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Der Waldrapp: Einer der seltensten Vögel der Welt. Das europäische LIFE-Projekt versucht eine selbstständig überlebensfähige europäische Waldrapp-Population aufzubauen. Bildrechte: imago images/Ardea

BiodiversitätLandwirtschaft lässt Europas Vogelpopulationen schrumpfen

25. Mai 2023, 10:27 Uhr

Europas Vogelpopulationen gehen seit Jahrzehnten zurück. Forschende haben nun untersucht, wie sich menschgemachte Einflüsse wie Klimawandel, Veränderung der Waldbedeckung, Verstädterung und die intensivierte Landwirtschaft auf die biologische Vielfalt der Vogelwelt auswirken. Letztere hatte den größten negativen Einfluss auf die europäischen Vogelpopulationen.

Auch wenn es im Frühling vierlorts pfeift und zwitschert – die Idylle trügt. Die biologische Vielfalt in der Tier-und Pflanzenwelt ist bedroht und der Druck, den der Mensch auf die Artenvielfalt ausübt, wird immer größer. Kaum ein Lebensraum ist davon ausgenommen, sowohl Meeres- und Landwirbeltiere als auch Insekten sind betroffen.

Was beeinflusst die Vogelvielfalt in Europa?

Unter den Landwirbeltieren machen Vögel in puncto Artenzahl die größte Gruppe aus. Seit Jahrzehnten verzeichnen Forschende einen Rückgang der europäischen Vogelarten. Fast jede fünfte Vogelart ist vom Aussterben bedroht oder kurz davor, warnten Vogelschützer bereits 2021. Stanislas Rigal vom Institut des Sciences de l’Évolution de Montpellier in Frankreich und seine Kolleginnen und Kollegen haben nun in einer breitangelegten Studie untersucht, welche Zusammenhänge es zwischen diesem Rückgang der Arten und anthropogenen Einflüssen gibt.

Die Forschenden konzentrierten sich bei ihrer Arbeit auf vier verschiedene menschgemachte Einflüsse: 1. Die Intensivierung der Landwirtschaft, 2. den Verlust der Waldbedeckung, 3. den Temperaturanstieg und 4. die Verstädterung. In ihre Betrachtungen bezogen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten von 170 Vogelarten ein, die über 37 Jahre in 38 Ländern erhoben wurden.

Landwirtschaft der größte Faktor

Die Intensivierung der Landwirtschaft hat laut den Forschenden den größten negativen Einfluss auf die Vogelpopulationen. Grund dafür ist zum einen, dass die Lebensräume der Vögel durch immer größere Ackerflächen eingeschränkt werden. In Ländern mit kleineren Produktionsflächen steht es um die Vogelpopulationen besser.

Zum anderen ist der Einsatz von chemischen Mitteln wie Düngern und Pestiziden von großer Bedeutung, denn diese wirken sich negativ auf die Vielfalt der Wirbellosen aus. Sie machen bei Vögeln zumindest in einigen Entwicklungsstadien wie etwa der Brutzeit einen wichtigen Teil ihrer Nahrung aus. Laut den Forschenden ist das bei 143 der 170 untersuchten Arten der Fall. Ist diese Nahrungszufuhr gestört, wirkt sich das auf den Fortpflanzungserfolg aus, denn es beeinflusst das Elternverhalten und das Überleben der Nestlinge. Hinzu kommt auch ein direkter Kontakt der Vögel durch den Verzehr von Samen, die mit chemischen Mitteln behandelt wurden. Was wiederum dazu führt, dass sie Vögel nicht direkt sterben, der Organismus aber über die Zeit und zunehmenden Verzehr beeinflusst wird.

Die Forschenden kommen in ihrer Studie zu dem Schluss, dass das Schicksal der europäischen Vogelpopulationen tatsächlich von der raschen Umsetzung eines transformativen Wandels in der europäischen Gesellschaft und insbesondere von Agrarreformen abhängt.

Mehr Stadt, mehr Wald

Und als wäre das nicht genug, lastet zusätzlicher Druck aus anderen Bereichen auf den Vögeln. Auch die zunehmende Verstädterung hat einen negativen Einfluss auf die Vogelpopulationen. Aber auch der Wald in Europa verändert sich – die Waldbedeckung nimmt seit Jahrzehnten zu. Normalerweise bringt man das mit einer Zunahme der Vogelpopulationen in Verbindung, aber die Gesamtpopulationen lassen nicht darauf schließen. Ursache dafür könnte sein, dass zwar die Masse an Wald zunimmt, die Arten des Waldes aber nicht. So gehen alte Wälder zum Beispiel zurück, welche aber für viele in Wäldern lebende Arten sehr wichtig sind.

Der Anstieg der globalen Temperaturen hat sich insgesamt negativ auf die Vogelpopulationen ausgewirkt. Die Forschenden stellen aber auch eine klare Trennung zwischen den positiv betroffenen Arten fest, die meist Wärmeliebhaber sind und den negativ betroffenen Arten, die eher Kälte bevorzugen. Wie gut die Vögel mit den Temperaturanstiegen umgehen können, hängt auch davon ab wie gut sie es schaffen mit diesen Veränderungen sowohl räumlich als auch zeitlich umzugehen. Durch die Temperaturänderungen kann es zu zeitlichen Verschiebungen ihres geografischen Verbreitungsgebiets kommen und das wiederum hat Auswirkungen auf andere Arten mit denen sie direkt interagieren. Das ist besonders für wandernde Arten eine Herausforderung, wobei Langstrecken-Zugvögel negativer betroffen sind als Kurzstrecken-Zugvögel. Die Forschenden machen deutlich, dass der Klimawandel und der damit einhergehende Temperaturanstieg in den letzten Jahrzehnten ein dominanter Faktor für die Vogelpopulationen auf kontinentaler Ebene war.

Um den Vögeln zu helfen, so das Resümee der Studie, sind also ein gesamtgesellschaftliches Handeln, neue landwirtschaftliche Strategien und politische Reformen nötig.

Links/Studien

JeS

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Stunde der Gartenvögel | 12. Mai 2023 | 07:16 Uhr