell noch nicht beweisen, dass mehr Herzmuskelzellen auch wirklich dafür sorgen, dass das Herz besser funktioniert.

Das können wir so hundertprozentig damit nicht bestätigen.

Carolin Lerchenmüller

Hier zeigt sich auch Felix Engel skeptisch. Der Erlanger Arzt für Nieren- und Kreislauf gilt als Experte in der Herzforschung und lobt den Ansatz der Studie. Die Zukunft müsse zeigen, wie groß der Zusammenhang wirklich sei. Davon hänge es ab, welche Behandlungsmöglichkeiten es künftig geben wird.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 15. Juni 2019 | 13:50 Uhr